Wie sieht ein gutes Stadtmarketing aus?
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„Stadtmarketing muss Chefsache sein“

Wer trotz schmalem Geldbeutel mit cleveren Ideen Wirkung erzielt, der betreibt gutes Stadtmarketing, sagt Marcus Schmid. Der Bürgermeister von Erlenmoos ist Landesbeauftragter der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland (bcsd). In dieser Funktion hat Schmid mit die:gemeinde darüber gesprochen, wie Kommunen einen eigenen Markenkern herausarbeiten, wie wichtig die aktive Beteiligung der Stakeholder vor Ort ist – und warum Stadtmarketing Chefsache sein sollte.

Wer das Wort „Stadtmarketing“ hört, denkt oft schlicht an Werbung. Doch das ist zu kurz gesprungen. Aus Sicht von Marcus Schmid wäre „Gemeindemanagement“ treffender. Schließlich beinhalte die Aufgabe ein gehöriges Maß an Kommunikation und Koordination, sagt der Landesbeauftragte der bcsd im Gespräch mit die:gemeinde. Wer Stadtmarketing betreibt, ist demnach Projektmanager, Veranstaltungsmanager und Moderator in Personalunion. Grundsätzlich unterscheidet Schmid zunächst zwischen Standortmarketing und City-Marketing. Das Standortmarketing spreche Menschen im Umland an, in der Region, im Einzugsgebiet der Kommunen. Das Ziel bestehe darin, den Standort attraktiv zu präsentieren und Bürgerinnen und Bürgern sowie den Vereinen und den Unternehmen einen Katalog an Kommunikationsmaßnahmen an die Hand zu geben, damit sie den Standort selbst als Multiplikatoren nach außen vertreten können.

Schlüssel sind eine Marketingstrategie und Markenbildung

In Städten ab einer bestimmten Größe wiederum gewinnt das City-Marketing an Bedeutung, das nach Schätzung von Schmid oft mehr als die Hälfte des Stadtmarketing-Portfolios ausmacht. „Dabei geht es darum, die Innenstadt attraktiver und lebendiger zu machen“, sagt Schmid. Drei Zielgruppen stehen im Fokus des City-Marketings: erstens die Akteure der Innenstadt, also die Inhaber der Ladengeschäfte, die Dienstleister, zu denen die Gastronomen gehören, aber auch das Handwerk. Zweitens die Bürgerinnen und Bürger, drittens – wie beim Standortmarketing auch – das Umland. Eine sehr gute Grundlage für effektive Stadtmarketingmaßnahmen hat eine Kommune Schmid zufolge dann, wenn eine Marketingstrategie vorliegt. Noch besser ist es, wenn die Stadt oder die Gemeinde bereits einen Prozess der Markenbildung durchlaufen hat.

Das bedeutet, dass man in der Regel die Bürgerinnen und Bürger sowie die Akteure der Stadt beteiligt und eine eigene DNA entwickelt. Dadurch entsteht dann ein Kommunikationskatalog, mit dem jeder arbeiten kann, und der dabei hilft, dass die Öffentlichkeit die Stadt mit bestimmten Attributen verbindet.

Marcus Schmid

Marcus Schmid über gutes Stadtmarketing

Ein solcher Katalog beinhaltet beispielsweise ein Logo, einen Slogan oder Werbematerialien in den Farben des Stadtwappens. Oft begleiten Agenturen einen solchen Prozess. Inhaltlich sollten sie aber möglichst nicht zu sehr eingreifen, sondern stattdessen dabei helfen, wie eine Hebamme die Ideen und Impulse der Menschen vor Ort zum Leben zu erwecken. Für den weiteren Prozess ist diese aktive Beteiligung der Akteure vor Ort wesentlich. Marcus Schmid zufolge ist es vielmehr der Königsweg zu wirksamem Stadtmarketing, weil es organisch aus der Gemeinschaft vor Ort heraus erwächst und das Siegel der Authentizität trägt. „Dadurch entsteht eine intrinsische Energie, die zum Erfolg führt“, erklärt Schmid. Die Faktoren, die eine solche DNA ausmachen, sind so unterschiedlich und einzigartig wie die Kommunen selbst. Sie kann durch den Rückgriff auf die eigene Historie entstehen, auf eine Epoche, die die Gemeinde geprägt hat oder auf ein ganz bestimmtes Ereignis, mit dem man die Gemeinde vielleicht sogar überregional in Verbindung bringt. Sie kann aus der Identifikation mit einem markanten Gebäude oder mit landschaftlich-geografischen Besonderheiten entstehen. Genauso kann sie dadurch entwickelt werden, dass sich die Bürgergesellschaft der Gemeinde mit bestimmten Werten verbunden fühlt. Je mehr sich kommunale Organisationen, Bürger, ortsansässige Vereine und Unternehmen an der Ausbildung dieser DNA beteiligen, desto stärker identifizieren sie sich mit ihr. Und desto wahrscheinlicher ist es auch, dass sie später als Multiplikatoren auftreten, selbst Botschafter der Kommune werden und diese erfolgreich nach innen und außen vertreten.

Erfolgreiches Stadtmarketing wird mit dem Menschen vor Ort gemacht

„Stadtmarketing ist dem Solidargedanken verpflichtet“, findet Marcus Schmid und erklärt: „Das heißt, dass es Impulsgeber ist, aber nicht alleiniger Macher. Die Impulse kommen idealerweise auch aus der ortsansässigen Bevölkerung, aus dem Ehrenamt. Wenn das der Fall ist, trägt das Ganze, weil es echt ist. Und es führt dazu, dass sich bei der Umsetzung der Projekte alle beteiligen, dass sich zum Beispiel auch leichter Sponsoren finden. Dann haben sie die Ehrenamtlichen mit an Bord, den Gewerbe- und Handelsverein und viele andere“, so der Experte. Ehrenamtliche gehörten stets zu den größten Multiplikatoren. Feuerwehren, Obst- und Gartenbauvereine, Musikvereine und Kirchen hielten die Gemeinschaft am Laufen. „Dort wird auch unterjährig viel gesprochen, viel auf die Beine gestellt“, so Schmid. Auch die Betriebe seien wichtig. „Sie sind es gewöhnt, Dinge schnell umzusetzen. Wenn man sie im Boot hat, bekommt man zusätzliche Kompetenz und Unterstützung.“ Entscheidend ist es also, die Kräfte vor Ort zu bündeln, zu erreichen, dass alle an einem Strang ziehen. „Vereine, Betriebe und Ehrenamt müssen ein gemeinsames Ziel haben“, sagt Schmid. Aber wie gelingt das? „Durch Klinkenputzen“, sagt Schmid lakonisch. Konkret heißt das: Kontakte nutzen, möglicherweise Arbeitsgruppen bilden, die sich regelmäßig austauschen. Netzwerktreffen organisieren, die die Akteure regelmäßig an einen Tisch bringen. „Je nach Größe der Kommune ist es sinnvoll, Fachgruppen zu bilden, zum Beispiel zum Thema Ehrenamt. Auch die Gemeinderatsfraktionen könnten eingebunden werden oder der Gemeinderat als gesamtes Gremium“, erklärt Marcus Schmid. Essenziell seien selbstbewusste, flexible Charaktere, die offen sind, sich an bestimmte Rahmenbedingungen anpassen können und nicht müde werden, vorauszugehen und Arbeitskreise immer wieder von neuem mit Input und Motivation anzuregen.

Stadtmarketing nimmt die Verwaltung nur mit, wenn es Chefsache ist

Nicht zuletzt brauche man Ziele, auf die man die Menschen einschwören kann. Nur so gelinge es, die Beteiligten immer wieder zu motivieren, sagt Schmid. Diese Ziele können stark variieren. Während die eine Gemeinde durch die Maßnahmen mehr die Besucherfrequenz im Ortskern erhöhen will, strebt die andere an, eine einzigartige Veranstaltung mit regionaler Strahlkraft auf die Beine zu stellen. Eines haben sie aber doch alle gemein. Letztlich gehe es nämlich bei allen Stadtmarketing-Aktivitäten in erster Linie darum, dem Bürger etwas zu bieten, betont Schmid. „Projekte werden akzeptiert, wenn Bürgerinnen und Bürger einen Nutzen in ihnen sehen. Wenn sie Spaß an einer Aktivität haben, wenn sie von einer Fachveranstaltung eine interessante Anregung mitnehmen oder wenn sie ein unvergessliches Erlebnis haben. Den Bürger von Anfang an auf die Reise mitzunehmen ist dabei immer empfehlenswert“, so Marcus Schmid. Doch es gilt nicht nur die Bürgerinnen und Bürger auf die Reise mitzunehmen, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunalverwaltungen selbst. Um das zu gewährleisten, ist es aus Sicht Schmids unabdingbar, dass Stadtmarketing Chefsache ist und von der Rathausspitze geplant und koordiniert wird. „Die Akzeptanz ist immer am größten, wenn das Dorf- oder Stadtoberhaupt das Thema permanent spielt. Das ist aus meiner Sicht in Zukunft auch zwingend erforderlich. In den Städten, wo es eigenständige Stadtmarketing-Abteilungen gibt, sind sie oft als Stabsstelle bei den (Ober-)Bürgermeisterinnen und (Ober-)Bürgermeistern ausgebildet oder als selbstständige Einheit, zum Beispiel als GmbH, die stets Kontakt zur (Ober-)Bürgermeisterin oder dem (Ober-)Bürgermeister hat“, so Schmid. Wichtig ist die organisatorische Ansiedlung ganz oben aus Sicht Schmids vor allem deshalb, weil die Rathausspitze einen Geist vorleben kann, an dem sich die Beschäftigten und die Gemeinde orientieren können, weil sie eine positive Energie verbreiten kann, die die anderen anstecke.

Ein guter Werbe-Mix bezieht auch Website, Instagram und TikTok mit ein

Marcus Schmid ist überzeugt, dass Stadtmarketing künftig weiter an Bedeutung gewinnen wird. „Bei den Kommunen, die es eingeführt haben, ist das Thema nicht mehr wegzudenken. Denn es ist sehr vielfältig und hat viele Schnittstellen zu allen möglichen anderen Themen“, sagt Schmid. So zum Beispiel mit der Frage, wie sich eine Stadt oder Gemeinde in den kommenden Jahren städtebaulich weiterentwickeln wird. Ab einer Einwohnerzahl von 10.000 könne es nicht schaden, wenn zumindest eine halbe Stelle geschaffen werde, die sich ausschließlich mit Stadtmarketing beschäftigt, findet Schmid. Das hänge aber auch von den Gegebenheiten vor Ort ab. Trotz des „Digitalisierungs-Tsunamis“, der seit Ausbruch der Pandemie alle Lebensbereiche erfasst hat, misst Marcus Schmid dem persönlichen Austausch bei der Entwicklung von Stadtmarketingmaßnahmen größten Wert bei. „Man ist erfolgreich, wenn man Dinge gemeinsam entwickelt, wenn man sich dabei in die Augen sieht und vielleicht auch mal einen kontroversen Gedanken austauscht. Das können Sie digital nicht ersetzen“, sagt er. Eine unverzichtbare Rolle spielen die digitalen Werkzeuge dagegen im Werbe-Mix, wenn es darum gehe, die eigene Botschaft schnell zu verbreiten und groß zu machen. „Das fängt bei einer anständigen Online-Präsenz an und geht bis zur Präsenz auf sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder TikTok“, sagt Marcus Schmid. Denn diese sorgen für eine gute Reichweite bei überschaubarem Aufwand.