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Wie die Stadt Buchen sich auf die Umsatzsteuerpflicht vorbereitet

Lange waren Kommunen in Sachen Umsatzsteuer außen vor. Als juristische Personen des öffentlichen Rechts mussten sie nur in Ausnahmefällen die für Unternehmen übliche Umsatzsteuer erheben. Dass sich das ändert, steht schon seit 2015 fest, und eine Schonfrist für Kommunen endet in einem Jahr. Die Stadt Buchen, die die Steuer bereits ab kommendem Januar erhebt, hat bereits einen Testballon gestartet und mehr als 15.000 Sachverhalte geprüft.

Das Jahr 2021 neigt sich dem Ende, und zum 1. Januar treten wie immer zu Jahresbeginn eine Reihe neuer Gesetze in Kraft. Bereits seit fünf knapp fünf Jahren, nämlich seit dem 1. Januar 2017, ist die Neuregelung des Umsatzsteuergesetzes rechtskräftig. Für die Umsetzung der für Städte und Gemeinden gravierenden Gesetzesänderung wurde ihnen jedoch eine Übergangsfrist zwischen sechs und vier Jahren gewährt. Spätestens am 1.Januar 2023 sind Städte und Gemeinden jedoch zur Umsetzung verpflichtet. 

Kommunen sind künftig verpflichtet, Umsatzsteuer zu erheben

Durch die bereits 2015 beschlossene Änderung kommt ein erheblicher Mehraufwand auf die Kommunen zu. Denn künftig müssen sie auf Dienstleistungen, die sie auf dem Markt anbieten, Umsatzsteuer erheben - so wie es Unternehmen seit jeher auch tun. Dieser bürokratische Akt, bei dem die Unternehmer temporär zum verlängerten Arm des Finanzamts werden, war Kommunen bis dato erspart geblieben. Juristische Personen des öffentlichen Rechts (der Bund, die Länder und die Kommunen) hatten bislang nur in wenigen Fällen Umsatzsteuer erheben müssen.

Ausnahme von der Umsatzsteuer sind Leistungen, die nur die Kommunen erbringen können

Die EU sah darin jedoch eine Verletzung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität: Demnach unterliegen alle von der öffentlichen Hand erbrachten Leistungen der Besteuerung; zumindest dann, wenn sie im Wettbewerb mit Privatunternehmen stehen. Handelt es sich hingegen um Leistungen, die nur die Stadt oder Gemeinde ihren Bürgern anbieten kann, fällt keine Umsatzsteuer an.

Stadt Buchen (Odenwald) ist mit vierköpfiger Projektgruppe in Vorleistung gegangen

Eine Mitgliedskommune des Gemeindetags, die Stadt Buchen (Odenwald), hat die vergangenen Monate dazu genutzt, intensive Vorarbeit zu leisten. Die Stadt will bereits vom kommenden Januar an Umsatzsteuer erheben. Wie die Rhein-Neckar-Zeitung berichtet, hatte sie bereits 2019 eine vierköpfige Projektgruppe gebildet. Mit der Unterstützung einer Steuerberaterfirma sollte sie herausfinden, welcher Aufwand auf die Gemeinde zukommt - und vor allem, auf welche Dienstleistungen sie künftig Umsatzsteuer erheben muss und auf welche nicht.  

Mitarbeiterinnen haben 15.000 Sachverhalte auf Umsatzsteuerpflicht geprüft

Laut Bericht der Zeitung hätten zwei Mitarbeiterinnen des Teams sage und schreibe 15.000 Sachverhalte auf diese Frage hin geprüft. Am Ende der Prüfung kamen sie zu dem Ergebnis, dass 600 städtische Verträge überarbeitet oder angepasst werden müssen. Die Vorleistung des Teams ist umso erstaunlicher, da bei der Prüfung der Sachverhalte äußerste Umsicht gefragt war. Schließlich käme eine falsche Einschätzung zumindest potenziell einer Steuerhinterziehung gleich.

Bürgermeister von Buchen: Mehraufwand könnte Ausrichter von Festen abschrecken

Trotz des Wissensvorsprungs, die sich die Stadt erarbeitet hat, bleibt einige Unsicherheit zurück. Und das Bewusstsein, dass der Mehraufwand erheblich ist. Das gilt auch für Ereignisse, die bislang aus dem Alltag einer Kommune nicht wegzudenken sind. Für Schulfeste zum Beispiel. Deren Ausrichter verkaufen oft Softdrinks, Kaffee und belegte Brötchen. Künftig müssen sie darauf Umsatzsteuer erheben. Der Buchener Bürgermeister Roland Burger glaubt, dass solche Auflagen Menschen davon abschrecken könnten, Feste überhaupt auszurichten.

Wird die Umsatzsteuer-Pflicht zum bürokratischen Monster für Städte und Gemeinden?

Für Burger steht fest, dass das Gesetz die Arbeit der Kommunen verkompliziert. Ab Januar wird die Stadt dann sehen, wie sich die Umsetzung in der Praxis gestaltet. Alle anderen Kommunen in Deutschland folgen spätestens ein Jahr später. Dann wird sich zeigen, ob die Umsatzsteuer tatsächlich ein neues Bürokratiemonster wird - oder ob sich der Aufwand wider aller Erwartung in Grenzen halten wird.