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So bewertet der Gemeindetag die Grundsteuerreform

Die neue Grundsteuer sorgt in Baden-Württemberg für viele offene Fragen – sowohl in den Kommunen als auch in der Bürgerschaft. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat bereits mehrfach Stellung dazu genommen, sowohl im Entstehungsprozess als auch gegenüber der Presse. Wir fassen die wichtigsten Fragen und Einschätzungen in einer Übersicht zusammen.


Änderungsbedarf am Landesgrundsteuergesetz

Leitet der Gemeindetag aus seinem aktuellen Kenntnisstand einen akuten Änderungsbedarf ab?
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verstieß das frühere Bewertungsrecht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das bedeutete, dass einige Steuerzahler über Jahrzehnte hinweg zu wenig, andere hingegen zu viel Grundsteuer gezahlt hatten. Daher musste die Neuregelung zwangsläufig zu Belastungsverschiebungen führen. Der Gemeindetag sieht jedoch die Zeit bis zur nächsten Hauptfeststellung am 1. Januar 2029 als Gelegenheit, die Auswirkungen des neuen Grundsteuermodells zu erheben. Basierend auf diesen Erkenntnissen sollten gegebenenfalls punktuelle Anpassungen vorgenommen werden, die sich strikt an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientieren. Eine stärkere Differenzierung der Messzahlen könnte eine mögliche Korrekturmaßnahme sein.

Bewertung der Entlastungen und Belastungen durch die Reform

Haben Sie bereits ein Urteil darüber, wie flächendeckend es zu Entlastungen bei Gewerbebauten und zu Belastungen bei Wohngebäuden kommt? 
Dazu kann der Gemeindetag aktuell noch keine abschließende Aussage treffen. Grundsätzlich wird jedoch mit einer Entlastung der Gewerbegrundstücke gerechnet. Bei Wohngrundstücken hängen die Auswirkungen stark von der Art der Bebauung ab, weshalb es das repräsentative Wohngrundstück nicht gibt. Eigentumswohnungen und Mietwohnungen im Geschosswohnungsbau werden tendenziell entlastet. Demgegenüber führt die Grundsteuerreform bei Wohngrundstücken mit kleinen Häusern und großen Grundstücksflächen unter Umständen zu deutlichen Belastungen.

Härtefallregelung als Lösung?

Kann die Problematik durch die vom Finanzministerium vorgeschlagene Härtefallregelung gelöst werden?
Wie bei anderen Abgaben können Gemeinden auch für Grundsteuerforderungen Stundungen gewähren oder in begründeten Ausnahmefällen einen Erlass aussprechen. Allerdings gelten hierfür strenge rechtliche Vorgaben, die die Kommunen im Sinne der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen einhalten müssen. Die Voraussetzungen für Stundungen, insbesondere aber für Erlasse, sind hoch und müssen im Einzelfall geprüft werden. Diese Instrumente beziehen sich zudem nur auf bereits entstandene Steuerforderungen und haben keinen Einfluss auf deren Entstehungsgrundlage. Zukünftige Steuerforderungen würden weiterhin auf der gleichen Basis berechnet, sodass erneut geprüft werden müsste, ob eine vorübergehende oder dauerhafte finanzielle Härte besteht.

Angemessenheit der Belastungsverschiebungen zwischen Wohnen und Gewerbe

Sind die Belastungsverschiebungen zwischen Wohnen und Gewerbe weiterhin vertretbar?
Derzeit kann das Ausmaß der Belastungsverschiebungen zwischen Wohnen und Gewerbe in Baden-Württemberg noch nicht abschließend festgestellt werden, da noch nicht alle relevanten Daten vorliegen und vielerorts die Hebesätze noch nicht beschlossen wurden. Dennoch zeichnet sich bereits ab, dass die Reform tendenziell zu einer Entlastung des Gewerbes führt. Der Gemeindetag hatte bereits frühzeitig darauf hingewiesen (siehe LT-Drs. 16/8907, S. 92). Die Verschiebung zugunsten des Gewerbes tritt ein, obwohl für Wohngrundstücke bereits ein pauschaler Abschlag von 30 Prozent vorgesehen wurde. Die genaue Belastungsverlagerung hängt stark von der jeweiligen kommunalen Struktur ab – insbesondere vom Verhältnis zwischen Wohnen und Gewerbe sowie den Bodenwertdifferenzen. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die vorherige Belastungsverteilung als verfassungswidrig eingestuft hat. Dies bedeutet zwangsläufig, dass es nun zu einer Umverteilung kommt, die nicht vollständig vermieden werden kann.

Unerwartete Auswirkungen der Reform

Kamen die Belastungsverschiebungen überraschend oder waren sie vorhersehbar?
Der Gemeindetag hatte bereits während der Entstehung des Bodenwertmodells Baden-Württemberg und auch später wiederholt auf eine erwartbare Verschiebung zwischen Wohnen und Gewerbe hingewiesen. Die Auswirkungen variieren jedoch je nach Gemeinde stark, da jede Kommune eine unterschiedliche Struktur aufweist. Eine stärkere Differenzierung der Messzahlen wurde frühzeitig vorgeschlagen, um die Verschiebung abzumildern.

Einfluss des Bodenwertmodells auf die Belastungsverschiebung

Inwieweit waren Belastungsverschiebungen zwischen Wohnen und Gewerbe unausweichlich, und welchen Einfluss hatte das Bodenwertmodell?
Grundsätzlich waren Belastungsverschiebungen unausweichlich, da das Bundesverfassungsgericht die frühere Verteilung als verfassungswidrig eingestuft hat. Jede Reform musste daher zwangsläufig zu einer Neustrukturierung der Steuerlast führen. Das Ausmaß der Verschiebung ist jedoch auch vom gewählten Grundsteuermodell abhängig. Im baden-württembergischen Bodenwertmodell zeigt sich eine anders gelagerte Belastungsverteilung als in anderen Ländermodellen oder dem Bundesmodell. Allerdings werden alle neuen Modelle derzeit gerichtlich überprüft, da sie von verschiedenen Seiten angefochten wurden.

Mögliche Anpassungen am baden-württembergischen Modell

Sollte Baden-Württemberg sein Modell anpassen?
Noch liegt für Baden-Württemberg kein vollständiges Bild über die Auswirkungen der Reform vor. Erste Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass sich die Auswirkungen der Reform in Kommunen mit einheitlicher Siedlungsstruktur anders zeigen als in Städten mit stark heterogenen Strukturen (z. B. Innenstadtgebiete im Vergleich zu ländlichen Ortsteilen). Da jede Änderung Auswirkungen auf alle Fallkonstellationen hätte, sollte zunächst ein umfassendes Bild vorliegen, bevor Anpassungen vorgenommen werden. Erwartbar ist jedoch, dass über eine mögliche Erhöhung des Abschlags beim Messbetrag für Wohngebäude diskutiert wird.

Gefahr sozialer Unwuchten durch Umlage auf Mieter

Sehen Sie die Gefahr sozialer Unwuchten, da die Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung auf Mieter umgelegt wird?
Da die Grundsteuer grundsätzlich umlagefähig ist, wirkt sich eine Mehr- oder Minderbelastung in der Regel auch auf die Mieter aus. Eine Belastungsverschiebung zwischen Wohnen und Gewerbe könnte somit eine höhere Steuerlast für Mieter bedeuten. Gleichzeitig zeigt sich aber auch eine Verschiebung innerhalb des Bereichs Wohnen: Während Ein- und Zweifamilienhäuser tendenziell stärker belastet werden, profitieren Geschosswohnungsbauten eher von einer Entlastung. Wie sich diese beiden Effekte insgesamt auswirken, hängt von den jeweiligen Strukturen und Einzelfällen ab. Tendenziell sind für Mieter in Geschosswohnungsbauten eher geringere Belastungen als bisher zu erwarten.

Lesen Sie hier, wie die Grundsteuer in den Städten und Gemeinden des Landes bisher ankommt.