Studie: Grundsteuer-B-Hebesätze steigen sprunghaft - aber nicht im Südwesten
Im Jahr 2023 hat jede vierte deutsche Kommune (25 Prozent) die Grundsteuer B angehoben – so viele wie seit Jahrzehnten nicht. Das geht aus einer Ende vergangener Woche veröffentlichten Untersuchung hervor. Doch Baden-Württemberg geht gegen den Trend: Der Anteil der Kommunen mit Steuererhöhungen sank hier von 16 Prozent im Vorjahr auf nur noch neun Prozent. Damit gehört das Bundesland zu den wenigen Regionen Deutschlands, in denen die Hebesätze seltener angehoben wurden. Insgesamt stellen die Expertinnen und Experten von EY, die die Untersuchung durchgeführt haben, fest, dass es von 2022 bis 2023 einen sprunghaften Anstieg des durchschnittlichen Hebesatzes gegeben hat: Lag dieser im Jahr 2022 noch bei 391 Prozentpunkten, stieg er im vergangenen Jahr auf 409 Prozentpunkte.
Ein Grund für die Ausnahmestellung Baden-Württembergs könnte die traditionell stabile Finanzlage vieler Städte und Gemeinden sein. Anders als in Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz, wo Kommunen oft finanziell stark belastet sind, haben Kommunen im Südwesten weniger Druck, die Einnahmen über höhere Steuern zu steigern. Ein weiterer Faktor: Viele Gemeinden scheuen die Grundsteuerreform 2025, die Aufkommensneutralität verspricht, aber in der Umsetzung Unsicherheiten mit sich bringt.
Wie sich Baden-Württembergs Kommunen abheben
Insgesamt könnte das Bild klarer nicht sein: Zwischen 2018 und 2023 haben 48 Prozent der Kommunen bundesweit ihre Hebesätze angehoben, nur ein Prozent hat sie gesenkt. Die Bundesländer mit dem höchsten durchschnittlichen Hebesatz sind Nordrhein-Westfalen (577 Punkte), Hessen (507) und Rheinland-Pfalz (464). Der Anteil der Kommunen mit sehr hohem Hebesatz ist vom 5 Prozent im Jahr 2005 auf 53 Prozent im vergangenen Jahr angestiegen. Als „sehr hoch“ gilt demnach ein Hebesatz über 400 Prozent. Im selben Zeitraum ist der Anteil der Kommunen mit niedrigem Hebesatz – also weniger als 300 Prozent – von 22 auf drei Prozent gesunken.
In Baden-Württemberg hat sich im Zeitraum zwischen 2018 und 2023 auch einiges getan, aber eher moderat: Der durchschnittliche Anstieg betrug 21 Punkte oder sechs Prozent. Zum Vergleich: Die Kommunen im „Spitzenreiter-Bundesland“ Rheinland-Pfalz erhöhten im Schnitt um 80 Punkte oder 21 Prozent. Insgesamt erhöhten in Baden-Württemberg 44,3 Prozent der Kommunen ihren Hebesatz. Die Mehrheit (54,9 Prozent) ließ ihn unverändert, in 0,8 Prozent aller Kommunen sank er. Zwischen 2022 und 2023 erhöhten 8,6 Prozent der baden-württembergischen Kommunen den Hebesatz, 0,2 Prozent senkten ihn ab und 91,2 Prozent ließen ihn unverändert.
Das Jahr 2025: Reform bringt neue Herausforderungen
Baden-Württembergs Kommunen haben durchschnittlich den drittniedrigsten Hebesatz im Vergleich mit Kommunen anderer Flächenländer (370 Prozentpunkte). Nur Bayern (355) und Schleswig-Holstein (348) liegen noch darunter. Der Autor der Studie, Heinrich Fleischer, konstatiert, dass mittlerweile jede zweite Kommune in Deutschland einen sehr hohen Grundsteuer-B-Hebesatz von 400 Prozentpunkten oder mehr hat. Von 2022 auf 2023 habe jede vierte Kommune deutschlandweit ihren Grundsteuer-Hebesatz erhöht; im Laufe der vergangenen fünf Jahre habe das fast jede zweite Kommune getan.
Die Grundsteuerreform tritt 2025 in Kraft, und viele Kommunen bereiten sich bereits jetzt darauf vor. Die Studie zeigt, dass vor allem finanziell angeschlagene Kommunen darauf angewiesen sind, Einnahmen zu sichern. Auch wenn die Reform offiziell keine zusätzliche Belastung der Bürgerinnen und Bürger vorsieht, bezweifeln Experten wie Heinrich Fleischer, Partner bei EY, dass dies in der Praxis gelingt:
„Die anhaltend schlechte Finanzlage vieler Kommunen und die hohe Inflation zwingen sie oft dazu, die Hebesätze anzuheben. Für die Bürger und Unternehmen bedeutet das eine zusätzliche Belastung“, erklärt Fleischer. Auch Baden-Württemberg wird sich dieser Dynamik nicht entziehen können. Obwohl das Land derzeit niedrige Hebesätze und stabile Finanzen vorweisen kann, könnten die steigenden Kosten und die Reform langfristig zu höheren Belastungen führen.
Hintergrund zur Studie
Die Studie untersucht die Entwicklung der Grundsteuer-B-Hebesätze in allen deutschen Kommunen (ohne Stadtstaaten) im Zeitraum von 2005 bis 2023, basierend auf den Stichtagen jeweils zum 31. Dezember. Die Daten stammen von den Statistischen Landesämtern („Hebesätze der Realsteuern“) und bieten einige Besonderheiten:
- Ungewichtete Durchschnittswerte: Im Gegensatz zu den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes basiert die Studie auf ungewichteten Durchschnittshebesätzen der Gemeinden, unabhängig von deren Einwohnerzahl.
- Berücksichtigung kommunaler Gebietsreformen: In Bundesländern wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurde bei Gebietsreformen den neuen Stadtteilen erlaubt, die alten Hebesätze für einige Jahre beizubehalten. Diese Besonderheit fließt in die Analyse ein.
- Langfristige Betrachtung: Die Analyse deckt Entwicklungen über fast zwei Jahrzehnte ab und beleuchtet regionale Unterschiede sowie langfristige Trends bei der Grundsteuer in Deutschland.