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„Entlastungsallianz“ soll Kommunen von Bürokratie befreien

Bürokratische Hürden abbauen, das ist das Ziel der Entlastungsallianz. Landesregierung, Kommunale Landesverbände sowie Wirtschafts- und Finanzverbände haben sie am vergangenen Donnerstag in großer Einigkeit beschlossen. Die acht Verbände drängen auf Veränderungen, denn die Kapazitätsgrenzen sind vielerorts längst erreicht.

Man werde den Abbau von Bürokratie gemeinsam angehen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) anlässlich der Unterzeichnung der Allianz.Wir werden uns ganz genau anschauen, welche Regeln es wirklich braucht und wie die konkrete Umsetzung von Aufgaben effizienter werden kann“, so Kretschmann. Neben der Entscheidung zum Abbau bürokratischer Belastungen einigten sich die Beteiligten darauf, eine Aufgaben- und Standardkritik vorzunehmen.  Außer der Landesregierung sind insgesamt acht Verbände beteiligt, deren Geschlossenheit sich prägend auf das Dokument auswirkte. Dazu gehören der Gemeindetag, der Städtetag, der Landkreistag, der Industrie- und Handelskammertag, das Handwerk, die Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), der Sparkassenverband und der Genossenschaftsverband.

Steffen Jäger: Brauchen Entlastung auf allen Ebenen

Der Präsident des Gemeindetags, Steffen Jäger, machte deutlich, wie wichtig und dringlich die Beschlüsse sind. „Wir brauchen Entlastung auf allen Ebenen. Daher ist es gut, dass wir gemeinsam mit der Landesregierung eine Entlastungsallianz mit Unterstützung der Regierungsfraktionen angehen können. Aber alleine die Verabredung der Allianz löst noch keine Probleme, es kommt nun darauf an, dass wir auch wirksame Ergebnisse finden“, sagte Jäger. Für die Städte und Gemeinden sei es dabei wichtig, bei allen Lösungsansätzen immer auch die praxisnahe Umsetzbarkeit und die finanziellen und personellen Kapazitäten mitzudenken.

„Ein reines ‚Weiter so‘ mit immer neuen Vorgaben und Versprechen kann es in diesen Zeiten nicht mehr geben, denn schon die Absicherung des Ist-Zustands verlangt von den Kommunen große Kraftanstrengungen“, sagte Jäger. Deshalb müsse man in der Entlastungsallianz gemeinsam zu Ergebnissen kommen, die Handlungsspielräume für die Zukunftsthemen schaffen, staatliches Handeln wieder verlässlich ermöglichen und das Vertrauen der Menschen in den Staat und seine Institutionen stärken.

Gemeinsame Erklärung der acht Verbände

Die acht Verbände erklärten gemeinsam, dass die Unterzeichnung einem Startschuss für einen grundlegenden Reformprozess gleiche. Bei diesem stünden eine konsequente Aufgaben- und Standardüberprüfung, eine zielgerichtete Entschlackung sowie Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Verwaltungsmodernisierung im Fokus. „Um der Zeitenwende gerecht zu werden und zugleich die gesellschaftliche Transformation zu gestalten, braucht es eine klare Prioritätensetzung auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Denn die Kommunen und die Wirtschaft sind wie die regionalen Banken bereits an der Belastungsgrenze angekommen“, so die Spitzen der Verbände weiter.  

Sie erklärten, dass die Fülle an Aufgaben, Standards und Regulatorik bereits heute deren Funktionalität beeinträchtigten. Das berge ernsthafte Risiken für die Leistungsfähigkeit des Landes. „Uns ist es daher wichtig, dass alles auf den Tisch gelegt und überprüft werden darf. Steuereinnahmen sind nicht beliebig multiplizierbar, und es gibt schon heute einen akuten Fach- und Arbeitskräftemangel, der sich absehbar noch weiter verstärken wird. Dies betrifft Wirtschaft und Verwaltung in gleichem Maße“, so die Verbände weiter. Daher brauche es ein Bewusstsein für Prioritäten und wirklich notwendige Aufgaben. Mehr Geld und mehr Personal könnten absehbar nicht mehr der immer gültige Lösungsansatz sein, mit dem sich Herausforderungen bewältigen ließen. „Vielmehr muss es darum gehen, einen Weg zu finden, wie mit den verfügbaren Ressourcen das beste Ergebnis erzielt werden kann.“

Weniger Regulatorik, mehr Freiheit, Vertrauen und Eigenverantwortung

Diesem Ziel könne man sich aus Sicht der Verbände dadurch annähern, dass weniger Gesetze erlassen, reduzierte Vorgaben und erfüllbare Leistungsversprechen gemacht werden. Im Gegenzug müsse man mehr Freiheit und Vertrauen in diejenigen setzen, die das gesellschaftliche Gelingen umsetzen und in Betrieben und Kommunen den Herausforderungen mit konkreten Lösungen begegnen. „Weniger Regulatorik, weniger Komplexität und dafür mehr Eigenverantwortung sollte dabei die Leitschnur sein. Wir sind der Landesregierung dankbar, dass Sie uns die Hand für einen solchen Prozess reicht. Und wir sind den Regierungsfraktionen dankbar, dass auch diese sich klar zu dieser Entlastungsallianz bekennen. Und wir sind davon überzeugt, dass auf einer solch breiten Legitimation und Grundlage zukunftsweisende Lösungen möglich sind. Nichts weniger wird von uns erwartet, das machen die Rückmeldungen unserer jeweiligen Mitglieder mehr als deutlich. Wir sagen gerne zu, dass wir kraftvoll an solchen Lösungen mitarbeiten.“  

Das steht in der Gemeinsamen Verständigung

In der „Gemeinsamen Verständigung zwischen der Landesregierung Baden-Württemberg und den acht Verbänden über ein Arbeitsformat zum Abbau bürokratischer Belastungen“ halten die Beteiligten folgende wesentliche Punkte fest:

Ziele der Allianz

Das vorrangige Ziel der Allianz ist es, die Zukunftsfähigkeit Baden-Württembergs zu sichern, die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes – auch im globalen Maßstab – zu stärken, das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates zu gewährleisten und so auch das gesellschaftliche Miteinander zu fördern. Neben den großen Zukunftsthemen und Herausforderungen des Standorts Baden-Württemberg in der Transformation ist ein weiterer entscheidender Faktor die Vermeidung bzw. der Abbau von Belastung von Wirtschaft, Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürgern: Mit einer konsequenten Aufgabenkritik und der gezielten und strukturierten Überprüfung bestehender Standards und Regulierungen, aber auch mit konkreten Maßnahmen zum Bürokratieabbau und zur Verwaltungsmodernisierung sollen die Ressourcen auf die zukunftsweisenden Themen konzentriert werden können.

Arbeitsansatz

Um diese Ziele zu erreichen, vereinbaren das Staatsministerium Baden-Württemberg, die Kommunalen Landesverbände und fünf Wirtschafts- und Finanzverbände ein agiles Arbeitsformat, bei dem Themen aus allen relevanten Bereichen untersucht werden. Die bestehenden Initiativen und Strategiedialoge der Landesregierung werden hierin einbezogen. Teil der Betrachtung, die als laufender Prozess aufgesetzt wird, soll auch die Überprüfung der Tiefe und Breite staatlicher Verantwortungsübernahme, die Effizienz von Regelungsfeldern und Regelungen, die Erforderlichkeit veränderter Standards, eine Modernisierung von Verwaltungsverfahren und die konsequente Digitalisierung sein. Im Fokus stehen dabei nicht nur staatliche und kommunale Vorgaben, sondern auch privatwirtschaftlich gesetzte Standards. Alle Akteure prüfen in ihren Kompetenzbereichen einschließlich des Verwaltungsvollzugs den Reformbedarf. 3 Die im Prozess zu leistende Aufgaben- und Standardüberprüfung sowie die zu erarbeitenden Entlastungsvorschläge sollen sich insbesondere an den personellen, aber auch finanziellen Ressourcen orientieren. Die in diesem Arbeitsprozess am Ende erarbeiteten Vorschläge müssen insgesamt schlüssig und praxistauglich sein - eine Mehrung von Aufgaben oder Aufwänden ist in diesem Prozess grundsätzlich nicht vorgesehen.

Arbeitsformat und Prozess

Das Staatsministerium steuert und koordiniert den Prozess. Neben den Initiatoren werden weitere Akteure themenbezogen eingebunden. Vonseiten der Landesverwaltung werden die Fachressorts Vorschläge für die Themenfelder erarbeiten. Zu den Themenfeldern werden Arbeitsgruppen eingerichtet, die konkrete Vorschläge vorlegen. Diese Vorschläge werden beim Staatsministerium gebündelt, gemeinsam diskutiert und bewertet. Geeinte Vorschläge werden vom Ministerrat beschlossen und konsequent umgesetzt. Dabei sollen schnell umsetzbare Ansätze vorgezogen werden. Der Normenkontrollrat wird in den Arbeitsprozess einbezogen. Der Arbeitsprozess ist darauf angelegt, noch im Jahr 2023 einen ersten Katalog zur politischen Entscheidung vorzulegen.

Arbeitsmethode

Der Arbeitsprozess wird ergebnisoffen gestaltet. Definierte Ziele des Prozesses und vorgeschlagene Lösungen müssen realistisch und mit konkreten Maßnahmen erreichbar sein. Einzelne Arbeitsschritte und Ergebnisse werden dokumentiert. Dissense werden festgehalten, unterbrechen aber nicht den Arbeitsprozess im Ganzen. Es wird dokumentiert, wenn einzelne Vorschläge nicht weiterverfolgt werden. Im Arbeitsprozess werden Maßnahmenvorschläge erarbeitet, die auf Landesebene umgesetzt werden können. Aber auch Maßnahmenvorschläge zur Anpassung von Bundes- und Europarecht sowie von Regelungen Dritter sollen erörtert, und sofern Einigkeit darüber besteht, eingebracht werden. Einzelinitiativen werden hierdurch nicht ausgeschlossen. Die Mitglieder der Allianz vereinbaren Vertraulichkeit über die Inhalte des Arbeitsprozesses.