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Verband: Fachkräftemangel an Kitas spitzt sich dramatisch zu

Es ist eine Umfrage, deren Ergebnisse sich zugleich als Hilferuf und als Appell an die Politik lesen lassen. Laut Verband Bildung und Erziehung (VBE) ist bei einem Drittel aller Kitas im Bundesgebiet an mindestens vier von zehn Arbeitstagen nicht einmal eine personelle Minimalbesetzung vorhanden.

Diese Minimalbesetzung wäre allerdings notwendig, um der Aufsichtspflicht nachzukommen. Die Ergebnisse der Umfrage des Deutschen Kitaleitungskongresses (DKLK) zeigen außerdem, dass der tatsächliche Betreuungsschlüssel im Bereich der Kinder unter drei Jahren bei 1:5 oder schlechter liegt, dass also eine Erzieherin oder ein Erzieher fünf Kinder betreut. Damit weicht die Praxis deutlich von den wissenschaftlichen Empfehlungen ab, die einen Betreuungsschlüssel von 1:3 als ideal ansieht. 

Für über dreijährige Kinder sogar noch schlechterer Betreuungsschlüssel  

Im U-3-Bereich gilt der Betreuungsschlüssel als besonders wichtig, weil Kinder in diesem Alter besonders stark auf verlässliche Bindungen und Beziehungen angewiesen sind. Ebenfalls alarmierend: in jeder zehnten Kita in Baden-Württemberg liegt der Betreuungsschlüssel sogar bei 1:8 oder schlechter. Im Bereich der über Dreijährigen ist die Abweichung von den Empfehlungen der Wissenschaft sogar noch größer. Diese liegt bei 1:7,5. Knapp drei Viertel aller Kitas weichen davon ab. 

Gerhard Brand (VBE): Trotz aller Fachkräfteoffensiven hat sich Problemlage nicht verbessert

Der Vorsitzende des VBE-Landesverbands Baden-Württemberg, Gerhard Brand, kritisierte diese Bedingungen gegenüber der dpa. „Trotz aller angekündigten Fachkräfteoffensiven hat sich die Problemlage nicht verbessert, sondern im Gegenteil noch weiter zugespitzt“, sagte Brand bei einer Pressekonferenz am Montag. „Die Politik muss nun endlich ohne Wenn und Aber alles tun, was möglich ist, um diesen Zustand zu verbessern. Ein Verschieben auf Morgen wäre unterlassene Hilfeleistung", sagte Brand. 

VBE: Massiver Handlungsdruck vor allem im Hinblick auf geflüchtete Kinder aus Ukraine 

Brand sprach von einem "massiven Handlungsdruck", vor allem im Hinblick auf die geflüchteten Kinder aus der Ukraine, die in den Kita-Betrieb integriert werden müssen und die zusätzlich mit traumatischen Erfahrungen zu kämpfen haben. Brand verwies zudem auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen ab 2026 und die Tatsache, dass es eine Fachkräftekonkurrenz zwischen Kitas und Grundschulen gebe. 

Folgende dringende Handlungsbedarfe leitet der VBE aus der DKLK-Studie ab: 

  • Aufeinander abgestimmte und flächendeckende Investitionen im Rahmen einer landesweiten Fachkräfteoffensive, ergänzt um regional angepasste Maßnahmen. Die Ausbildung im frühpädagogischen Bereich darf dabei qualitativ nicht ausgedünnt werden.
  • Sofortmaßnahmen zur Beseitigung aufsichtspflichtrelevanter Personalunterdeckungen.
  • Anpassung der vertraglich fixierten Leitungszeit an den tatsächlichen Bedarf.
  • Systematischer Aufbau und Zugang zu Angeboten der Gesundheitsprävention und -förderung.
  • Verbesserte Arbeitsbedingungen mit Blick auf Bezahlung, Einführung einer grundsätzlich vergüteten Ausbildung, Weiterbildungsangebote und eine bedarfsgerechte räumliche und sächliche Ausstattung.

Verbandschef Brand: Ergebnisse der Umfrage "teils mehr als alarmierend"

Die Autoren der VBE-Studie haben Kitaleitungen bundesweit zu den Themen Corona, Personal, Überlastung, Gesundheitssorgen und Wertschätzung befragt. Baden-Württemberg ist in der Studie von allen Ländern mit Abstand am stärksten repräsentiert: rund 2.000 der insgesamt 4.827 Leiterinnen und Leitern sind für Einrichtungen im Südwesten zuständig. Brand bezeichnete die Ergebnisse als "teils mehr als alarmierend." 

Gemeindetag hat im Kita-Fahrplan 2025 Lösungsvorschläge gemacht  

Die Erkenntnisse sind für den Gemeindetag Baden-Württemberg nicht neu. Der Fachkräftemangel im Bereich der frühkindlichen Bildung beschäftig den Verband seit vielen Jahren. Im Februar hat das Präsidium auf einer Klausurtagung deshalb den Kita-Fahrplan 2025 beschlossen, der konkrete Maßnahmen vorschlägt, um der chronischen personellen Unterversorgung Einhalt zu gebieten. Wie diese Forderungen im Detail aussehen, lesen Sie hier. 

Wie sich die Situation in den kommunalen Kitas konkret bemerkbar macht 

Ebenfalls im Februar berichtete die:gemeinde darüber, wie sich der Fachkräftemangel in den kommunalen Kindertagesstätten konkret bemerkbar macht, und wie die Verantwortlichen vor Ort mit der Situation umgehen. Diesen spannenden Einblick finden sie hier