Mundelsheim steht vor großer Entscheidung

Am 29. Mai werden in Mundelsheim die Weichen für die Zukunft gestellt. In einem Bürgerentscheid stimmen die Einwohner der Gemeinde darüber ab, ob ein Gewerbe- und Innovationspark entwickelt werden soll. Wer dem Projekt positiv gegenübersteht, kann hoffen: zuletzt gingen zwei Bürgerentscheide erfolgreich im Sinne des jeweiligen Vorhabens aus. die:gemeinde hat mit dem Mundelsheimer Bürgermeister Boris Seitz über die Vorbereitungen auf die Abstimmung gesprochen und gefragt, welche Perspektive das Projekt der Gemeinde eröffnet.

Die Flächen in Baden-Württemberg sind knapp. Besonders gilt das für die Region Stuttgart, zu der die Gemeinde Mundelsheim gehört. Für die Regionalplaner sind Gebiete wie das Gewann Benzäcker deshalb besonders wertvoll. Schließlich stehen das Land und mit ihm seine Regionen und Gemeinden vor einer wirtschaftlichen Transformation, getrieben von der Digitalisierung, von Elektromobilität, Wasserstoffproduktion und Künstlicher Intelligenz. Um technologisch Schritt zu halten, brauchen die Unternehmen neue Fabriken und damit Flächen. Erst vor wenigen Wochen hat ein anderer Bürgerentscheid den Weg für die Ansiedlung einer Brennstoffzellen-Gigafactory in Weilheim freigemacht.  

Gewerbe- und Innovationspark an A81 bietet Mundelsheim Entwicklungschancen

Auf den Mundelsheimer Benzäckern soll nun also ein Gewerbe- und Innovationspark entstehen. Das Gewann liegt zwar vollständig auf Mundelsheimer Gemarkung und besonders günstig an der Autobahn A81. Betrieben werden soll der Park aber interkommunal aus einem Zweckverband, dem neben Mundelsheim auch die Gemeinden Besigheim, Hessigheim, Neckarwestheim, Walheim und Gemmrigheim angehören. Die Gemeinde verspricht sich von der Ansiedlung Gewerbesteuereinnahmen und neue Arbeitsplätze für die eigene Bevölkerung, darüber hinaus neue Chancen für die lokale Gastronomie, für den Handel, für Dienstleistungen. "Selbst das Vereinsleben kann durch die Ansiedlung größerer Betriebe funktionieren", schreibt die Gemeinde auf ihrer Website, auf der sie ausführlich und neutral über das Vorhaben informiert.

Frühzeitige Information und Einbindung der Bürger wichtige Voraussetzung 

Überhaupt zeigen die Beispiele aus Eberbach, wo ein Bürgerentscheid im Frühjahr für den Bau von Windkraftanlagen, sowie aus Weilheim, wo die besagte Gigafactory entsteht, das intensive und frühzeitige Information Erfolgsfaktoren sein können. So hatte die Stadt Eberbach im Vorfeld des Entscheids in einer Broschüre über die finanziellen Auswirkungen der Windkraftanlagen informiert und mögliche Beteiligungskonzepte der Bürgerinnen und Bürger erörtert. Im März folgte eine Info-Veranstaltung in der Stadthalle, bei der Bürgermeister, Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, Initiativen für und gegen die Windkraftanlagen und viele weitere Akteure ihre Sicht darstellen durften. 

Gemeinde Mundelsheim informierte früh und umfassend mit Broschüren und Aktionen 

Auch Mundelsheim muss sich nicht vorwerfen lassen, zu wenig informiert zu haben. Ganz im Gegenteil: Die Gemeinde führte Aktionen auf dem Marktplatz durch, veranstaltete ein Bürgerforum, produzierte eine Broschüre und Erklärvideos, startete Aktionen speziell für junge Leute, informierte auf der eigenen Webseite und über die Lokalpresse. Abschließend fand am 6. Mai eine Einwohnerversammlung statt, bei der auch auch die Gegner des Projekts zu Wort kamen. Eine Besonderheit des Bürgerforums bestand darin, dass die beteiligten Personen auf Grundlage festgelegter Quoten nach dem Zufallsprinzip eingeladen wurden und sich damit Bürgerinnen und Bürger am Willensbildungsprozess beteiligten, die sich gewöhnlich nicht in den politischen Prozess einbringen. 

Bürgermeister Boris Seitz: Wollten für Ausgewogenheit von Pro und Contra sorgen 

Bürgermeister Boris Seitz findet, dass alle Maßnahmen ihren Wert und ihre Berechtigung hatten. "Die Gesamtheit ist entscheidend, der Prozess muss gut überdacht und geplant sein, die Einwohnerversammlung ist sehr wichtig gewesen. Wir wollten für eine Ausgewogenheit von Pro und Contra sorgen. Aber auch unsere Zufallsbürger waren von großer Bedeutung", sagt Seitz im Gespräch mit die:gemeinde. Der Bürgermeister gibt sich allerdings keinen Illusionen dahingehend hin, dass eine auch noch so gute, proaktive und ausgewogene Information alle Bürgerinnen und Bürger zufrieden stellen könnte.

Boris Seitz: Alle Bürgerinnen und Bürger kann man nicht erreichen

Alle Bürgerinnen und Bürger könne man nicht erreichen, sagt Seitz. Doch nahezu habe man das geschafft. "Es gab für Mundelsheimer Verhältnisse noch nie so eine große und breite Bürgerbeteiligung. Viele fühlen sich mitgenommen, andere werden uns immer vorwerfen, dass wir 'falsch' informieren, so Seitz. Die Frage nach der Bedeutung des Ausgangs des Bürgerentscheids für die Gemeinde antwortet Seitz klar. Im Falle eines positiven Ausgangs habe man die Chance, etwas zu bewirken, "nicht nur für Mundelsheim, sondern für das ganze Umfeld." Dennoch werde die Gemeinde es auch überleben, wenn der Gewerbepark nicht komme. Schade wäre das dennoch, sagt Seitz. Denn die Chance sei einmalig.