Starkregen über einem kleinen ländlichen Dorf
© Adobe Stock

Vereint gegen Starkregen

24 Kommunen und drei Landkreise haben sich im Nordschwarzwald zusammengetan, um Starkregenprävention zu betreiben. Das vom Land geförderte und von der Stadt Wildberg federführend organisierte Vorhaben ist in seiner Dimension einzigartig. Projektleiter Andreas Bauer erklärt, worum es geht.

Im Nordschwarzwald wird in diesen Wochen die Datengrundlage für eines der ambitioniertesten Präventionsprojekte gegen Extremwetter geschaffen. Auf einer Cloud treffen derzeit nach und nach die Daten von 24 Kommunen und drei Landkreisen ein. Andreas Bauer ist Kämmerer in Wildberg und leitet das Projekt. Er schaut auf seinen Monitor und zählt auf, welche Informationen die Kommunen liefern müssen: gefordert sind Luftbilder, bekannte Risikoobjekte, die Dokumentation vergangener Starkregenereignisse, Planungsunterlagen, Vermessungsdaten, Hochwasserschutzanlagen, Hochwasseralarm- und Einsatzpläne, Gewässerentwicklungs- und Kanalisationspläne, Angaben zur Lage von Speicherbauwerken, Altlastengutachten und vieles mehr.  

Modellprojekt Starkregen-Risikomanagement

Für die Kommunen ist es nicht leicht, diese Daten zu generieren. Aber es lohnt sich. Denn je solider und umfassender die Grundlage ist, desto präziser sind später die Simulationen, die die Software des Aachener Fachbüros Hydrotec liefern kann. Aber der Reihe nach: Das Projekt Starkregenrisikomanagement umfasst drei Phasen. 
Im ersten Schritt wird die sogenannte hydraulische Gefährdungs- oder Gefahrenanalyse durchgeführt. Drei Ingenieurbüros arbeiten dabei mit den Daten, die die Städte und Gemeinden derzeit nach und nach übermitteln. Sie bilden die Grundlage für die weitere Arbeit. 

Wie verläuft die Teilnahme?

„Mitarbeitende der Ingenieursbüros kommen dann in die Kommunen und begutachten die Verhältnisse vor Ort. Sie schauen, ob und wie die Daten mit der Realität übereinstimmen, messen nach und machen Begehungen“, erklärt Andreas Bauer. Zusätzlich zur Datenbasis der Kommunen können sie auf Daten der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) zurückgreifen. All diese Daten werden dann in ein Programm von Hydrotec eingepflegt. Es simuliert, wo sich das Wasser im Fall eines Starkregenereignisses im Ort konzentriert, wo es zusammenfließt. Aus dieser Überflutungssimulation sollen Überflutungskarten für drei Szenarien entstehen: ein „seltenes“ Ereignis, ein „außergewöhnliches“ und ein „extremes“. „Die Simulation ist sehr präzise und aussagekräftig“, betont Bauer. 
In einem zweiten Schritt wird eine Risikoanalyse erstellt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, welcher Schaden entstehen könnte, wenn die drei Szenarien eintreffen. „Die Simulation könnte zum Beispiel zeigen, dass je nach Szenario Häuser in bestimmten Stadtteilen überschwemmt werden. Wenn davon auch Arztpraxen betroffen sind, folgt daraus, dass wir mit einer medizinischen Unterversorgung rechnen müssen“, sagt Bauer. Ein Risiko bergen überschwemmte Straßen auch für die Feuerwehr. Sie kann bestimmte Häuser oder Quartiere unter Umständen gar nicht mehr erreichen. Deshalb ist es wichtig, bereits vorab auszuloten, welche alternativen Zufahrten im Ernstfall möglich sind.

Die Bevölkerung wird in diesen Prozess einbezogen und soll zu einer präziseren Risikoanalyse beitragen. In mehreren Workshops haben sie dazu Gelegenheit. „Sie können ihr Wissen und ihre Erfahrungen von vergangenen Starkregenereignissen einbringen und uns wertvolle Hinweise geben“, sagt Bauer. Vertreterinnen und Vertreter von Rettungsdienst und Feuerwehr werden ebenfalls eingebunden. Aus diesen Überlegungen entstehen sogenannte Risikosteckbriefe, die wiederum die Grundlage für die dritte Phase – das Handlungskonzept – bilden. 
„In der dritten Phase fragen wir uns, was wir konkret tun müssen, um die in Phase zwei analysierten Risiken zu mindern“, erklärt Andreas Bauer. Das könnten bauliche Maßnahmen wie Dämmungen sein oder eine Ausweitung der Kanalisation oder Prozesse. So könnte eine Kommune festlegen, dass die Feuerwehr bei Eintritt eines Szenarios an einen bestimmten Ort fahren muss, um Sandsäcke aufzustellen. „Es könnte auch sein, dass Alarmierungsketten hinterlegt werden für den Fall, dass ein bestimmtes Szenario eintrifft“, sagt Bauer.   

Für die beteiligten Kommunen ergeben sich durch die Zusammenarbeit eine Reihe von Vorteilen. Ein offensichtlicher sind Synergieeffekte, durch die Kosten reduziert werden können. Durch die zentrale Koordination der Stadt Wildberg sinkt der Verwaltungsaufwand. „Für die Beantragung der Fördermittel war es notwendig, dass eine Kommune den Hut auf hat“, sagt Andreas Bauer. Das sei auch der Grund dafür, dass der Regionalverband Nordschwarzwald als Projektpartner die Koordination nicht komplett übernehmen konnte. Bürgermeister Ulrich Bünger ist ohnehin davon überzeugt, dass interkommunale Projekte nur dann gut funktionieren, wenn eine Gemeinde die Organisation an sich nimmt und das Vorhaben federführend vorantreibt.

Projekt wird vom Land gefördert 

Das Projekt kostet rund 1,5 Millionen Euro, 70 Prozent davon fördert das Land nach den Förderrichtlinien Wasserwirtschaft. Begleitet wird es von drei Fachbüros. Aus Sicht des Wildberger Kämmerers ist ein regionales und gemeinsames Starkregenrisikomanagement auch inhaltlich sinnvoll, weil Wasser keine Gemarkungsgrenzen kennt. Dennoch, betont er, seien die Verhältnisse in den Kommunen sehr unterschiedlich. Deshalb sei es wichtig, dass die Analysen auf Ebene der Gemeinden erfolgen und dass diese auch individuelle Maßnahmen ergreifen. 

Ob und in welcher Intensität die teilnehmenden Gemeinden nach Projektabschluss im Sommer 2026 das Starkregenrisikomanagement weiterverfolgen, ist ihnen selbst überlassen. Wildberg wird es auf jeden Fall fortsetzen. Denn Andreas Bauer ist davon überzeugt, dass Kommunen noch viel mehr in Sachen Prävention machen müssen – und nicht nur, was den Starkregen betrifft. Laut Zahlen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gab es zwischen 2001 und 2018 bundesweit 11.363 Starkregenereignisse, davon mehr als 1.300 allein im Rekordjahr 2018. Laut DWD ist die Definition von Starkregen dann erfüllt, wenn mehr als 25 Millimeter Regen pro Stunde fallen oder mehr als 35 Millimeter innerhalb von sechs Stunden. 

Gefährlich werden die Wassermassen, wenn sie nicht schnell genug im Erdreich versickern oder über einen Abwasserkanal abgeführt werden können. Auch in Baden-Württemberg hat es in der Vergangenheit immer wieder solche Ereignisse gegeben. In Erinnerung bleibt vor allem der Fall von Braunsbach im Landkreis Schwäbisch Hall aus dem Jahr 2016, aber auch Bonndorf im Landkreis Waldshut war 2015 betroffen. Über der Gemeinde Gemmingen (Landkreis Heilbronn) brach im Mai ein Unwetter ein, das innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Keller volllaufen ließ und großen Schaden anrichtete.