So funktionieren Gemeinderatssitzungen per Hybrid- oder Videokonferenz
Mit der Änderung der Gemeindeordnung und der damit verbundenen Erlaubnis, Gemeinderatssitzungen als Videokonferenz durchzuführen, hat der Landtag im Frühjahr eine weitreichende Entscheidung getroffen. Während viele Gemeinden Sitzungen in größere Säle verlagert haben und mit Abstandsregelungen und Masken den Infektionsschutz gewährleisten, hat sich Dossenheim schon frühzeitig mit virtuellen Varianten beschäftigt. Die Erfahrungen damit sind positiv. Dauerhaft sollten sie die Präsenz der Räte allerdings nicht ersetzen, findet Bürgermeister David Faulhaber.
Wann sind Videokonferenzen erlaubt?
Fakt ist: Die virtuelle Ratssitzung hat seit Corona Einzug in die Rathäuser gehalten und ist seit Mai sogar gesetzlich legitimiert, wenn auch nur unter bestimmten Umständen. Denn im Mai hatte der Landtag von Baden-Württemberg in einer richtungsweisenden Entscheidung erlaubt, Ratssitzungen per Videokonferenz durchzuführen – allerdings nur in Ausnahmefällen wie Pandemien oder Naturkatastrophen. Außerhalb dieser Notsituationen dürfen die Gremien zwar auch virtuelle Beschlüsse fassen, allerdings nur solche „einfacher Art“, solche also, die für Bürger nur unerhebliche Auswirkungen haben und die keiner mündlichen Erörterung bedürfen. In der Gemeindeordnung wurde der Paragraf 37 („Beschlussfassung“) um den Paragraf 37a erweitert („Durchführung von Sitzungen ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder im Sitzungsraum“). Mit diesem Beschluss machte sich Baden-Württemberg zum digitalen Vorreiter.
Welche Kriterien müssen erfüllt werden?
Die Auflagen bestehen darin, dass es sich bei der Sitzung um keine Telefonkonferenz handeln darf und sich die Mitglieder der Gremien nicht nur in Wort, sondern auch in Bild wahrnehmen müssen, um die Identifikation der Teilnehmer zweifelsfrei zu gewährleisten. Außerdem müssen die Vorsitzenden der Gremien garantieren, dass die Öffentlichkeit weiterhin an öffentlichen Sitzungen teilnehmen kann. Dies geschieht beispielsweise durch Übertragung der Sitzung in einen für die Öffentlichkeit zugänglichen Raum.
„Wir haben bisher ausgesprochen positive Erfahrungen gemacht“, sagt David Faulhaber, Bürgermeister der Gemeinde Dossenheim, im Gespräch mit die:gemeinde über die dort praktizierte Hybridform aus Präsenzsitzung und Videokonferenz. Einige Ratsmitglieder sind im Sitzungssaal anwesend, andere werden über ein Videokonferenzsystem zugeschaltet.
Dadurch kann einerseits der Abstand zwischen den Beteiligten gewahrt werden, andererseits müssen nicht alle Mitglieder tatsächlich präsent sein. Gleichzeitig wird die Verpflichtung zur Öffentlichkeit gewahrt, indem die Sitzungen weiterhin im Ratssaal von interessierten Bürgern besucht werden können. Sollte es zu technischen Störungen kommen, haben wir zudem eine beschlussfähige Mehrheit des Rates im Sitzungssaal.
Datenschutz bleibt heikles Thema
In Dossenheim habe man sich bereits vor Corona mit Visualisierungsmöglichkeiten beschäftigt, sagt David Faulhaber. „Die Pandemie hat schließlich dazu geführt, dass wir uns hierbei nicht nur intern, sondern auch nach außen hin verbessern wollten. Die Notwendigkeit des Infektionsschutzes hat dem Thema unstrittig eine neue Dringlichkeit verliehen“, so der Bürgermeister weiter. Die rechtliche Grundlage für die Form der Sitzung sei durch die Gemeindeordnung gegeben. Weitere Regelungen habe die Gemeinde in ihrer Hauptsatzung festgehalten. Eines der wichtigsten und heikelsten Themen in Sachen Videokonferenz ist der Datenschutz. „Die Gemeinde hat sicherzustellen, dass die technischen Anforderungen und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Sitzung einschließlich Beratung und Beschlussfassung eingehalten werden“, heißt es dazu in Paragraf 37a, Absatz 2 der Gemeindeordnung.
So regelt Dossenheim den Datenschutz
In Dossenheim hat man dazu folgende Regelungen getroffen: „Bei der Videokonferenz sind nur die Gemeinderäte sichtbar, die an der Sitzung teilnehmen. Das Publikum ist nicht zu sehen. Ebenso dürfen die Sitzungen nicht aufgezeichnet werden. Der Gemeinderat sowie Verwaltungsmitarbeiter wurden über datenschutzrechtliche Belange informiert sowie deren Zustimmung hierzu erhoben. Wichtig war zudem, ein datenschutzkonformes System zu wählen“, sagt David Faulhaber. Abhängig vom Infektionsgeschehen behält sich die Gemeinde vor, vom derzeit praktizierten Hybridsystem auf reine Videokonferenzen umzusatteln. Doch auch wenn man bislang gute Erfahrungen macht, soll diese Art der Sitzung kein Dauerzustand sein. David Faulhaber unterschreibt die gesetzliche Regelung, nach der Videokonferenzen nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden dürfen. Auch er will sie nur als Mittel für eng umgrenzte Bereiche verstanden wissen. Die physische Präsenz der Kollegen im Gemeinderat sei dadurch nicht zu ersetzen.
Ortenberg hatte schon vor Corona Gemeinderatssitzungen per Videokonferenz
Bereits vor der Entscheidung des Landes im Mai hatten die Gemeinden versucht, Sitzungen virtuell abzuhalten. In Ortenberg (Ortenaukreis) verständigten sich die Gemeinderäte und Bürgermeister Markus Vollmer auf einen Kunstgriff. Sie setzten Themen auf die Tagesordnung, die der Bürgermeister nach Paragraf 43 Absatz 4 der Gemeindeordnung als Eilentscheidung zu treffen befugt ist. Diese traf Vollmer dann auf Grundlage des Abstimmungsergebnisses der Räte. Durch die Legitimierung von Videokonferenzen im Mai durch den Landtag wurde diese Finte obsolet. Weil im Frühsommer die Corona-Zahlen nachgelassen hatten, hat die Gemeinde Ortenberg seither nur noch eine Sitzung per Videokonferenz durchgeführt. Die digitale Art der Sitzung sieht der Bürgermeister der gut 3.331 Einwohner zählenden Gemeinde differenziert. Ihr Vorteil in Pandemiezeiten sei, dass Räte teilnehmen und Bürger zusehen könnten, ohne sich dem geringsten Ansteckungsrisiko auszusetzen. Würden die Infektionszahlen weiter steigen, sagt Vollmer gegenüber die: gemeinde, werde man in Ortenberg wieder auf Videokonferenzen umsteigen. Der Bürgermeister befürwortet außerdem eine flexiblere Handhabung der Regelung. Diese sollte nicht nur für Ausnahmesituationen gelten.
„Ich würde die Möglichkeit begrüßen, den Gemeinderat auch einmal kurzfristig per Video für eine nicht-öffentliche Sitzung zusammenrufen zu können, ohne dass sich alle gleich einen Abend freischaufeln müssen“, sagt Vollmer.