Gemeindetag gegen Abwahl und kürzere Amtszeiten von Bürgermeistern
Nachdem es in den Städten Stuttgart und Leonberg Kritik an den Rathauschefs gab, wurde medial darüber diskutiert, ob verfassungspolitisch eine Möglichkeit zur Abwahl von Bürgermeistern eingeführt oder die lange Amtszeit von acht Jahren grundsätzlich verkürzt werden sollte. Unter anderem thematisierte dies die Stuttgarter Zeitung.
In beiden Kommunen ist den Bürgermeistern in jüngerer Vergangenheit problematisches Verhalten vorgeworfen worden. In der Landeshauptstadt geriet Oberbürgermeister Frank Nopper in die Kritik, nachdem er in einer SWR-Dokumentation auf eine sachliche Frage zur Digitalisierung seiner Verwaltung ungehalten reagierte und das Interview abbrach. In Leonberg gilt das Verhältnis zwischen Bürgermeister Martin Georg Cohn und dem Gemeinderat der Stadt seit längerer Zeit aufgrund mehrerer Unstimmigkeiten als überaus angespannt.
Derzeitige Regelung hat viele Vorteile
Im Zusammenhang mit der Forderung nach einer gesetzlichen Änderung zu Abwahlmechanismen oder einer Einführung von kürzeren Amtszeiten der Bürgermeister im Land sprachen sich jedoch sowohl die Landesregierung als auch mehrere Experten gegen eine Änderung der Rechtslage aus. Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg positionierte sich dagegen. Er unterstrich die Vorteile der derzeitigen Regelungen und begründete seine Haltung wie folgt:
„Nach der Kommunalverfassung in Baden-Württemberg kommt dem Amt des Bürgermeisters Organcharakter zu: Gemeinderat und Bürgermeister sind in gleicher Weise und unabhängig voneinander Verwaltungsorgane der Gemeinde. Weiteres Kennzeichen der Gemeindeverfassung in Baden-Württemberg ist die Verzahnung beider Organe der Gemeinde, die sich aus der organisatorischen, funktionellen und personellen Doppelstellung des Bürgermeisters als Mitglied und Vorsitzender des Gemeinderats einerseits und als Leiter der Gemeindeverwaltung andererseits aus den gegenseitigen Kontrollbefugnissen (§§ 24,43 GemO) ergibt.
Zusammenwirken beider Organe über Jahrzehnte gewachsen
Mit diesen kommunalverfassungsrechtlichen Vorgaben kommt eine Kommunalpolitik zustande, die im Zusammenwirken beider Organe über Jahrzehnte hin gewachsen ist und sich bewährt hat. Sie ist eine Gemeinschaftsproduktion, weder der Gemeinderat noch der Bürgermeister kann für sich allein gute Kommunalpolitik machen. Durch die Einführung einer vorzeitigen Abwahlmöglichkeit für Bürgermeister würde dieses Zusammenspiel empfindlich gestört und die Gewichte verschoben werden. Die Stärke des baden-württembergischen Kommunalverfassungsrechts, nämlich dass jedes Organ eine entsprechende Stellung hat, würde damit aufgegeben werden. Es fragt sich, ob dies für das Wohl der Allgemeinheit zuträglich wäre.
Grundsätzlich ist es Aufgabe von Gemeinderat und Bürgermeister täglich Kommunalpolitik so auszugestalten, um Konflikte zu überbrücken und tragbare Kompromisslösungen zu finden. Es ist daher aus Sicht der Städte und Gemeinden nicht erstrebenswert, das vom Gesetzgeber sorgfältig bestimmte, über Jahrzehnte bewährte und bundesweit als erfolgreich angesehene System der Kommunalverfassung in Baden-Württemberg erheblich zu verändern.
Durch die Schaffung einer Abwahlmöglichkeit würde die Rechtsstellung des Bürgermeisters erheblich geschwächt. Eine Abwahlmöglichkeit würde mit Sicherheit das Amts des Bürgermeisters nicht attraktiver machen und könnte das Problem, qualifizierte Bewerber zu finden, verschärfen.
Die Kontrollbefugnisse des Gemeinderats und die Instrumente der Rechtsaufsichtsbehörde (Beanstandung, Anordnung und Ersatzvornahme, im extremen Fall Bestellung eines Beauftragten) sind ausreichend, um Missständen in der Verwaltung zu begegnen. Ein neues, obendrein systemveränderndes Instrumentarium ist daher nicht erforderlich.
Erfolgreiche Umsetzung von Projekten braucht viele Jahre an Begleitung
Auch die achtjährige Amtszeit des Bürgermeisters halten wir weiterhin für angemessen und zeitgemäß, braucht doch insbesondere die Begleitung von kommunalpolitischen Fragen und Projekten oftmals viele Jahre, bis diese erfolgreich umgesetzt sind. Kommunalpolitik ist auf die Kontinuität angewiesen, um ganzheitlich und orientiert am Gelingen die Beschlüsse des Gemeinderats umzusetzen und zu gestalten. Die Trennung von den Kommunalwahlen hat sich dabei bewährt. Eine Verkürzung der Amtszeit halten wir insbesondere deshalb nicht für zielführend, da andere Bundesländer, so zuletzt Niedersachsen, das Kommunalverfassungsrechts angepasst und die Amtszeit der Bürgermeister bzw. Hauptverwaltungsbeamten verlängert hat.“