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Hintergrund: Pilotprojekt erweitert klassisches Coworking-Konzept

Am Montag ist Landwirtschaftsminister Peter Hauk nach Bad Wildbad gefahren, um sich ein neuartiges und vielversprechendes Konzept für den Ländlichen Raum anzusehen, das über das klassische Coworking hinausgeht. die:gemeinde hat sich im Ministerium erkundigt und kennt die Details.

Konkret geht es um das Modellprojekt ‚Coworking Land - Kooperationsnetzwerk im Ländlichen Raum Baden-Württemberg‘. Es findet an sechs Standorten in fünf Kommunen im Nordschwarzwald statt. Die Besonderheit des Konzepts besteht einerseits darin, dass ein engmaschiges Netzwerk an Coworking-Orten entsteht, andererseits sollen die Orte nicht nur gemeinsames Arbeiten ermöglichen, sondern auch Gemeinschaftssinn stiften.

„Mit unserer Förderung zur Entwicklung und Implementierung von vernetzten Coworking-Orten im Ländlichen Raum bringen wir unterschiedlichste Akteure zusammen, stärken den Austausch und schaffen Denkräume für innovative Ideen und Lösungen“, sagt Landwirtschaftsminister Peter Hauk gegenüber die:gemeinde. Mit dem Modellprojekt und dem „neu gedachten Netzwerken“, das es beinhaltet, setze man neue Maßstäbe der Kooperation zwischen Gemeinden im Ländlichen Raum, erklärt Hauk.

Ein Sprecher des Ministeriums präzisiert das Konzept gegenüber die:gemeinde: „Ziel des Projekts ist es, Coworking-Spaces nicht nur als reine Arbeitsorte, sondern auch als Sozialorte zu nutzen. Die entstehenden sogenannten Coworking-Orte, also Arbeits- und Sozialorte, sollen in einer verbindenden Netzwerkorganisation realisiert werden.“ Ein entsprechender Pool an Konzepten für Kooperationsorte sei im Landkreis Calw bereits unter dem Titel „Founding Forest“ unter breiter Bürgerbeteiligung erarbeitet worden. An verschiedenen Arbeitsorten habe man damit begonnen, das Konzept zu realisieren. Es handelt sich dabei um folgende Kommunen:

Um diese Orte und Spaces geht es

  • Bad Herrenalb: Hier soll im historischen Klosterbezirk in einem Gesamtzusammenhang ein Coworking-Space entstehen, den die Volkshochschule, das Seniorenratsbüro, der Jugendtreff, das Gründerzentrum sowie das kommunale Innovationslabor nutzen. Es soll eine Trainingsraum entstehen, zudem ist die Erweiterung zu einem Afterwork-Treffpunkt geplant.
     
  • Calw: Hier gibt es bereits einen Coworking-Space im Gebäude der SRH-Hochschule für Wirtschaft und Medien. Die private Hochschule hatte den Betrieb vor zwei Jahren eingestellt. Der Space soll nun um Veranstaltungs- und Meetingräume, ein Gründungszentrum, einen Food Truck, um Atelier- und Ausstellungsflächen für Kreativarbeiten sowie um einen Trainingsraum erweitert werden.
     
  • Ebhausen: In einem Open-Air-Coworkingbereich im Wald soll ein Trimm-Dich-Pfad mit Übungen für Gehirn und Kreativität und ein kommunaler Innovationsort entstehen.
     
  • Bad Wildbad: Auch hier gibt es bereits Coworking-Spaces: im Panoramasaal der Bergstation „Sommerberg“ sowie in der Talstation. Sie sollen um weitere Nutzungsmöglichkeiten ergänzt werden.
     
  • Bad Wildbad/OT Sprollenhaus: Einen weiterer Space gibt es in Bad Wildbad in einer ehemaligen Grundschule. Er soll im Rahmen des Pilotprojekts für Kreativwirtschaft und Sportangebot genutzt werden.
     
  • Bad Liebenzell: Hier sollen Leerstände im Ortszentrum gemeinsam mit der Bürgerschaft mit Coworking und weiteren Nutzungsmöglichkeiten neu belebt werden.

Digitales Buchungssystem soll Zugang erleichtern

Welche Zielgruppe sollen die Spaces ansprechen? Laut Ministerium eine „sehr breite“ von der Jugendarbeit bis zum Seniorenrat und „von Menschen mit Computerjobs bis hin zu sportlich aktiven“. Hilfreich sei dabei, dass es ein komplett digitales Buchungssystem für die Spaces geben soll. Der Sprecher betont, dass die Spaces – auch „Kooperationsorte“ genannt, im Bottom-up-Prozess entstehen sollen. „Die Bürgerinnen und Bürger vor Ort bestimmen maßgeblich die additiven Komponenten und damit auch die Zielgruppen mit“, erklärt er. Eine breite Bürgerbeteiligung sei wesentlicher Bestandteil des Projekts. So sollen „passgenaue Lösungen“ für den jeweiligen Coworking-Ort generiert werden.

Projekt auf Bedürfnisse des Ländlichen Raums zugeschnitten

An den Orten, an denen der Coworking-Space noch nicht final realisiert wurde, könne durch einen mobilen Coworking-Space (Kokubus) ein temporärer Treffpunkt für die Bürgerinnen und Bürger realisiert werden. Durch ihn könne das Gespräch gesucht und könnten Bedarfe identifiziert werden. Das Herzstück des Projekts besteht laut Ministerium im Aufbau einer die Coworking-Orte miteinander verbindenden Netzwerkorganisation. „Ein gemeinsamer Betrieb wird die Grundlage bilden, um größtmögliche Synergieeffekte, eine hohe Qualität und eine Plattform für weitergehenden Austausch und Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und dem Landkreis zu schaffen. Kleineren Kommunen ohne umfassende personelle Kapazitäten soll so ebenfalls eine Teilnahme ermöglicht werden. Das Projekt greift somit die Spezifika des Ländlichen Raums und die Belange kleinerer Kommunen im Sinne einer zukunftsgerichteten Strukturpolitik sehr gut auf“, erklärt der Sprecher.

Netzwerk soll acht bis zehn Orte pro Landkreis umfassen

Der Netzwerkaufbau läuft bereits, der Start wird Ende 2023 bis Anfang 2024 erfolgen. „Bis Ende 2024 sollen vier bis fünf Orte im Landkreis Calw Teil des Netzwerks sein. Auch aus dem benachbarten Enzkreis sind Kommunen und der Landkreis an einer gemeinsamen Netzwerkentwicklung interessiert. Abgeschlossen ist der Netzwerkaufbau dann, wenn die einzelnen Orte gut vernetzt sind und mindestens acht bis zehn Orte pro Landkreis umfassen. Über das Netzwerk kann die Vermarktung der Orte an zum Beispiel Unternehmen auch von außerhalb der Region oder an Touristen (Workation = Work&Vacation) gebündelt werden. Auch die Kommunikation an potenzielle Nutzerinnen und Nutzer aus der Region kann gemeinsam besser und wirksamer gestaltet werden“, erklärt der Sprecher.

Träger und Betreiber hängen von Bedingungen vor Ort ab

Die Träger- und Betreiberstrukturen der einzelnen Orte würden im Einzelfall geklärt. Viele Faktoren wie die Eigentümerstruktur, die Größe des Orts oder die vorgesehenen Nutzungselemente spielten dabei eine Rolle, erklärt der Sprecher. Das Netzwerk selbst werde über einen privaten Dienstleister im Auftrag des Landkreises aufgebaut und betrieben. Die Vergabe dieses Auftrags laufe noch. „Dieser ist verpflichtet, die Interessen von Kommunen und Landkreis in seiner Arbeit abzubilden. Das Netzwerk selbst ist für alle Orte, die eine gemeinsame Definition erfüllen, zugänglich.“