
Studie: Digitalisierung geht nicht ohne Kulturwandel
800 Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, mehr als die Hälfte davon Führungskräfte, wurden von der Beratergesellschaft Kienbaum zur digitalen Verwaltungskultur in ihrer Behörde befragt. Dabei nahmen Mitarbeiter von Bund, Ländern und Kommunen an der Befragung teil. "Der Digitalisierungsdruck in den öffentlichen Verwaltungen ist mit den Händen greifbar, und die Erfahrungen der Pandemie machen deutlich, dass neben der Technik vor allem Haltung und Kultur nun mitziehen müssen", schreiben die Autoren der noch nicht veröffentlichten Studie, die die:gemeinde exklusiv vorliegt.
43 Prozent sind nicht zufrieden mit Digitalisierungsfortschritt
„Die Selbsteinschätzung des Digitalisierungsgrades der öffentlichen Verwaltungen zeigt ein eher ernüchterndes Bild: Rund 43 Prozent der Befragten gaben an, mit dem Digitalisierungsfortschritt ihrer eigenen Organisation eher nicht zufrieden zu sein“, sagt Studienleiter René Ruschmeier. Nur ein Drittel der Befragten wisse von einer Digitalisierungsstrategie in ihrer Organisation, nur ein Viertel der Befragten gebe an, einen Umsetzungsfahrplan für OZG und eGovG ihrer Organisation zu haben. Auch die Onlineverfügbarkeit ist laut der Erhebung noch deutlich ausbaufähig: Nur 35 Prozent der Befragten geben an, dass Leistungen ihrer Organisation online zur Verfügung stünden.
Erfolgreiche Behörden müssen "digitale Denkweise" etablieren
Laut Studienleiter Ruschmeier ist die Implementierung einer "digitalen Denkweise" ein essentieller Teil der Digitalisierung. Darunter versteht er eine Art des Denkens, die innovative Maßnahmen voraussetzt, so etwa die Etablierung von Methoden des agilen Projektmanagements, das Schaffen einer Infrastruktur zum Experimentieren und Ausprobieren und ein Innovationsbudget. Kurzum: Gefragt ist ein Kulturwandel, der die persönliche Einstellung der Mitarbeiter betrifft, nicht die technische Ausstattung. „Aktuell stellen wir allerdings fest, dass die genannten Rahmenbedingungen noch am geringsten priorisiert und gleichzeitig als am wenigsten umgesetzt bewertet werden“, sagt Ruschmeier. Laut der Befragten der Studie umfasst eine erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen die Schaffung einer angemessenen Infrastruktur für digitales Arbeiten (78 Prozent) und für mobiles Arbeiten (66 Prozent) sowie die Berücksichtigung von Service- und Nutzerorientierung (57 Prozent).
Führungskräfte entscheidend für erfolgreichen Kulturwandel
Von herausragender Bedeutung ist laut Studie die Rolle der Führungskräfte, denn sie können und sollen den nötigen Kulturwandel mitgestalten. „Führungskräfte müssen vorangehen, was die Nutzung digitaler Instrumente und agiler Methoden angeht“, sagt Hilmar Schmidt, einer der Studienautoren. Für rund drei Viertel der Befragten gehe die Führungsaufgabe ganz klar mit ihrer eigenen Vorbildfunktion einher. "Sieben von zehn Befragten erwarten von einer zukunftsorientierten Führungskraft zudem das Teilen von Wissen und Fähigkeiten", so Schmidt. Die proaktive Fortbildung und die eigene Anwendung der Fähigkeiten erwarten darum auch rund die Hälfte der Teilnehmenden von einer Führungskraft, die Digitalisierung selber lebt und digital denkt.
Die drei Schlüsse der Studie
Die Studie kommt zu drei Schlüssen. Erstens ist ein Kulturwandel hin zur digitalen Denkweise Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung. Zweitens bedeutet Digitalisierung der Verwaltung Veränderung auf ganzer Linie: Neben der Technik muss man demnach vor allem die eigene Einstellung weiterentwickeln. Drittens: Das Handeln der Führungskräfte kann der Game Changer sein. Fortbildung und Wissenstransfer auf die Mitarbeiter sind von größter Bedeutung für einen erfolgreichen digitalen Wandel.