Grundsteuer C: Instrument mit Potenzial?
Die Wohnungskrise in Deutschland gilt weiterhin als gravierend. Laut einer aktuellen Studie des Pestel-Instituts fehlen in Deutschland rund 1,2 Millionen Wohnungen – deutlich mehr als bisher angenommen. Besonders betroffen sind westdeutsche Ballungsräume, in denen der Neubau weit hinter dem tatsächlichen Bedarf zurückbleibt und sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt zunehmend verschärft. Die Studie unterstreicht zudem, dass die Mieten in Baden-Württemberg deutlich stärker steigen als im Bundesdurchschnitt.
Lage auf dem Wohnungsmarkt „immer verschärfter“
Das Pestel-Institut arbeitet häufig im Auftrag von Kommunen, Verbänden und öffentlichen Einrichtungen und liefert datenbasierte Analysen, die Städten und Gemeinden als Grundlage für ihre Wohnungs-, Sozial- und Infrastrukturpolitik dienen.
Um Abhilfe zu schaffen, sind unter anderem auch Kommunen gefragt. Doch für die kommunale Wohnungspolitik fehlen häufig nicht nur die finanziellen Mittel – etwa um selbst Wohnungen zu errichten –, sondern auch oft ausreichend Grundstücke, auf denen Bauprojekte realisiert werden könnten.
Mit der Grundsteuerreform, die in Baden-Württemberg ab 2025 in Kraft trat, wurde auch die sogenannte Grundsteuer C eingeführt. Sie soll Kommunen ermöglichen, unbebaute, aber baureife Grundstücke höher zu besteuern – um so Anreize zu schaffen, diese für den Wohnungsbau zu nutzen.
Wie hat sich die Grundsteuer C bislang bewährt?
Viele Städte und Gemeinden im Land haben bisher von der Grundsteuer C noch keinen Gebrauch gemacht, weil sie einen erheblichen bürokratischen Aufwand befürchten, nicht über ausreichende Daten oder Personal verfügen und zudem bezweifeln, dass die Steuer tatsächlich nennenswertes Bauland mobilisieren kann. Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg steht der Maßnahme kritisch gegenüber. Viele Kommunen haben die Einführung daher zunächst abgelehnt, um abzuwarten, wie sich das Instrument in den sogenannten Pionier-Gemeinden bewährt.
Doch wie hat sich die Grundsteuer C bislang bewährt – nun, da sie seit rund zehn Monaten in einigen Städten und Gemeinden angewandt wird?
Nachgefragt bei einer der Pionierkommunen in Baden-Württemberg fällt das Urteil positiv aus. „Aus unserer Sicht ist die Grundsteuer C ein gutes Instrument, um den Wohnungsmarkt gezielt zu steuern – insbesondere zur Realisierung von Bauvorhaben in bestehenden Gebieten und damit zur Nachverdichtung“, erklärt Steffen Weigel, Bürgermeister der Stadt Wendlingen am Neckar im Landkreis Esslingen. „Im Gegenzug können wir derzeit auf die Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich verzichten und so die bisherige Nutzung der Flächen für Landwirtschaft oder Naherholung erhalten.“
Wendlingen am Neckar zieht positive Bilanz
Die Zahl der betroffenen Grundstücke liegt laut Bürgermeister Weigel in Wendlingen bei rund 60 bis 70. Das Steueraufkommen beziffert die Stadt auf 82.000 Euro. Gegen die Bescheide seien acht Einsprüche eingelegt worden; sechs davon sind inzwischen zurückgezogen, einer wurde „ruhend gestellt“ und ein weiterer liegt derzeit beim Landratsamt zur Entscheidung.
Für Weigel hat sich die Idee der Grundsteuer C, Eigentümerinnen und Eigentümer solcher Grundstücke zum Bauen zu bewegen, durchaus erfüllt: „Bei zwei betroffenen Grundstücken wurden Bauanträge eingereicht beziehungsweise mit dem Bau begonnen“, zieht er Bilanz. Zudem habe es mehrere Nachfragen gegeben, ob die Stadt eine Plattform anbieten könne, um das Marktinteresse an unbebauten Flächen zu sondieren.
Forschung hat ambivalentes Urteil zur Grundsteuer C
Auch die Forschung hat die Auswirkungen der Grundsteuer C bereits untersucht. Désirée I. Christofzik, Professorin für Finanzwissenschaft an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, analysierte die 14 Pioniergemeinden im gesamten Bundesgebiet – darunter fünf in Baden-Württemberg: Maulbronn, Merdingen, Sasbach, Tübingen und Wendlingen am Neckar.
Sie kommt zu dem Schluss, dass die Wirkung der Grundsteuer C stark von lokalen Rahmenbedingungen, der Verwaltungskapazität und der politischen Haltung in den Gemeinden abhängt. In Baden-Württemberg zeigen laut der Untersuchung erste Erfahrungen, dass die Steuer zielgerichtet eingesetzt werden kann, um Baulücken zu schließen und Neubauflächen zu vermeiden, der Verwaltungsaufwand jedoch ein entscheidendes Hemmnis bleibt.
Die Bewertung der Studie fällt ambivalent aus – sie sieht sowohl Vorteile als auch Nachteile der neuen Steuer.
Vorteile Grundsteuer C:
- Förderung von Wohnungsbau und innerörtlicher Nachverdichtung
- Reduktion von Bodenspekulation
- Zusätzliche kommunale Einnahmen
Nachteile Grundsteuer C:
- Hoher Verwaltungsaufwand und unklare Rechtslage: Es besteht etwa Unsicherheit bei der rechtlichen Abgrenzung, wann ein Grundstück als „baureif“ gilt. Auch die städtebaulichen Voraussetzungen – etwa der Nachweis „städtebaulicher Gründe“ und dass mindestens zehn Prozent des Gemeindegebiets betroffen sind – gelten als juristisch angreifbar. Zudem bestehen offene Rechtsfragen bei der Festlegung des Hebesatzes und beim Verhältnis zur Grundsteuer B. Gerichtliche Entscheidungen oder Verwaltungshinweise, die für Rechtssicherheit sorgen könnten, liegen bislang nicht vor.
- Gefahr unverschuldeter Belastungen: Eigentümerinnen und Eigentümer können etwa auch dann betroffen sein, wenn sie aus rechtlichen oder finanziellen Gründen gar nicht bauen können – etwa wegen Erbstreitigkeiten, fehlender Erschließung oder stark gestiegener Baukosten.
- Begrenzte fiskalische Wirkung: In den meisten Pioniergemeinden liegen die Einnahmen aus der Grundsteuer C laut der Studie bei nur wenigen Zehntausend Euro – Beträge, die den administrativen Aufwand kaum rechtfertigen und die Steuer eher zu einem wohnungspolitischen als zu einem fiskalischen Instrument machen.
Die Grundsteuer C bleibt also ein Experiment mit offenem Ausgang. Während einige Städte wie Wendlingen oder Tübingen laut der Speyrer Untersuchung erste Erfolge bei der Aktivierung von Bauland verzeichnen, schrecken viele Gemeinden weiterhin vor dem hohen Verwaltungsaufwand zurück. Ob die Steuer langfristig zur Entlastung des angespannten Wohnungsmarktes beiträgt, hängt letztlich davon ab, ob sie von weiteren Kommunen aufgegriffen wird – und ob der Gesetzgeber noch rechtliche Klarheit schafft.
