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Zwischen großen Plänen und alten Problemen

CDU und SPD versprechen Entlastung, schnellere Verfahren und stärkere Kommunen. Doch der neue Koalitionsvertrag hinterlässt viele offene Fragen. Gemeindetagspräsident Steffen Jäger begrüßt wichtige Ansätze – warnt aber vor Schönfärberei.

„Verantwortung für Deutschland“ – so staatstragend haben die Regierungsparteien CDU und SPD ihren Koalitionsvertrag genannt. Vergangenen Woche wurde er vorgestellt. Für die Kommunen ist viel Relevantes dabei – aber nicht alles ist so klar und wirksam, wie es scheint. Gemeindetagspräsident Steffen Jäger erkennt viele richtige Überschriften, mahnt aber: „Entscheidend ist das Ergebnis.“

Kommunen: Versprochene Entlastung, aber wenig Details

Erfreulich ist zunächst: Die finanzielle Not vieler Städte und Gemeinden wird ausdrücklich anerkannt. Die Koalition will die Kommunen stärken, Förderprogramme vereinfachen und mehr pauschale Mittel direkt zuweisen. Förderanträge sollen einfacher werden, Nachweispflichten sinken. Auch die Veranlassungskonnexität – wer bestellt, soll zahlen – soll ins Bundesrecht aufgenommen werden.

Doch wie genau die Entlastung aussieht, bleibt vage. Besonders kritisch: Die geplanten Steuerentlastungen könnten Löcher in die kommunalen Haushalte reißen, wenn kein Ausgleich erfolgt. Jäger warnt deshalb, die angekündigten Steuersenkungen könnten „massive zusätzliche Belastungen“ für Städte und Gemeinden verursachen. Gleichzeitig soll es mehr Spielräume vor Ort geben. Kommunen sollen Verfahren flexibler gestalten und Standards anpassen dürfen, ohne dass gesetzliche Ziele verwässert werden. Diese Ankündigung klingt gut – aber die Erfahrung zeigt: Zwischen Ankündigung und Umsetzung können Welten liegen.

Bauen, Energie, Migration: große Baustellen

Bei Bauen und Wohnen setzt die Koalition auf Beschleunigung. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen schneller und digitaler werden – eine Forderung, die seit vielen Jahren von unterschiedlichsten Gruppen vorgetragen wird, bislang aber wenig Zählbares hervorgebracht hat. Um es diesmal besser zu machen, soll unter anderem das Baugesetzbuch reformiert, die Städtebauförderung verdoppelt und der soziale Wohnungsbau ausgebaut werden. Kommunen sollen außerdem mehr Macht beim Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten erhalten.

Auch bei der Energiewende spielt die kommunale Ebene eine große Rolle. Der Ausbau von Wind- und Solarenergie soll einfacher werden. Kommunen sollen Mitspracherechte bei Windkraftprojekten erhalten. Gleichzeitig werden Maßnahmen wie die Einführung von Bürgerstrom-Projekten erleichtert, die lokale Akzeptanz fördern könnten.

Im Bereich Migration setzen CDU und SPD auf Begrenzung und Steuerung. Aufnahmeprogramme sollen enden, Rückführungen konsequenter durchgesetzt werden. Abgelehnte Asylbewerber müssen schneller ausreisen. Kommunen erhalten weiterhin finanzielle Unterstützung bei der Unterbringung von Geflüchteten. Doch Steffen Jäger mahnt zur Vorsicht: Entscheidend sei nicht, was im Vertrag stehe, sondern „ob die Maßnahmen vor Ort tatsächlich spürbar wirken“. Gerade bei der Migrationspolitik wird sich erst zeigen müssen, ob die Kommunen wirklich entlastet werden. Denn auch hier mangelte es in der Vergangenheit nicht an Forderungen und Ankündigungen, auf die schließlich aber nie konkrete Gesetze folgten.

Sozialstaat und Bürokratieabbau: wichtige Ansätze, viele Risiken

Die neue Bundesregierung kündigt außerdem eine umfassende Reform des Sozialstaats an. Die Grundsicherung für Arbeitssuchende – bisher Bürgergeld – soll stärker auf Eigenverantwortung setzen. Eine Kommission soll Vorschläge für einen effizienteren, tragfähigen Sozialstaat entwickeln. Für Jäger ist das überfällig: „Deutschland muss aufhören, über seine Verhältnisse zu leben.“ Gleichzeitig setzt der Koalitionsvertrag auf eine Modernisierung der Verwaltung. Verfahren sollen sich stärker an Lebenslagen orientieren – etwa durch automatische Kindergeldbescheide nach der Geburt. Verwaltung soll grundsätzlich „digital only“ funktionieren, etwa über einen One-Stop-Shop für Behördengänge.

Ein ambitioniertes Ziel ist die Abschaffung von 20 Prozent aller Verwaltungsvorschriften. Förderprogramme sollen überprüft, verschlankt oder gestrichen werden. Auch im Vergaberecht und beim Datenschutz sind Erleichterungen geplant. Kommunen könnten hiervon erheblich profitieren – wenn Länder und Bund konsequent liefern. Doch Steffen Jäger betont: „Optimierte, beschleunigte und digitalisierte Verwaltungsverfahren allein werden nicht reichen.“ Es brauche eine Rückbesinnung auf die Kernaufgaben des Staates – und eine ehrliche Standardkritik.

Ländlicher Raum, Sicherheit, Bildung: viele Versprechen, offene Fragen

Auch der Ländliche Raum steht im Fokus. Infrastrukturprojekte sollen einfacher genehmigt, Biotopverbunde gestärkt und die Wasserversorgung modernisiert werden. Schulen erhalten Mittel für Sanierung, Digitalisierung und Ganztagsangebote. Für Schwimmbäder, Sporthallen und Sportplätze wird eine Milliarde Euro bereitgestellt.

Im Bereich Sicherheit setzt die Koalition auf besseren Katastrophenschutz und Stärkung der Resilienz von Kommunen. Ein „Zukunftspakt“ von Bund, Ländern und Kommunen soll helfen, Aufgaben und Kosten neu zu ordnen. Auch das Thema Cybersicherheit wird gestärkt – etwa durch ein Bundesamt für Informationssicherheit als zentrale Stelle.

In der Bildung soll der Digitalpakt neu aufgelegt werden, das Bildungs- und Teilhabepaket einfacher zugänglich sein und die Ganztagsbetreuung ausgebaut werden. Die Kommunen sollen mehr Gestaltungsspielräume erhalten. Das könnte helfen – wenn die versprochenen Investitionen tatsächlich kommen.

Richtige Ziele, aber der Beweis steht aus

Der schwarz-rote Koalitionsvertrag enthält viele richtige Ziele: stärkere Kommunen, bessere Finanzen, schlankere Verwaltung, schnellere Genehmigungen, klarere Regeln bei Migration. Doch die Umsetzung wird entscheidend sein. Steffen Jäger bringt es auf den Punkt: „Insgesamt enthält der Koalitionsvertrag viele richtige Überschriften. Nun braucht es entschlossenes, wirksames Handeln. Denn Politik wird am Ergebnis gemessen.“

Besonders kritisch: Wichtige Fragen – etwa die langfristige Finanzierbarkeit staatlicher Leistungen und die Handlungsfähigkeit bei neuen Krisen – bleiben ausgeklammert oder nur am Rand erwähnt. Der Gemeindetag hätte sich „mehr Ehrlichkeit und Klartext“ gewünscht, etwa zur wirtschaftlichen Lage und zur Verteidigungsfähigkeit des Landes.

Ob die neue Regierung den großen Herausforderungen tatsächlich gewachsen ist, wird sich erst zeigen. Die Kommunen sind bereit, ihren Teil zu leisten – doch sie brauchen klare Zusagen und echte Unterstützung, nicht nur gute Worte.