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Infrastruktur-Milliarden: Wie viel Geld geht an die Kommunen?

CDU und SPD haben am Samstag ihr Sondierungspapier vorgestellt. Im Fokus steht neben den geplanten Verteidigungsausgaben ein Sondervermögen für Infrastruktur, vom dem auch Kommunen profitieren sollen. Doch wie viel Geld tatsächlich bei den Kommunen ankommt, bleibt bislang unklar. Gemeindetagspräsident Steffen Jäger fordert, die Investitionen an einen Sparplan zu koppeln.

CDU und SPD haben am Wochenende ihr Sondierungspapier vorgelegt, das die Grundlage für die nun anstehenden Koalitionsverhandlungen bildet. Relevant für Städte und Gemeinden ist das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen, das in die Modernisierung von Verkehrsinfrastruktur, Bildung, Digitalisierung, Gesundheitswesen und Zivilschutz fließen soll. Ein Fünftel des Gesamtvolumens – rund 100 Milliarden Euro – ist explizit für die Länder und Kommunen vorgesehen. Konkret heißt es in der Einleitung des elfseitigen Dokuments dazu: „Mit einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro bringen wir unser Land wieder in Form – durch Investitionen in Straßen, Schienen, Bildung, Digitalisierung, Energie und Gesundheit.“ Das Geld soll über einen Zeitraum von zehn Jahren (2025 bis 2034) verteilt werden, um eine nachhaltige Finanzierung und Planungssicherheit zu gewährleisten.

Das Paket soll durch Kredite finanziert werden, die in ein Sondervermögen fließen. Um das Sondervermögen zu ermöglichen, muss die Schuldenbremse im Grundgesetz angepasst werden. Dies erfordert eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, die Union und SPD alleine nicht erreichen können. Sie sind daher auf die Stimmen der Grünen oder FDP angewiesen. Trotz der Einigung gibt es noch viele offene Fragen, insbesondere bei den Kommunen. Es ist unklar, wie genau die Mittel verteilt werden und ob die Kommunen direkt von den 100 Milliarden Euro profitieren können. Auch die Tilgung der Schulden und die langfristige finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen sind Themen, die noch geklärt werden müssen.

Gemeindetag: Geld muss in Kommunen ankommen

Doch bereits jetzt gibt es erhebliche Bedenken, ob diese Mittel ausreichen und fair verteilt werden. Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, begrüßt das Paket grundsätzlich. „Die Herausforderungen sind riesig und in Sachen Sicherheitspolitik und Verteidigungsfähigkeit haben sie in den vergangenen Tagen nochmals an bitterer Dringlichkeit gewonnen. Es ist daher gut, dass die Politik in Berlin den Ernst der Lage erkannt hat und mit diesem Investitionspaket für Verteidigung und Infrastruktur Handlungsfähigkeit beweist“, so Jäger. Die für Infrastruktur bereit gestellten könnten ein entscheidender Schritt sein, um den Standort Deutschland zu stärken und die Lebensqualität der Menschen zu sichern, so Jäger weiter. Denn zu lange habe man von der Substanz gelebt.

„Eine Investitionsoffensive ist daher dringend geboten, denn allein in den Kommunen beträgt der Investitionsrückstand bundesweit rund 186 Milliarden Euro. Wir erwarten von der zukünftigen Bundesregierung, dass sie sicherstellt, dass ein großer Teil des Geldes in den Städten und Gemeinden ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird. Denn dort wird auch der größte Teil der öffentlichen Infrastruktur verantwortet. Zugleich können kommunale Investitionen einen kräftigen Impuls zur Stärkung der lokalen Wirtschaft und des Handwerks auslösen. Denn wir können die staatliche Aufgabenerfüllung nicht dauerhaft über Schulden finanzieren“, so Jäger weiter.

Jäger: Staat darf nicht immer mehr versprechen 

Der Verbandspräsident warnt gleichwohl davor, das Sondervermögen als Freifahrtschein zu betrachten. „Diese Sondervermögen müssen ganz eng mit einer Konsolidierung der staatlichen Aufgaben und insbesondere der konsumtiven Ausgaben einhergehen“, mahnt Jäger. In den vergangenen Jahren habe der Staat stetig mehr Leistungen versprochen. Dadurch sei ein erhebliches strukturelles Defizit entstanden, öffentliche Haushalte seien in eine Schieflage geraten. Die kommunale Ebene sei davon so betroffen, dass zwischenzeitlich die Gewährleistung der Aufgabenerfüllung gefährdet sei. „Wenn jetzt also die Investitionen für Verteidigung und Infrastruktur über zusätzliche Verschuldung ermöglicht werden, braucht es zur Sicherstellung der dauerhaften staatlichen Leistungsfähigkeit einen konsequenten Sparplan in den laufenden Haushalten“, sagt Jäger. 

Deutschland müsse sich ehrlich machen und sich auf das Wesentliche fokussieren. Das gelte für Parlament und Regierung. „Es darf nicht um die immerwährende Frage ‚Darfs ein bisschen mehr sein?‘ gehen, sondern um eine klare Prioritätensetzung. Denn gerade der fürsorgende Staat mit einem über Jahrzehnte entwickelten staatlichen Gemischtwarenladen hat uns über die Ebenen hinweg in eine Situation gebracht, in der nun seit Jahren die Handlungsfähigkeit, und damit auch die kommunale Gestaltungsfreiheit, existenziell gefährdet ist“, so der Gemeindetagspräsident.

Niedersächsische Kommunen kritisieren Paket 

Kritik äußerten auch Vertreter des niedersächsichen Pendants des Gemeindetags, dem Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB). Dieser beklagt, dass kleine und mittlere Gemeinden strukturell benachteiligt seien. Präsident Marco Trips rechnet vor: Wenn 100 Milliarden Euro verteilt auf zehn Jahre für die Kommunen und Länder vorgesehen seien, bedeute dies in Niedersachsen nach dem Königsteiner Schlüssel eine Milliarde Euro pro Jahr. Teile man dies hälftig auf die Kommunen und das Land auf, so blieben den Kommunen 500 Millionen Euro pro Jahr. 

Die Finanzlage der Kommunen sei dramatisch und wird sich nur verändern lassen, wenn nicht die Einnahmeseite über Kredite, sondern die Ausgabenseite über Leistungsreduzierungen und Eigenbeteiligungen der wohlhabenden Bürgerinnen und Bürger angefasst wird. „Insofern stehe ich dazu: Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem durch zu viele Umsonst-Leistungen. Das löst man nicht durch Programme auf Pump, sondern durch angemessene Kostenbeteiligungen, beispielsweise bei Kindergärten oder in der Ganztagsschule oder eben Leistungsreduzierungen“, sagt Trips. 

Bayaz: Mittel müssen in zusätzliche Ausgaben fließen

Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz hat sich am Montag im Deutschlandfunk zum Sondervermögen geäußert. Die Stimmen der Bundestagsfraktion seiner Partei (Grüne) sind nötig, um die Zweitdrittelmehrheit zu bekommen, ohne die die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse nicht gelockert werden kann. Bayaz hält ein Sondervermögen für Infrastruktur grundsätzlich für eine gute Idee - er selbst plädiert seit Jahren für eine Reform der Schuldenbremse - befürchtet aber, dass die Mittel für Einzelinteressen zweckentfremdet werden könnten. „So wie das Sondervermögen angelegt ist, nämlich nicht auf zusätzliche Investitionen, macht mich das skeptisch.“

Ein Infrastruktur-Sondervermögen brauche es sehr wohl, doch es müsse klar geregelt sein, dass die Mittel in zusätzliche Ausgaben fließen, also beispielsweise in neue Infrastruktur und Zukunftstechnologien. Das gelte auch für die Länder und Kommunen selbst. So gebe es enormen Investitionsbedarf für Schulgebäude oder für den Ausbau der Wärmenetze. „Es ist wichtig, dass auch die Länder und Kommunen das Geld nur für zusätzliche Projekte in die Hand nehmen können“, betonte Bayaz. Zudem müsse der Betrag für Länder und Kommunen von den geplanten 100 Milliarden Euro auf 200 Milliarden angehoben werden, um der realen Aufgabenlast der föderalen Ebenen gerecht zu werden.   

Bislang gibt es keine Einigung, wie genau die Gelder verteilt werden sollen. Klar ist nur: Ohne eine Überarbeitung des Finanzierungskonzepts und eine bessere Berücksichtigung der kommunalen Bedürfnisse droht das 500-Milliarden-Euro-Paket zu scheitern.