Erdrückt von Verpflichtungen: Der finanzielle Kollaps von Baden-Baden zeigt, dass es dringend Lösungen für die Haushaltsschieflagen der Kommunen bedarf.
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„Von warmen Worten kann man sich nichts kaufen“

Die finanzielle Lage vieler Städte und Gemeinden spitzt sich weiter zu. Mit Baden-Baden steht eine weitere prominente Kommune im Land faktisch vor dem Bankrott. Die Forderungen nach strukturellen Reformen sowie die Kritik an Bund und Land werden immer lauter.

Die immer stärkere Verschuldung vieler Kommunen hat vielfältige Ursachen. Ein zentraler Treiber sind stark gestiegene Sozialausgaben, etwa für das Bürgergeld oder die Unterbringung von Geflüchteten. Gleichzeitig werden den Kommunen zunehmend neue Aufgaben übertragen – etwa im Bildungs- oder Klimaschutzbereich – ohne dass dafür ausreichend Mittel bereitgestellt werden. Rückläufige Gewerbesteuereinnahmen, steigende Personalkosten und ein wachsender Investitionsstau verschärfen die Lage zusätzlich.

Viele Städte greifen deshalb zu kurzfristigen Kassenkrediten, um ihre laufenden Ausgaben zu decken. Hinzu kommt, dass Förderprogramme von Bund und Ländern oft zu kompliziert sind oder nicht in ausreichendem Umfang bei den Kommunen ankommen.

Die Forderungen gegenüber Bund und Land nach Maßnahmen, die den Kommunen aus ihrer misslichen finanziellen Lage helfen, werden daher immer vehementer. Zuletzt machte die prekäre Lage in Baden-Baden Schlagzeilen.

Stadt Baden-Baden ist pleite, Innenministerium lehnt Hilfe ab

Der Gemeinderat von Baden-Baden hat am 28. April 2025 einem Nachtragshaushalt zugestimmt, der die Aufnahme von 32 Millionen Euro an zusätzlichen Krediten vorsieht. Die Gesamtschulden der Stadt würden damit auf etwa 49 Millionen Euro steigen. Diese Maßnahme wurde als notwendig erachtet, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Stadt im Sommer abzuwenden. Ein Hilferuf der Stadt an das baden-württembergische Innenministerium blieb erfolglos. Zur weiteren Diskussion der Schuldenkrise ist in Baden-Baden am 6. Mai eine Bürgerversammlung geplant.

Die finanzielle Notlage von Baden-Baden ist kein Einzelfall. Am 1. April hat das Statistische Bundesamt verkündet, dass die deutschen Kommunen im Jahr 2024 ein Rekorddefizit von 24,8 Milliarden Euro verzeichneten. In einem Interview mit den Badischen Neuesten Nachrichten hat Frank Mentrup, Präsident des Städtetags Baden-Württemberg und Oberbürgermeister von Karlsruhe, Innenminister Thomas Strobl (CDU) scharf kritisiert. Er bezeichnete Strobl als „Totalausfall für die Kommunen“, da dieser wiederholt nicht in der Lage sei, die Interessen der Städte und Gemeinden gegenüber seinem eigenen Ministerium und dem Kabinett angemessen zu vertreten. Mentrup betonte, dass viele Kommunen finanziell bereits „über dem Abgrund hängen“, was die Landespolitik jedoch nicht ausreichend erkenne.

Anlass für Mentrups deutliche Worte war die ablehnende Haltung des Innenministeriums gegenüber einem Hilferuf der Stadt Baden-Baden. Das Ministerium hatte signalisiert, dass die Stadt für ihre Finanzen selbst verantwortlich sei und keine direkte Unterstützung vom Land zu erwarten habe. Das Innenministerium wies anschließend Mentrups Kritik zurück und bezeichnete sie als „im Ton und in der Sache völlig unangemessen“. Ein Sprecher betonte, dass Innenminister Strobl der Stadt Baden-Baden in einem persönlichen Gespräch Unterstützung durch das Regierungspräsidium Karlsruhe angeboten habe und das Land seine Kommunen nach Kräften unterstütze.

Eindringlicher Video-Appell des Städtetags Baden-Württemberg  

Diese Auseinandersetzung verdeutlicht eine zunehmend angespannte Haltung der Kommunen in Bezug auf ihre finanzielle Unterstützung durch das Land.

Am 2. Mai 2025 veröffentlichte der Städtetag dann ein eindringliches Video, in dem 60 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister die dramatische Finanzlage der Kommunen schildern. Unter dem Hashtag #HandlungsfähigWerden fordern sie gemeinsam strukturelle Reformen von Bund und Land, um die Handlungsfähigkeit der Städte zu sichern.

Städtetagspräsident Frank Mentrup betont im Video, dass es nicht bei leeren Versprechen bleiben dürfe: Die Mittel aus dem Sondervermögen müssten vollständig und direkt an die Kommunen fließen. Der Städtetag weist zudem darauf hin, dass die Beteiligung aus den Städten an dem Videoprojekt enorm war: Mehr als 100 Kommunalvertreter wollten sich beteiligen, was die Dringlichkeit des Themas deutlich macht. Das Video sehen Sie hier.

Gemeindetag Baden-Württemberg mahnt schnelles Handeln an

Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg appelliert bereits seit Langem an Bund und Land, etwas gegen die immer problematischere Finanzlage vieler Kommunen zu unternehmen. „Die Kommunalhaushalte sind zwischenzeitlich in einer so dramatischen Schieflage, dass schon die engen Pflichtaufgaben nicht mehr zuverlässig finanziert werden können“, teilt der Gemeindetag in seiner jüngsten Stellungnahme zur Problematik in Baden-Baden mit.

Insgesamt erwarten laut Gemeindetag die Städte und Gemeinden eine Lösung für die dramatische strukturelle Schieflage der Kommunalhaushalte. Gefordert wird insbesondere eine Reform der Kommunalfinanzen, die mit der Konsolidierung insbesondere der konsumtiven staatlichen Ausgaben und Aufgaben einhergeht.

Dazu zählt ein höherer Anteil an der Umsatzsteuer, eine lückenlose Konnexität bei neuen oder ausgeweiteten Aufgaben und ein klares Bekenntnis zur Subsidiarität und kommunalen Selbstverwaltung. „Wo ist die kommunale Gestaltungsmöglichkeit, wenn die Kommunalfinanzen zu großen Teilen für Pflichtaufgaben verwendet werden müssen, weil Bund und Länder die übertragenen Aufgaben nicht ausreichend und auf Dauer finanzieren?“, unterstreicht der Gemeindetag.

Forderung nach strukturellen Änderungen gegen die Finanznot

Wie der Städtetag fordert auch der Gemeindetag, dass die Mittel aus den Sondervermögen des Bundes direkt und unkompliziert den Kommunen zur Verfügung gestellt werden: „Das Geld aus dem Sondervermögen muss in den Städten und Gemeinden ankommen, ohne dass eine Co-Finanzierung erforderlich wird und ohne komplizierte Förderverfahren.“ Die Städte und Gemeinden wüssten am besten, welche Infrastrukturmaßnahmen bei ihnen vor Ort aktuell am dringendsten sind. Hier könne das viel beschworene Vertrauen in die Kommunen gelebt werden.

„Wir erwarten zudem, dass Bund und Land schnell das Gespräch mit uns Kommunen suchen und gleichzeitig ein notwendiges Erwartungsmanagement üben werden. Denn auch wenn es um insgesamt viel Geld geht – der Anteil, der für die Länder und Kommunen vorgesehen ist, bleibt weit hinter dem tatsächlichen Investitionsbedarf und dem, was die Städte und Gemeinden an Sachinvestitionen verantworten, zurück.“

 Deshalb wäre es auch richtig, den Anteil für die kommunalen Investitionen deutlich zu erhöhen. Mit den rechnerisch rund 1,3 Mrd. Euro pro Jahr, die auf Baden-Württemberg (Land und Kommunen) entfallen, ließen sich bei weitem nicht alle Erwartungen erfüllen, die gerade in der öffentlichen Diskussion sind. Zu einem klaren Erwartungsmanagement gehöre zudem: „Dieses Sonderinvestitionspaket wird nur dann seine gewünschte positive Wirkung entfalten können, wenn die neue Bundesregierung auch eine kommunale Finanzreform anpackt.“

Es brauche dahingehend einerseits eine deutliche Erhöhung der kommunalen Umsatzsteueranteile und andererseits eine konsequente Aufgaben- und Standardkritik, insbesondere bei den konsumtiven Ausgaben. Der Staat müsse neu definieren, was seine Kernaufgaben sind – und wo er sich zugunsten einer gestärkten und wieder stärker eingeforderten Eigenverantwortung etwas zurückziehen muss.