Waermenetz in Industrieanlage
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Lassen sich die Ziele für Klimaschutz und Wärmewende erreichen?

In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung diskutierten im Dezember Gemeindetagspräsident Steffen Jäger und Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) über die Herausforderungen und Strategien für die Wärmewende in Baden-Württemberg.

Lassen sich die Ziele für Klimaschutz und Wärmewende des Landes erreichen? Gemeindetagspräsident Steffen Jäger traf sich zu dieser Frage mit Umweltministerin Thekla Walker zum Doppelinterview für die Stuttgarter Zeitung. Während Jäger die Umsetzbarkeit und Finanzierungsfragen betonte, hob Walker die Fortschritte und Notwendigkeit ambitionierter Klimaziele hervor.

Jäger: Wärmenetze nicht überall wirtschaftlich

Jäger machte deutlich, dass öffentliche Wärmenetze nicht überall wirtschaftlich realisierbar seien: „Es ist wichtig, dass wir mit Hinblick auf das Erwartungsmanagement für die Menschen betonen, dass es im überwiegenden Teil der Siedlungsflächen in Baden-Württemberg kein öffentliches Wärmenetz geben wird, auch wenn dort Wärmepläne vorliegen“, betonte er im Interview. „Denn es wäre im Vergleich zu individuellen Lösungen die viel teurere Variante. Dort ist es die Verantwortung der Gebäudeeigentümer, selbst für eine Wärmewende in den eigenen vier Wänden zu sorgen.“

Steffen Jaeger Gemeindetag Baden Wuerttemberg
Gemeindetagspräsident
​​Steffen Jäger

Jäger äußerte zudem Zweifel an der Prognose des Heidelberger Ifeu-Instituts, dass 2040 etwa 41 Prozent der Energie über Wärmenetze fließen könnten: „Wir halten die 41 Prozent für sehr, sehr hoch gegriffen. Ich wäre eher bei den 20 Prozent des Handwerks.“ Walker wies dagegen auf die Vorreiterrolle Baden-Württembergs hin: „Wir haben jetzt für 80 Prozent der Menschen im Land eine Wärmeplanung vorliegen oder sie ist in Arbeit. Damit sind wir in Deutschland Vorreiter.“ Gleichzeitig mahnte sie, dass Planung allein nicht ausreiche: „Das oberste Gebot muss sein: Es muss bezahlbar sein und dauerhaft funktionieren.“

Wärmewende-Investments: Walker fordert Änderung der Gemeindeordnung

Beide betonten die Bedeutung rechtlicher Anpassungen, um Investitionen in Wärmenetze zu erleichtern. Walker forderte eine Änderung der Gemeindeordnung, um Zukunftsinvestitionen zu priorisieren: „Die Aufsicht durch das Innenministerium sollte Kredite nicht mehr über einen Kamm scheren. Zukunftsinvestitionen in Projekte, die sich mittel- und langfristig wirtschaftlich tragen und dem Gemeinwohl dienen wie eine klimaneutrale Wärmeversorgung, die müssen prioritär bewertet werden.“

Jäger warnte jedoch: „Es sollte nicht durch eine veränderte Rechtslage ein moralischer oder gesellschaftlicher Druck auf die Kommunen entstehen. Nach dem Motto: Wir haben das Recht in eurem Sinne geändert und jetzt müsst ihr ganz viel Schulden aufnehmen.“

Bezüglich der Förderung von Wärmelösungen mahnte Jäger, dass eine Balance notwendig sei: „Wir müssen aufpassen, dass keine Ungerechtigkeit in die andere Richtung entsteht, dass wir nämlich jetzt Insellösungen stark individuell fördern und dass bei den Netzen, die öffentlich entstehen sollen, eine solche Förderung irgendwann nicht mehr möglich ist, weil das Geld fehlt.“ Ein möglicher Anschlusszwang sei aus seiner Sicht nicht zielführend: „Ziel muss es sein, dass sich die Frage nach einem Anschlusszwang gar nicht stellt, weil ganz viele mitmachen.“

Umweltministerin Thekla Walker
Umweltministerin
Thekla Walker

In der Zielrichtung Klimaneutralität herrscht Einigkeit

Angesichts der Klimaziele Baden-Württembergs erklärte Jäger: „Ich höre immer, dass diese Zeitziele sinnvoll sind, damit deutlich wird: Es muss etwas passieren. Ich glaube, inzwischen sind wir uns in der Zielrichtung Klimaneutralität absolut einig. Das heißt, es braucht solche ambitionierten Ziele nicht mehr unbedingt.“ Walker hingegen hielt an den Vorgaben fest: „Es ist zu früh, von Zielen abzurücken. Bei der Wärmeplanung haben wir gesehen: Ehrgeizig und Vorreiter zu sein, bringt Vorteile.“

Das Interview verdeutlichte die unterschiedlichen Perspektiven auf die Wärmewende: Während Jäger auf realistische und wirtschaftlich tragfähige Ansätze setzt, betonte Walker die Notwendigkeit ambitionierter Vorgaben und langfristiger Planung. Beide stimmen jedoch darin überein, dass finanzielle Unterstützung und Rechtssicherheit zentrale Voraussetzungen für den Erfolg der Wärmewende sind.

Das Interview im Wortlaut lesen Sie bei der Stuttgarter Zeitung.