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Wie Kommunen digitale Plattformen im Ländlichen Raum gestalten können

Eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zeigt: Digitale Plattformen können die Lebensqualität im ländlichen Raum spürbar verbessern – wenn Kommunen aktiv werden. Ob Mobilität, Nahversorgung oder Ehrenamt: Wer klug gestaltet, schafft echte Mehrwerte für die Bürgerinnen und Bürger.

Digitale Plattformen sind längst nicht mehr nur ein Thema für Großstädte. Auch im Ländlichen Raum eröffnen sie neue Möglichkeiten – besonders dort, wo klassische Angebote wegbrechen. Die Studie „Die Bedeutung digitaler Plattformen für die Stadtentwicklung“ zeigt, wie Kommunen mit eigenen oder kooperativen Plattformlösungen auf Herausforderungen reagieren können – vom Ärztemangel bis zum Leerstand in der Ortsmitte.

Voraussetzungen im Ländlichen Raum grundlegend anders

Die Autorinnen und Autoren der Studie betonen: Digitale Plattformen funktionieren im Ländlichen Raum grundlegend anders als in der Stadt. Weil es weniger Menschen auf größerer Fläche gibt, tragen sich kommerzielle Plattformmodelle hier oft nicht. Stattdessen braucht es gemeinwohlorientierte Ansätze, häufig getragen von Kommunen, Ehrenamt oder interkommunalen Kooperationen. Erfolgreich sind Plattformen dann, wenn sie sich in bestehende soziale Strukturen einfügen, Vertrauen aufbauen und echte Bedarfe adressieren – etwa bei Nahversorgung, Mobilität oder der Vermittlung von Engagement.

Damit Plattformen im ländlichen Raum Wirkung entfalten, müssen sie einfach zu bedienen, niedrigschwellig und lokal verankert sein. Digitale Kompetenzen und Zugänge sind oft sehr unterschiedlich verteilt, weshalb viele Angebote auch analog begleitet oder telefonisch zugänglich gemacht werden müssen. Wichtig ist außerdem ein langer Atem: Plattformen brauchen Zeit, Pflege und oft eine dauerhafte Finanzierung, um sich zu etablieren. Während städtische Plattformen von schnellen Nutzerströmen leben, zählen auf dem Land Verlässlichkeit, Präsenz und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg.

Beispiele aus dem Ländlichen Raum

Ein Beispiel ist die Plattform „Lokalkiste“ in den saarländischen Landkreisen St. Wendel und Merzig-Wadern. Sie wurde aufgebaut, um die Nahversorgung in kleinen Orten zu sichern – etwa dort, wo der letzte Supermarkt geschlossen hat. Bürgerinnen und Bürger können online einkaufen, lokale Anbieter bleiben im Spiel. Der Lieferservice sorgt dafür, dass die Waren direkt ins Dorf kommen. Auch die Plattform „WüLivery“ in Würzburg verfolgt einen ähnlichen Ansatz: Sie ermöglicht Same-Day-Lieferung durch Fahrradkuriere aus dem lokalen Einzelhandel.

Kommunen entwickeln diese Plattformen meist aus eigener Initiative oder in enger Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Trägern, Start-ups oder interkommunalen Netzwerken. Die Plattform „Biletado“ im Amt Süderbrarup (Schleswig-Holstein) etwa ermöglicht die Buchung kommunaler Räume wie Turnhallen, Veranstaltungsorte oder Vereinsräume – eine simple, aber wirksame Digitalisierung kommunaler Infrastruktur.

Mobilität, Co-Working und Ehrenamt vernetzen

Auch im Bereich Mobilität entstehen clevere Ansätze. Die Plattform „Hütti macht mobil!“ im nordhessischen Hüttener Bergland verknüpft Angebote des öffentlichen Nahverkehrs mit ehrenamtlichem Fahrdienst. Sie wurde speziell für ländliche Regionen entwickelt, in denen der Bus vielleicht nur zwei Mal am Tag fährt. In Hamburg und Berlin setzen größere Plattformen wie „hvv switch“ oder „Jelbi“ auf multimodalen Verkehr – auch sie können als Vorbild dienen, wenn Kommunen im ländlichen Raum über eigene Mobilitätslösungen nachdenken.

Ein weiteres Feld, in dem digitale Plattformen neue Wege eröffnen, ist die Arbeitswelt. In vielen Dörfern stehen leerstehende Läden oder alte Schulgebäude – Co-Working-Plattformen wie „CoWorkLand“ machen diese Räume nutzbar und verbinden sie digital. Menschen, die nicht täglich pendeln wollen, finden dort flexible Arbeitsplätze mit Internetzugang. Besonders attraktiv ist das für Pendler, Selbstständige oder Menschen, die hybrid arbeiten. CoWorkLand wurde gezielt für Ländliche Räume entwickelt und wächst stetig – auch weil Kommunen aktiv mitwirken.

Darüber hinaus entstehen immer mehr Plattformen, die ehrenamtliches Engagement fördern. Die kommunal unterstützte Plattform ViMA Ulm“ etwa bietet nicht nur Informationen über Veranstaltungen oder Mitmachangebote, sondern vernetzt Menschen gezielt nach Interessen. „VoluMap“ wiederum bündelt Ehrenamtsgesuche von Organisationen und zeigt sie digital an – inklusive passender Mitmachgelegenheiten. Die Nutzer:innen können selbst angeben, wie viel Zeit sie einbringen wollen, und bekommen entsprechende Vorschläge.

Vom Nachbarschaftsnetz bis zum Wohnungstausch

Auch im Bereich Soziales und Wohnen greifen Plattformen wirkungsvoll ein. Die Plattform „nebenan.de“, inzwischen Teil der Burda-Gruppe, wird von vielen Kommunen als digitales Bürgernetz genutzt – ob für Informationen, Umfragen oder zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts im Quartier. Besonders in kleinen Orten kann ein solches digitales Nachbarschaftsnetz dazu beitragen, dass Hilfe schneller gefunden und angeboten wird – sei es beim Einkaufen, bei der Suche nach einem Babysitter oder beim Verleihen von Werkzeug.

Ein weiteres Beispiel für eine kommunale Plattform ist die „Wohnungstauschbörse Freiburg“. Sie soll Menschen helfen, Wohnraum effizienter zu nutzen – etwa, wenn eine ältere Person in einer zu großen Wohnung lebt, während eine Familie verzweifelt eine größere Bleibe sucht. Der Wohnungstausch wird online organisiert, die Stadt unterstützt erfolgreiche Tauschvorgänge sogar mit einer Umzugskostenpauschale.

Nicht immer sind solche Plattformen von Anfang an ein Selbstläufer. Gerade bei älteren Zielgruppen braucht es gezielte Ansprache, Schulungen oder Unterstützung beim Zugang. Zudem ist oft nicht klar, ab wann sich eine Plattform spürbar auf den kommunalen Wohnungsmarkt auswirkt. Trotzdem zeigt sich: Kommunale Plattformen können bestehende Probleme besser sichtbar machen – und manchmal sogar neue Dynamiken auslösen.

Wer gestaltet, gewinnt

Die Studie macht deutlich: Digitale Plattformen sind keine Wundermittel, aber sie eröffnen Chancen – gerade dort, wo klassische Versorgungsstrukturen schwächeln. Kommunen können Plattformen selbst betreiben, sich an White-Label-Lösungen beteiligen oder mit externen Partnern zusammenarbeiten. Entscheidend ist, dass sie aktiv gestalten: mit klarem Ziel, regionaler Passung und gutem Kommunikationskonzept. Dann können Plattformen helfen, Lebensqualität zu sichern – und sogar neue Impulse für ländliche Entwicklung zu setzen.