© Adobe Stock

Beim Bildungskongress ging es ans Eingemachte

Am Freitag hat der Bildungskongress der Kommunalen Landesverbände im Rahmen der größten Bildungsfachmesse Europas, Didacta, in Stuttgart stattgefunden. Auf der Agenda Stand das „Jahrzehnt der Schulmodernisierung“. Konkret ging es um Digitalisierung, Ganztagsbetreuung und Inklusion.

Schon bevor Bundeskanzler Olaf Scholz vor einem Jahr die Zeitenwende ausgerufen hatte, waren die Erwartungen an die Schulen und die Kommunen als Schulträger groß. Nicht zuletzt der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, der von 2026 gilt, stellt eine immense Herausforderung dar. Seit einem Jahr hat sich die Lage von Kitas und Schulen verschärft: Eine große Zahl Geflüchteter aus der Ukraine ist seither nach Deutschland gekommen, der Fachkräftemangel hat sich ebenso verschärft. Beim Bildungskongress der Kommunalen Landesverbände standen am Freitag auf der Landesmesse also wichtige und drängende Themen auf der Agenda.

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung enthält „Webfehler“

Auf dem Programm standen vor allem die Digitalisierung der Schulen, die Inklusion und die Ganztagsbetreuung. Mehr als 1.000 Gäste aus Kommunal- und Landespolitik sowie aus dem Bildungssektor waren gekommen. Der Präsident des Gemeindetags, Steffen Jäger, sagte, die Kommunen würden sich klar zum gesetzlichen Auftrag der Ganztagsbetreuung bekennen. Man baue entsprechende Angebote bereits zielgerichtet auf. Der Rechtsanspruch enthalte allerdings einen „Webfehler“, so Jäger. Denn dass Bund und Länder Erfüllungsstandards definierten und die Kommunen diese dann umsetzen sollen, gehe an der kommunalen Realität vorbei.

Kommunen brauchen Planungssicherheit

Gegenüber den Fraktionsvorsitzenden aus dem Landtag und Kultusministerin Theresa Schopper gab er zu bedenken, dass man im Blick haben solle, was möglich sei. Die Kommunen bräuchten Geld und Personal, aber auch einen flexiblen rechtlichen Rahmen, um Vorgaben umzusetzen und um „auf Grundlage des Möglichen das Beste zu machen“, so Jäger. Weiter sagte er: „Die Kommunen brauchen dringend Planungssicherheit. Sie brauchen Klarheit, dass auch im Hinblick auf die Betriebskostenfinanzierung die Schulträgerangebote verbindlich anerkannt werden. Denn ohne die vielfältigen Angebote von außerschulischen Bildungspartnern wird es nicht gelingen, die Ganztagesangebote an unseren Grundschulen erfolgreich auszubauen.“

Walter: Deutschland wird UN-Behindertenrechtskonvention nicht gerecht

Der Präsident des Landkreistags, Joachim Walter, trug den führenden Landespolitikern die kommunale Position zum Thema Inklusion vor. Das Problem bestehe darin, dass die Schulen im Land noch immer nicht auf die Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung eingestellt seien. Selbst in Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren, kurz SBBZ, sei das nicht der Fall, obwohl diese doch explizit auf Schülerinnen und Schüler mit Handicap ausgerichtet seien. Die UN-Behindertenrechtskonvention werde nur unzureichend umgesetzt, obwohl sie für Deutschland verbindlich sei.

Walter: „Volle Erstattung bis zur vollständigen Ausstattung!“

Kritik entzündet sich vor allem daran, dass Schülerinnen und Schüler mit Handicap Schulen nur mit externer Hilfe, sogenannten Schulbegleitungen, besuchen könnten. Das Land müsse die Schulen so ausstatten, dass diese Hilfe nicht notwendig sei; solange sie aber notwendig sei, müsse das Land die Kosten tragen. Der Hintergrund: Träger der SBBZ sind anders als bei anderen Schulformen nicht Städte und Gemeinden, sondern Landkreise. Seine Forderung brachte er auf die Formel „Volle Erstattung bis zur vollständigen Ausstattung!“ Kultusministerin Theresa Schopper konterte, dass man bereits viel dafür tue, Personal für die SBBZ auszubilden. Sie verwies auf einen neuen Studiengang in Freiburg.

Stoch: Multiprofessionelle Teams sind die Zukunft

CDU-Fraktionschef Manuel Hagel machte darauf aufmerksam, dass die Quote der Sonderpädagogen, die tatsächlich auch den Lehrberuf ergreifen würden, zu niedrig sei. Das liege unter anderem daran, dass sie erst gegen Ende des Studiums mit dem Schulalltag in Berührung kämen. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch plädierte dafür, Inklusion über das Thema Schulbegleitung hinaus zu denken. Künftig müssten multiprofessionelle Teams in Schulen aktiv sein. „Es kann nicht sein, dass Lehrkräfte nebenher noch die IT verwalten müssen“, so Stoch.

Städtetags-Vizepräsident Michael Makurath thematisierte die Zukunft der Digitalisierung an den Schulen. Die Pandemie habe die Ausstattung radikal verändert. Doch nun stelle sich die Frage, wie es weiter geht. Man brauche einen abgestimmten Plan zwischen Land und Kommunen für die weitere Digitalisierung. „Wir haben unsere 650 Millionen Euro schon zwei Jahre vor dem Ende des Digitalpakts Schule des Bundes ausgeschöpft, auch dank der Arbeit des Kultusministeriums.

Schopper: Kommunen sind unsere Partner beim Thema Schule

Nun sehen die Kommunen aber das Land am Zug, seine Lehrkräfte auch weiterhin mit Geräten auszustatten“, so Makurath. Bei 130.000 Lehrerinnen und Lehrern und 1,5 Millionen Schülerinnen und Schülern sei die Aufgabe riesig. Kultusministerin Theresa Schopper kündigte an, den Kommunen ein Gesprächsangebot machen zu wollen. Die Kommunen seien Partner des Landes beim Thema Schule. „Es macht Sinn, dass die Schulträger sich auch um Laptops und Tablets kümmern, da sie die Infrastruktur vor Ort kennen und neue Geräte passend auswählen und integrieren können“, so Schopper. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sieht ein Hauptproblem im schleppenden Ausbau der digitalen Infrastruktur. Darunter leide vor allem der Ländliche Raum.

Kretschmann: Kommunen müssen Bildung zur Top-Priorität machen 

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte in seiner Rede von einer „Verantwortungsgemeinschaft“ zwischen Land und Kommunen gesprochen. In dieser müsse man in allen Fragen der Schulentwicklung gemeinsam nach guten Lösungen suchen. „Auch wenn es darum geht, mehr Gerechtigkeit und mehr Qualität in die Schulen zu bringen“, so Kretschmann. Man müsse die Betreuungsangebote verbessern, sagte Kretschmann, und verwies auf Hausaufgabenbetreuung und Mittagessen für Schülerinnen und Schüler. Das Land gebe viel Geld, aber die Kommunen müssten das Thema eben zur Top-Priorität machen.

Grundschulkindern fehlen oft Basiskompetenzen

Die größten Sorgen machten ihm die Grundschulen. Vielen Kindern fehlten Basiskompetenzen, das sei durch Studien belegt. In der Digitalisierung, auch in von Künstlicher Intelligenz gestützten Lernmethoden, sieht Kretschmann große Chancen. Gleichwohl betonte er, dass Schule das „spezifisch menschliche“ stäken müsse, nämlich Empathie, Kreativität, Urteilskraft, kritisches Denken und Handlungsorientierung.

Aras: „Bildungsbegleitung“ institutionalisieren

Landtagspräsidentin Muhterem Aras hatte betont, wie wichtig Lehrerinnen und Lehrer nicht nur als Wissensvermittler sind, sondern auch als Bildungsbegleiter. Eltern von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte oder aus schwierigen sozialen Verhältnissen fehlten oft die nötigen Sprach- und Systemkenntnisse, um ihren Kindern bei wichtigen Entscheidungen zu helfen. Aras plädierte deshalb dafür, Bildungsbegleitung zu institutionalisieren, damit diese Kinder nicht abgehängt werden. Lehrerinnen und Lehrer hätten vor allem die Aufgabe, Kinder als Menschen voranzubringen. Im Bezug auf Kinder mit Migrationshintergrund betonte Aras, es sei wichtig, Mehrsprachigkeit als Vorteil wahrzunehmen.