Hier werden Gemeinderatssitzungen wegen der Corona-Kontaktbeschränkungen per Videokonferenz abgehalten.
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Wie geht es mit den digitalen Gemeinderatssitzungen weiter?

Die ersten Gemeinderäte haben bereits Beschlüsse per Videokonferenz gefasst. Doch wie geht es mit den digitalen Möglichkeiten nach der Coronakrise weiter?

Nicht erst seit der Coronakrise wünschen sich viele Gemeinderäte mehr digitale Möglichkeiten bei der Arbeit. Live-Streams für die Bürger, Podcasts und virtuelle Gemeinderatssitzungen sind in den letzten Jahren häufig besprochen und selten umgesetzt worden. Denn viele digitale Möglichkeiten lassen die gesetzlichen Regelungen gar nicht zu. Nun war es gerade die Coronapandemie, die einen Modernisierungsschub für die kommunale Gremienarbeit ausgelöst hat.

Handlungsfähigkeit in Notsituation gefährdet

Denn die Schutzmaßnahmen während der Coronapandemie brachten auch eine Zwangspause für die Arbeit der Gemeinderäte mit sich. Der Gemeinderat durfte sich nicht mehr in voller Besetzung physisch treffen. Virtuelle Ratsbeschlüsse waren gesetzlich allerdings ebenfalls nicht zugelassen. Das sorgte in einigen Kommunen für fragwürdige Entscheidungen. So beschlossen in Tübingen vier Stadträtinnen den Haushalt der Stadt. Für die Beschlussfassung wurden kreative Wege gesucht. In Ortenau etwa tagte der Gemeinderat per Videokonferenz und konzentrierte sich dabei auf Beratungsgegenstände, die der Bürgermeister auch per Eilentscheidung entscheiden kann. Die Beschlüsse der Gemeinderatssitzungen wurden also durch eine anschließende Entscheidung des Bürgermeisters legitimiert. Von dieser Möglichkeit sind jedoch viele Entscheidungen des Gemeinderats ausgeschlossen. 

Gesetz erlaubt Gemeinderatssitzungen per Videokonferenz

Bereits im April kündigte die Landesregierung Baden-Württemberg daher ein Gesetz an, das den Gemeinderäten und Kreistagen ermöglichen sollte, durch entsprechende Änderung ihrer Hauptsatzungen, zu bestimmen, dass in "einfachen Fällen und in absoluten Ausnahmesituationen" notwendige Sitzungen in Form einer Videokonferenz oder auf vergleichbare Weise durchgeführt werden können. Der Gesetzesbeschluss folgte erst am 13. Mai, nach Beendigung der Zwangspause für die Gemeinderäte. Trotzdem hat Baden-Württemberg damit als erstes deutsches Bundesland auf die Ausnahmesituation reagiert. „Baden-Württemberg setzt sich bei digitalen kommunalen Gremiensitzungen an die Spitze in Deutschland, wir sind hier nun Vorreiter", kündigte auch Innenminister Thomas Strobl an. Nun können notwendige Sitzungen des Gemeinderats, des Kreistags und ihrer beschließenden Ausschüsse auch als Videokonferenz oder auf vergleichbare Weise durchgeführt werden. Dabei muss der Öffentlichkeitsgrundsatz gewahrt bleiben, etwa durch die Übertragung der Schaltkonferenz in den Ratssaal. "Selbstverständlich können auch diese Sitzungen – unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen – im Internet übertragen werden, wenn ein entsprechendes Einverständnis der Beteiligten vorliegt", so Strobl.

Viele Gemeinden begrüßen die neuen Möglichkeiten

Tübingen hat die neue Möglichkeit als erstes genutzt und schon am Tag nach Inkrafttreten eine virtuelle Gemeinderatssitzung abgehalten. Auch Schrambergs Oberbürgermeisterin, Dorothee Eisenlohr begrüßte das neue Gesetz. So bleibe die Stadt handlungsfähig und das Infektionsrisiko für jeden Einzelnen könne minimiert werden. In Schwarzach tagte der Gemeinderat auch schon im April per Videokonferenz. Bürgermeister Mathias Haas kündigte an, die Hauptsatzung der Gemeinde nun schnellstmöglich an das neue Landesgesetz anzupassen. Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg begrüßt die neuen Möglichkeiten. "Wir befürworten den eingeschlagenen Weg, der die Handlungs- und Beschlussfähigkeit unserer kommunalen Gremien zukünftig auch in Ausnahmesituationen sichern soll", sagt Roger Kehle, Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags.

Wir stehen an der Seite der Städte, Gemeinden und Landkreise. Ich war 27 Jahre Gemeinderat in meiner Heimatstadt Heilbronn, ich bin ein Kommunaler durch und durch. Deshalb ist mir wichtig, die Dinge so zu regeln, wie es für die kommunale Familie gut ist.

Thomas Strobl, Innenminister des Landes Baden-Württemberg

Thomas Strobl über Gemeinderatssitzungen per Videokonferenz

Rutesheim zieht Präsenzsitzung vor

Andere Kommunen planen vorerst nicht die Möglichkeit der Videokonferenz in Anspruch zu nehmen. Der Gemeinderat der Stadt Rutesheim etwa tagte ab Mitte Mai wieder vor Ort. Zunächst in einer Aula, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Martin Killinger, Erster Beigeordneter der Stadt und Vorsteher der ersten Präsenzsitzung nach der Zwangspause, äußerte seine Meinung direkt: Keine Videokonferenz oder sonstige digitale Kommunikation könne eine Präsenzsitzung ersetzen. 

"Schoppen nach der Gemeinderatssitzung gehört dazu"

Auch das Land hat in seinem neuen Gesetz Gemeinderatssitzungen per Videokonferenz  für Notsituationen vorbehalten. Die neue Regelung solle die Gemeinderatsarbeit sichern in Ausnahmefällen wie Naturkatastrophen, Gründen des Infektionsschutzes oder anderer außergewöhnlicher Notsituationen. "Die neuen gesetzlichen Möglichkeiten sollen nicht nur für die Coronazeit gelten, sie sollen auch für in der Schwere vergleichbare Fälle in der Zukunft zur Verfügung stehen, in denen ansonsten eine ordnungsgemäße Sitzungsdurchführung nicht möglich wäre", erklärt Strobl. "Damit sind wir einem ausdrücklichen Wunsch aus der kommunalen Familie nachgekommen, eine dauerhafte Lösung zu schaffen. Sitzungen per Videokonferenz bleiben freilich die Ausnahme, sie können und sollen nicht dauerhaft die herkömmliche Arbeit der kommunalen Gremien in Form von Präsenzsitzungen ersetzen. Auch kommunale Demokratie lebt von der lebendigen Auseinandersetzung vor Ort, Auge in Auge, Argument für Argument. Und das funktioniert nur, wenn man auch körperlich dabei ist. Schließlich ganz ehrlich: Auch der Schoppen nach der Gemeinderatssitzung im Ratskeller gehört dazu - und der kann und soll freilich nicht digitalisiert werden."