
Plädoyer für mehr Vertrauen und eine grundlegende Staatsreform
Rund 30 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus der Region nahmen Anfang April am Bürgermeisterfachtag der Stiftung Liebenau in Meckenbeuren teil. Die Tagung widmete sich der Frage, wie die soziale Infrastruktur gesichert werden kann und welche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind. Steffen Jäger, Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg, und Michael Löher, Präsident des Deutschen Sozialgerichtstages, sprachen sich deutlich für eine grundlegende Staatsreform und mehr Vertrauen in die Akteure vor Ort aus.
Ausgehend von einem Zitat des Tropenmediziners Albert Schweitzer skizzierte Steffen Jäger die aktuelle Lage in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft – national wie international. Diese Entwicklungen hätten spürbare Auswirkungen auf das soziale Miteinander, die Arbeit in sozialen Bereichen und die kommunalen Rahmenbedingungen. Jäger forderte, dass dringend notwendige Reformen trotz schwieriger Lage und knapper Mittel auf Bundesebene angestoßen werden müssten. „Wir brauchen eine grundlegende Staatsreform, denn ein bloßes 'Weiter so' gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie“, betonte er in seinem Fachvortrag.
Kommunen und soziale Träger als Schlüsselakteure
Zentraler Hebel dabei sei eine Rückbesinnung auf die Kernaufgaben des Staates, zu denen auch die Daseinsvorsorge in Pflege, Gesundheit und Soziales gehöre. Gleichzeitig müssten Kommunen, soziale Träger, Handel und Handwerk spürbar von bürokratischen Vorgaben entlastet werden. „Wir brauchen mehr Vertrauen in die Kräfte vor Ort und weniger Bürokratie. Denn dort, wo sich das Leben der Bürgerinnen und Bürger abspielt, zeigt sich im Alltag die Handlungsfähigkeit des Staates“, so Jäger weiter.
Michael Löher knüpfte daran an und rückte die Rolle des Föderalismus in den Fokus. Es müsse gelingen, die Gesetzgebung von Bund und Ländern besser aufeinander abzustimmen und dabei die kommunale Ebene stärker einzubeziehen. "Es nützt nichts, wenn Rechtsansprüche auf Bundesebene normiert werden und dann vor Ort weder Personal noch Mittel zur Umsetzung vorhanden sind", sagte Löher. Beispiele wie der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz oder die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes machten die bestehenden Probleme deutlich.
Auch Berthold Broll, Vorstand der Stiftung Liebenau, unterstrich die Dringlichkeit grundlegender Reformen. Die Grundversorgung im Pflege-, Sozial- und Gesundheitsbereich sei in Gefahr, warnte er: "Schon heute gibt es in einigen Regionen Versorgungsnöte bei bestimmten sozialen Angeboten." Um den Verfall der sozialen Infrastruktur zu stoppen, müsse vor allem die Bürokratie massiv reduziert werden, um den steigenden Bedarf an sozialen Dienstleistungen überhaupt noch decken zu können.
Ein zentrales Fazit der Tagung lautete: Kommunen und soziale Träger tragen gemeinsam Verantwortung für die Sicherung und Gestaltung der sozialen Infrastruktur. Alle Referenten betonten die Bedeutung von Kooperation und Dialog vor Ort. Die Erfahrung zeige: Wer miteinander im Gespräch bleibt, findet auch in schwierigen Zeiten Lösungen.