Mehr Rechtssicherheit bei Naturbädern könnte Stege und weitere Badeinfrastruktur erhalten
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DLRG fordert mehr Rechtssicherheit bei Naturbädern

Die Zahl der Badeunfälle steigt - nicht zuletzt, weil die Menge der bewachten Badestellen sinkt. Da viele Bürgermeister die private Haftung bei Badeunfällen fürchten, werden Naturbäder zurückgebaut. Die DLRG Baden-Württemberg drängt daher auf mehr Rechtssicherheit bei Naturbädern. In Schleswig-Holstein gibt es nun eine Landesverordnung, die diese Rechtssicherheit gewährleisten soll.

In den letzten Wochen kletterten die Temperaturen immer wieder hoch bis auf 36 Grad. Viele Baden-Württemberger zog es da ans kühle Nass. Doch mit den Corona-Abstandsregeln sind Plätze in Freibädern und an Naturbädern reglementiert und viele Badegäste mussten sich nach Alternativen umschauen. Gerade von unbeaufsichtigten Badestellen an Seen und Flüssen gehen jedoch auch Gefahren aus. So kam es in den letzten Wochen zu verschiedenen Badeunfällen - einige mit tödlichem Ausgang. In der letzten Woche ertrank ein 8-jähriges Mädchen im Mannheimer Vogelstangsee, in der Woche davor ertrank ein 22-jähriger Mann im Karlssee in Heilbronn auf dem ehemaligen Gelände der Bundesgartenschau und ein 26-jähriger Mann ging unter, als er mit Freunden im Waldsee bei Hesselhurst schwamm. Taucher holten den Mann aus dem Wasser und reanimierten ihn. Doch er starb noch in derselben Nacht im Krankenhaus. 

Die Zahl der Nichtschwimmer steigt

Vermehrte Badeunfälle während der Sommermonate treten in jedem Jahr auf. Die DLRG Baden-Württemberg stellte jedoch eine Verschärfung der Situation fest. Aus Sicht der Lebensrettungsgesellschaft hat das zwei Gründe: Zum einen fielen während der Lockdowns der Coronapandemie viele Schwimmkurse aus. Etwa 100.000 Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg hatten keine Möglichkeit Schwimmkurse zu besuchen. Die DLRG gibt an in den letzten Jahren jeweils rund 9.500 Seepferdchen ausgegeben zu haben. 2020 waren es dagegen nicht einmal 2.500, wie die Gesellschaft gegenüber der dpa berichtet. Daher setzt die DLRG nun auf eine Ausbildungsoffensive.

Doch die Gesellschaft sieht noch einen weiteren Grund für die vermehrten Badeunfälle. Infolge der Corona-Pandemie können an Strandbädern und in Freibädern nur begrenzt Badegäste eingelassen werden. Da sich in den letzten Jahren viele Kommunen dazu entschieden haben ihre Naturbäder - die bewacht werden müssen - rückzubauen, gibt es Jahr für Jahr weniger bewachte Naturbäder und mehr unbewachte Badestellen. Der Grund für die Rückbauaktionen: Kommt es zu Badeunfällen in Naturbädern kann ein Haftungsfall vorliegen, weil die Kommunen dort für die Verkehrssicherung verantwortlich sind. Im letzten Jahr war der Bürgermeister des hessischen Neukirchen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen verurteilt worden, nachdem drei Kinder in einem Teich in der Stadt ertrunken waren. Der Fall hat bei Bürgermeistern und Verwaltungen für große Verunsicherung gesorgt.

Kommunen riegeln Stege ab und nehmen Badeinseln aus dem Wasser

Die Gemeinden Schömberg, Rangendingen und Meßstetten hatten im letzten Jahr ein Gutachten anfertigen lassen, um mögliche Haftungsfragen klären zu lassen. Durch die Infrastruktur am Schömberger Stausee mit Badeinsel und Steg kamen die Gutachter zu dem Schluss, dass es sich um ein Naturbad handelt, bei dem die Kommunen sich um die Verkehrssicherung kümmern müssen. In der Folge entschloss man sich dazu, die Badeinsel nicht mehr in den See zu setzen und den Steg abzusperren. Ähnlich lief es auch am Kirnbergsee in Bräunlingen. „Die Alternative wäre gewesen, den See durchgehend mit einer Badeaufsicht zu versehen und das ist kaum umsetzbar“, sagt Bürgermeister Micha Bächle. Feiertags, samstags und sonntags wird der See bereits durch die DLRG überwacht. Die Gemeinde zahlt dafür pauschal 4.500 Euro an den Verein. „Um unseren See auch unter der Woche zu bewachen hat die DLRG kein Personal“, so Bächle. „Und auch die Kosten für eine tägliche Aufsicht wären für die Gemeinde zu hoch.“

DLRG und WGV uneinig über Rechtssicherheit bei Naturbädern

Auch die DLRG bekundet Verständnis für die Situation der Kommunen. Sie fordert gegenüber der dpa daher Rechtssicherheit für Bürgermeister bei Unfällen an Naturbädern. Anders sieht es die Württembergische Gemeinde-Versicherung. Aus ihrer Sicht ist das Merkblatt der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen ausreichend, um Kommunen die Möglichkeit zu geben, sich haftungsrechtlich abzusichern. 

Landesverordnung für mehr Rechtssicherheit in Schleswig-Holstein verabschiedet

In Schleswig-Holstein wurde Anfang Juni eine Landesverordnung verabschiedet, die für mehr Rechtssicherheit bei Naturbädern sorgen soll. Landesweit ist im Norden nun geregelt, dass an Badestellen, an denen viel los ist, künftig eine Badeaufsicht vorgeschrieben ist. Außerdem muss eine Sicherheitsinfrastruktur vorhanden sein: Dazu gehören Rettungsbojen, Flaggen, ein Beatmungsgerät und ein Erste-Hilfe-Koffer. Schleswig-Holstein ist damit das erste Bundesland, das die Rechtssicherheit bei Naturbädern durch eine Landesverordnung zu erhöhen versucht. Die ersten Reaktionen fallen gemischt aus: Während sich einige Bürgermeister über die klaren Regelungen freuen, kritisieren andere hohe Anschaffungskosten, die dazu führen könnten, dass mehr Naturbäder geschlossen werden.