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Auto bleibt Nummer eins – Bevölkerung wünscht sich trotzdem mehr Bus und Bahn

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg hat im Frühjahr 2025 eine repräsentative Befragung durchführen lassen. Ergebnis: Mobilität im Südwesten bleibt ein Spannungsfeld zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Das Auto bleibt unverzichtbar – zwei Drittel halten es für notwendig, selbst wenn es gute Alternativen gäbe.

Wie bewegen sich die Menschen in Baden-Württemberg, welche Erwartungen haben sie an die Verkehrspolitik, und welche Rolle spielen Klimaschutz und Kosten? Diesen Fragen ist das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Verkehrsministeriums nachgegangen. Befragt wurden im Mai 2025 insgesamt 1.000 Menschen ab 16 Jahren in Stadt und Land. Die Ergebnisse geben einen detaillierten Einblick in die Einstellungen der Bevölkerung – und zeigen, welche Herausforderungen auf Kommunen, Land und Bund zukommen.

Auto bleibt unverzichtbar

Das Auto dominiert weiterhin die Mobilität im Südwesten. 90 Prozent der Haushalte verfügen über ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, für 62 Prozent ist es das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel. Zwei Drittel der Befragten (63 Prozent) sind überzeugt, dass man auch dann ein Auto braucht, wenn es gute Bus- und Bahnangebote gibt. Dieser Befund gilt nicht nur für den Ländlichen Raum, sondern selbst in Großstädten teilen sechs von zehn Personen diese Ansicht. Elektroautos spielen bislang nur eine Nebenrolle: 13 Prozent der Haushalte besitzen eines, 52 Prozent können sich den Umstieg unter den richtigen preislichen Bedingungen jedoch vorstellen. Zugleich sind ebenso viele der Meinung, dass E-Autos nicht umweltfreundlicher seien als Verbrenner.

Mehr Bus und Bahn – aber die Begeisterung lässt nach

Trotz der starken Bindung ans Auto setzen die Bürgerinnen und Bürger bei Investitionen klare Prioritäten: Würden sie selbst über kommunale Mittel entscheiden, würden 36 Prozent das Geld in ein besseres Bus- und Bahnangebot stecken. „Offenbar ist ein großer Teil der Bevölkerung weiter als viele derer, die Verkehrspolitik machen. Die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger werden klar formuliert: Mehr Bus und Bahn und – damit das schneller geht – gerne auch einen Mobilitätspass zur besseren Finanzierung“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann dazu. 

Bleibt man bei den Fakten, ist seine Euphorie aber nicht nachvollziehbar. Denn im Vergleich zu 2023 (42 Prozent) sinkt die Zustimmung leicht. Zulegen konnte dagegen der Wunsch nach Sanierung bestehender Straßen (19 Prozent, +6 Punkte) und nach Neubau (13 Prozent, +4 Punkte). Radverkehr verliert an Zuspruch: Nur noch 14 Prozent würden in bessere Radwege investieren, 2021 waren es noch 24 Prozent.

Die Bereitschaft, ein gutes Bus- und Bahnangebot auch mit einem monatlichen Beitrag zu unterstützen, ist hoch – aber rückläufig. 68 Prozent würden zahlen, wenn die Summe auf ein ÖPNV-Abo angerechnet wird (2023: 75 Prozent). Besonders Jüngere sind hier offen: 77 Prozent der 16- bis 34-Jährigen sind zu einem Beitrag bereit, aber nur 62 Prozent der über 60-Jährigen.

Informationsmangel und Gerechtigkeitsfragen

Beim Thema CO₂-Bepreisung zeigt sich ein deutlicher Informationsmangel. Nur 39 Prozent fühlen sich gut informiert, die Mehrheit dagegen schlecht. Die Akzeptanz hängt stark davon ab, wie die Einnahmen verwendet werden: 82 Prozent halten es für gerecht, wenn das Geld in bessere Verkehrsangebote fließt, 76 Prozent befürworten Entlastungen für Haushalte mit wenig Geld. Deutlich umstrittener ist die Frage, ob CO₂-intensive Unternehmen stärker belastet werden sollen: Hier ist die Bevölkerung gespalten.

Gefragt nach Personengruppen, die stärker gefördert werden sollten, nennen die Befragten vor allem Menschen mit Behinderungen (88 Prozent), Bewohnerinnen und Bewohner ländlicher Regionen (80 Prozent), Seniorinnen und Senioren (77 Prozent), Kinder und Jugendliche (77 Prozent) sowie Menschen mit geringem Einkommen (75 Prozent). Damit zeigt sich ein klares Bild: Verkehrspolitik wird nicht nur als Infrastrukturaufgabe, sondern auch als soziale Frage verstanden.

Bei Tempo 30 gespalten 

Bemerkenswert ist die breite Zustimmung dafür, die Straßenverkehrssicherheit stärker an den Bedürfnissen von Kindern auszurichten (81 Prozent Zustimmung). Auch die Sanierung von Straßen hat Vorrang vor dem Neubau (72 Prozent). 66 Prozent sprechen sich für strengere Geschwindigkeitsbeschränkungen an lauten Strecken aus, 79 Prozent wollen härteres Vorgehen gegen das Parken auf Gehwegen und Kreuzungen. Zugleich nimmt die Zustimmung zu Tempo 30 innerorts ab – die Bevölkerung ist hier gespalten.

Beim Radverkehr ist die Stimmung gekippt: Während 2023 noch fast zwei Drittel mehr Radwege auch auf Kosten von Parkplätzen befürworteten, sind es jetzt nur noch 47 Prozent. Fußwege schneiden ähnlich ab (41 Prozent Zustimmung).

Kommunale Perspektive

Für die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg sind die Ergebnisse ein deutlicher Hinweis: Die Bevölkerung erwartet Investitionen in Bus und Bahn, aber auch sichere Straßen und Rücksicht auf die Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Gruppen. Gleichzeitig zeigt sich eine gewisse Skepsis gegenüber Einschränkungen des Autoverkehrs. Kommunen müssen also in einem Spannungsfeld agieren: Einerseits sollen sie die Klimaziele und die Verkehrswende voranbringen, andererseits dürfen sie die Akzeptanz der Menschen nicht verlieren.

Das Fazit der Studie: Mobilität in Baden-Württemberg bleibt ein Balanceakt. Die Bürgerinnen und Bürger wollen Fortschritte beim ÖPNV und bei der Sicherheit, halten aber zugleich am Auto fest. Für Kommunen heißt das, sie müssen kreative Lösungen entwickeln – ob beim Ausbau von Buslinien im ländlichen Raum, bei Radwegen, die tatsächlich genutzt werden, oder bei Dialogformaten, die Akzeptanz schaffen. Die Umfrage liefert ihnen dafür wichtige Hinweise.