Sondervermögen: Zwei Drittel gehen an Kommunen – doch bei Auszahlung droht Bürokratie
Die finanzielle Not vieler Kommunen ist unübersehbar – und doch bleibt Spielraum für gute Nachrichten. Baden-Württemberg erhält aus dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen des Bundes für kommunale Infrastruktur rund 13,15 Milliarden Euro über zwölf Jahre hinweg. Zwei Drittel dieser Summe – das entspricht etwa 8,75 Milliarden Euro bzw. jährlich 729 Millionen Euro – sollen direkt an die Kommunen gehen. Diese Entscheidung teilte das Finanzministerium am vergangenen Freitag mit. Laut Ministerium ist das der höchste Anteil im Ländervergleich.
Die Summe, die auf Baden-Württemberg entfällt, wurde aufgrund des sogenannten Königsteiner Schlüssels berechnet. Die Berechnungsmethode legt den Anteil der Länder auf Grundlage des Steueraufkommens und der Bevölkerungsgröße fest. Den größten Anteil erhält mit rund 21 Prozent der Mittel Nordrhein-Westfalen. Doch nach der Entscheidung ist vor der Entscheidung. Denn eine der wichtigsten Fragen ist noch immer nicht abschließend geklärt: Wie viel Bürokratie wird nötig sein, bis die Mittel tatsächlich auf den Konten der Städte und Gemeinden ankommen? Die Antwort darauf soll ein Nachtragshaushalt geben, den der Landtag im Herbst auf den Weg bringen soll.
Bei Auszahlung droht Bürokratie
Entscheidend wird sein, ob Bund oder Land sich durchsetzen - zumindest, wenn man der Darstellung von Finanzminister Danyal Bayaz folgt. Dieser nämlich sagt, er würde den Kommunen die Mittel gern pauschal zur Verfügung stellen. Der Bund ist in seinem Narrativ der Bösewicht, der sich quer stellt. Berlin sieht demnach vor, dass die Mittel nicht automatisch fließen, sondern projektbezogen und nur auf Basis tatsächlich eingereichter Rechnungen zugewiesen werden. Nicht nur der Finanzminister kritisieren diesen Ansatz, sondern auch die Kommunalverbände. . Diese Vorgehensweise schwäche die Eigenkapitalpositionen der Kommunen und erschwere Kreditverhandlungen.
Susanne Nusser, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetags, formulierte es deutlich: „Die Kommunen brauchen Mittel, die eigenkapitalwirksam werden.“ Bayaz sekundiert: „Ich hatte von einer CDU-geführten Bundesregierung eine unbürokratischere und kommunalfreundlichere Lösung erwartet.“ Zwar wurden Berichts- und Prüfpflichten reduziert, doch bei der zentralen Frage der Mittelzuweisung blieb das Land bislang erfolglos.
Stärkung auch abseits des Sondervermögens
Zusätzlich zu den Mitteln aus dem Sondervermögen will das Land weitere 550 Millionen Euro in den kommunalen Finanzausgleich für die Jahre 2025 und 2026 einbringen – eine Reaktion auf die angespannte Haushaltslage in vielen Städten und Gemeinden. Diese Mittel sollen aus laufenden Einnahmen des Landes gedeckt werden. Innenminister Thomas Strobl (CDU) betont: „Die Ausgaben steigen stark an, die Einnahmen können nicht Schritt halten. In dieser schwierigen Situation stehen wir an der Seite unserer Kommunen – mit konkreten Taten, nicht nur mit Worten.“
Auch bei konkreten Kostenträgern will das Land die Kommunen entlasten: Rund 175 Millionen Euro fließen rückwirkend für Leistungen aus dem Bundesteilhabegesetz und dem Inklusionsausgleichsgesetz. Für Schulbegleitungen an Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren sind einmalig 47 Millionen Euro vorgesehen. Hinzu kommen über 600 Millionen Euro bis 2030 für die Ganztagsbetreuung an Grundschulen – mit einem dauerhaften Landesanteil von 68 Prozent an den Betriebskosten.
Kommunale Stimmen: „Tragfähiges Ergebnis, aber keine Lösung“
Die Kommunalen Landesverbände begrüßen das Maßnahmenpaket – mit klarer Einordnung. Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, erklärt: „Es ist gut, dass das Land die dramatische kommunale Finanzlage anerkennt. Die Stabilisierung in Höhe von 550 Mio. Euro im FAG, die Zusage zwei Drittel der Bundesinvestitionsmittel Infrastruktur pauschal an die Kommunen weiterzuleiten und eine dauerhafte Betriebskostenfinanzierung in Höhe von 68 Prozent beim Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung sind wichtige Zusagen, die in schwierigen Zeiten dazu beitragen, ein Stück weit Stabilität in die Kommunalhaushalte zu bringen.“
Angesichts der Dimension der Defizite in den Kommunalhaushalten sei eine grundlegende Reform, mit der die unaufhaltsame Dynamik bei den Staatsausgaben gebremst wird, unabdingbar. Deshalb sei das Ergebnis keine Lösung für die kommunale Haushaltsschieflage. Auch Landkreistagspräsident Dr. Achim Brötel warnt: „Das Paket beseitigt die immense Finanznot nicht, entlastet aber zum richtigen Zeitpunkt.“ Und der stellvertretende Präsident des Städtetags Baden-Württemberg, Michael Makurath, ergänzt: „Nicht alle Wünsche wurden erfüllt. Aber in sehr schwierigen Zeiten haben wir ein tragfähiges Ergebnis verhandelt.“
Wie geht es jetzt weiter?
Bis Mitte November soll der Entwurf für den besagten Nachtragshaushalt in den Ministerrat eingebracht werden. Anschließend beginnt das parlamentarische Verfahren. Das Land will in dieser Zeit prüfen, wie über eine Verwaltungsvereinbarung mit den Kommunen eine bilanzwirksame Zuteilung gelingen kann – sodass der Mehrwert der Bundesmittel lokal vervielfacht werden kann. Finanzminister Bayaz hofft weiterhin, dass der Bund seine Position zur Auszahlungspraxis überdenkt. Für die Kommunen zählt am Ende aber vor allem eines: Planungssicherheit, schnelle Verfügbarkeit – und möglichst wenig Bürokratie.
