Über ihren Social Media-Auftritt betreibt die Stadt Heidenheim Social Recruiting bzw. Headhunting
© Stadt Heidenheim via TikTok

Erste Kommunen setzen auf Social Recruiting

Der Fachkräftemangel ist eines der größten Probleme in den Kommunen. Welche Möglichkeiten gibt es, dennoch an geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu kommen? Beispiele aus Biberach und Heidenheim zeigen: Soziale Medien sind ein gutes Recruiting Tool. Voraussetzung sind authentische Inhalte.

Ein junger Mann rutscht auf dem Hosenboden eine Rampe herunter, die von einer Sprossenleiter auf eine blaue Sportmatte führt. Er schaut in die Kamera. „Ich bin Erzieher im städtischen Kindergarten Rissegg. Unsere Kindertageseinrichtung hat einen bewegungserzieherischen Schwerpunk“, sagt er. Sylvana und Cynthia vom Kindergarten Ringschnait stehen in einem anderen Video vor Gemüsehochbeeten. „Das sind unsere Tomaten. Das sind unsere Gurken. Das sind unsere Zucchini! Und hier wollen wir einmal die Radieschen säen“, hört man Kinderstimmen aus dem Off, begleitet von einer Sequenz, in der Kinder mit Gartenhandschuhen Samen in der Erde festklopfen. 

Kita wirbt per Reels Bewerberinnen und Bewerber an

„Wenn du auch Lust auf eine abwechslungsreiche und spannende Arbeitsstelle hast, dann bewirb dich bei der Stadt Biberach“, sagen die zwei Erzieherinnen abschließend.  Der Instagram-Kanal der Kitas im oberschwäbischen Biberach ist mittlerweile voll von solchen nur 15 Sekunden langen Kurzvideos, „Reels“ genannt, in denen Erzieherinnen und Erzieher in wenigen Sätzen prägnante Aspekte aus ihrem Arbeitsalltag vorstellen, gefolgt von einer direkten Ansprache an potenzielle Bewerberinnen und Bewerber.

Der Instagram-Kanal der Kita wird benutzt, um Headhunting für neue Erzieherinnen und Erzieher zu betreiben

Von dieser Art der Mitarbeiterwerbung hat die Stadt bereits profitiert. Eine Stelle habe man bereits besetzen können, nachdem eine Person die Kurzvideos entdeckt hatte und sich daraufhin für eine Bewerbung entschied. Mittlerweile erstellen die Erzieherinnen und Erzieher der kommunalen Kitas im 34.000-Einwohner-großen Biberach die Videos selbst und haben seit dem Sommer ihren eigenen Kanal. Das gehört zur Strategie. Man wolle, dass die Videos authentisch rüberkommen. Dass sie nicht auf dem offiziellen Kanal der Stadt laufen, trage dazu bei, erklärt Pressesprecherin Andrea Appel gegenüber die:gemeinde. Parallel dazu laufen sie aber auch auf dem offiziellen Kanal der Stadt. 

Idee kam vom Social Media-Team der Stadt

Die Idee mit den Videos war bei einer Redaktionskonferenz des Social-Media-Teams der Stadt entstanden. In den sozialen Medien hatte die Stadt schon vorher Stellen gepostet. Allerdings wenig innovativ, sondern so, wie es die meisten machen. Mit einem Standbild nämlich, auf dem die wichtigsten Fakten über eine Stelle aufgelistet sind. Ein Ansatz also, der zwar handwerklich einfach ist, aber eben auch statisch. Der Gegensatz zu den lebendigen Reels könnte größer nicht sein. Die Idee, eigene Videos zu produzieren, sei bei zwei Einrichtungsleitungen direkt auf offene Ohren gestoßen, sagt Andrea Appel. Mit Begeisterung hätten sie die Idee aufgegriffen, bei der Umsetzung dann Grundsatzhinweise und Starthilfe von einer Social-Media-Agentur. „Unsere Hoffnung, dass andere Einrichtungen einsteigen, hat sich bewahrheitet“, sagt Appel, mittlerweile habe man Videos von verschiedenen Einrichtungen erhalten.

Auch Heidenheim nutzt Social Recruiting

Biberach ist nicht die einzige Stadt in Baden-Württemberg, die die Methode des „Social Recruiting“ für sich entdeckt hat. Der Fachbegriff bezeichnet den Ansatz, die sozialen Medien zu nutzen, um auf Bewerberinnen und Bewerber zuzugehen, ganz nach dem Motto: „Wir gehen dahin, wo sich die Bewerber aufhalten.“ Heidenheim auf der Ostalb hat in diesem Bereich bereits von sich reden gemacht. Die Stadt hat einen eigenen Account auf dem chinesischen Videoportal Tiktok, das bei Jugendlichen enorm populär ist. 

Auch Tiktok eignet sich gut für das Social Recruiting

Dabei gelang etwas, was Städten selten gelingt, geschweige denn solchen von der Größe Heidenheims: Sie stellte ein Video ins Portal, das „viral ging“, also hunderttausende Male angeklickt wurde. Genau gesagt wurde das Tanzvideos des jungen Gärtners Leon bislang 290.000 Mal angesehen, es bekam 22.000 Likes und wurde weit mehr als 300 Mal kommentiert. Und: Die Stelle konnte besetzt werden, wie Julia Habla, Social-Media-Managerin der Stadt, auf Anfrage von die:gemeinde bestätigt.

Azubi-Kamagne "Aus Liebe zum Job" mit Fokus auf TikTok

„Wir hatten insgesamt drei Videos gedreht, eins davon ging viral, was dazu führte, dass es eine Berichterstattung in klassischen Medien gab“, sagt Habla. Besonders erfreulich ist das Ergebnis, weil Stellen als Gärtner in den Kommunen chronisch unterbesetzt sind. Den Erfolg des Tiktok-Auftritts will die Stadt nun ausbauen und lanciert dieses Jahr die großflächige Azubi-Kampagne „Aus Liebe zum Job“, bei der Tiktok eine exponierte Rolle spielen wird. Jede Woche stellt ein aktueller oder ein ehemaliger Azubi in einem Kurzvideo vor, worin seine Aufgaben bestehen. Flankiert werden die Videos von klassischen analogen Kampagneninstrumenten wie Werbung auf Bussen.

Es sollte nicht nur um das Headhunting gehen

Der Recruiting-Aspekt steht für Julia Habla bei den Tiktok-Aktivitäten allerdings nicht im Vordergrund. Wichtiger ist aus ihrer Perspektive die Arbeit am Image. Denn bei jungen Leuten stehen Kommunalverwaltungen als Arbeitgeber nicht hoch im Kurs. Ein cooler Auftritt auf „ihren“ Portalen kann dazu führen, dass junge Leute ihre Vorurteile ablegen. Heidenheim und Biberach sind auf einem guten Weg in Richtung dieses Ziels.