Nach der Unterzeichnung des Stabilitäts- und Zukunftspakts
Joachim Walter (v.l.), Präsident des Landkreistages Baden-Württemberg, Innenminister Thomas Strobl, Peter Kurz, Präsident des Städtetags Baden-Württemberg, Finanzministerin Edith Sitzmann, Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, nach der Unterzeichnung des Stabilitäts- und Zukunftspakts.
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Stabilitäts- und Zukunftspakt: Haushaltssperren konnten abgewendet werden

Wie von den Kommunalen Landesverbänden gefordert, konnten sich Land und Kommunen noch vor der Sommerpause auf einen Stabilitäts- und Zukunftspakt einigen. Dieser gibt den Kommunen die finanzielle Sicherheit, um neue Investitionen zu planen, erklärt Roger Kehle, Hauptgeschäftsführer und Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, im Interview.

die:gemeinde: In der Gemeinsamen Finanzkommission haben sich die Kommunalen Landesverbände und das Land auf einen Stabilitäts- und Zukunftspakt einigen können. Trotz der enorm großen Beträge, um die sie verhandelt haben, konnten sie sich in vergleichsweise kurzer Zeit schon verständigen – wie war das möglich?

Roger Kehle: Grundlage für uns, um überhaupt in die Verhandlungen einzusteigen, war es, dass wir einen Pakt noch vor der Sommerpause schließen können. Jeder, der sich mit der Arbeit in den Kommunen auskennt, weiß, dass die Haushaltsplanung für das nächste Jahr bereits beginnt. Die Kommunen brauchen also schnell Planungssicherheit, um Investitionen auf den Weg bringen zu können. Das Land wollte dagegen auf die Steuerschätzung im September warten. Wir haben klar machen können, dass diese besondere Situation besonderer Maßnahmen bedarf. Wir sind froh, dass das Land unsere Argumentation verstanden und danach gehandelt hat. 

Roger Kehle über den Stabilitäts- und Zukunftspakt
Roger Kehle ist Hauptgeschäftsführer und Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg.

Welche konkreten Hilfen werden die Kommunen nun vom Land erhalten?

Im Zuge der Verhandlungen sind viele Einzelmaßnahmen ausgehandelt worden. Die wichtigsten sind sicherlich, dass das Land mit mehr als einer Milliarde Euro die mit der Mai-Steuerschätzung prognostizierten Verluste im kommunalen Finanzausgleich für 2020 ausgleichen wird. Und ebenfalls mit gut einer Milliarde Euro den Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen kompensiert. Dazu kommt unter anderem, dass sich das Land an den zusätzlichen Kosten für Infektionsschutzmaßnahmen in Schulen und Ämtern mit 47 Millionen Euro beteiligt und dass das Land die Mittel des Bundes für die Ausstattung von Schulen mit digitalen Endgeräten auf insgesamt 130 Millionen Euro verdoppelt. Dazu kommen weitere Einzelmaßnahmen, etwa für den Öffentlichen Nahverkehr, Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft und die Gesundheitsämter. 

Gehen Sie davon aus, dass der Stabilitäts- und Zukunftspakt Haushaltssperren infolge der Corona-pandemie und ihrer Folgen verhindern kann?

Genau das war unser vorrangiges Ziel und das haben wir aus meiner Sicht auch erreicht. Deshalb war es auch so wichtig, dass wir vor der Sommerpause zu einer Einigung gelangen. Denn nur mit der Sicherheit, Kompensation für Mehrausgaben und Einnahmeausfälle zu erhalten, können die Kommunen nun die Investitionen planen, die sie zu einem zentralen Konjunkturmotor in der Krise machen werden. 

Wie und wann werden die Mittel auf die Kommunen verteilt?

Diese Frage brennt den Städten und Gemeinden jetzt natürlich unter den Nägeln. Zu diesem Zeitpunkt können wir sie allerdings noch nicht beantworten. Es gilt Entscheidungen in Bundestag und Bundesrat abzuwarten. Wir werden jedoch alles tun, damit die Kommunen so schnell wie möglich Antworten bekommen.

Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis der Gemeinsamen Finanzkommission?

Ich bin mit dem Gesamtergebnis der Verhandlungen zufrieden. Land und Kommunen haben in einer Krisensituation bewiesen, dass sie trotz der schwierigen Umstände schnell zu einem Ergebnis kommen können. Das hat auch in den Städten und Gemeinden für Erleichterung und ein größeres Sicherheitsgefühl gesorgt. Das ist deutlich spürbar, wenn man raus geht ins Land und mit den Betroffenen spricht. 

Werden weitere Verhandlungen mit dem Land bezüglich einer finanziellen Unterstützung der Kommunen infolge der Coronapandemie nötig sein?

Wir haben in den Verhandlungen zugestimmt, dass der Stabilisierungs- und Zukunftspakt für diese Legislaturperiode Bestand haben wird. Hier wird es also erstmal keine Nachverhandlungen geben. Wir sind jedoch erfreut, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein Zukunftsinvestitionsprogramm angekündigt hat. Der Fokus liegt nach seinen Aussagen zwar auf grünen Technologien. Doch eins ist auch klar: Ein Zukunftsinvestitionsprogramm muss Städte und Gemeinden einschließen. Und wir brauchen dafür keine neuen Förderprogramme ins Leben zu rufen. Durch eine Erhöhung der bestehenden Förderprogramme kann der Konjunkturmotor der Kommunen – den wir nun mit dem Stabilitäts- und Zukunftspakt in Gang gesetzt haben – durchaus noch weiter zulegen.