Finanzverhandlungen in Gemeinsamer Finanzkommission wegen Corona dauern an
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Finanzverhandlungen: „Wir können noch nicht zufrieden sein“

Die Finanzlage der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg hat sich im Zuge der Coronapandemie drastisch verschlechtert. Der Bund hat bereits ein Konjunkturprogramm vorgelegt, nun muss das Land folgen. Roger Kehle, Hauptgeschäftsführer und Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, berichtet aus den Verhandlungen.

die:gemeinde: Die kommunalen Landesverbände haben ihre Mitglieder gemeinsam befragt, wie sich die Beschränkungen infolge der Coronapandemie auf ihre Finanzen auswirken. Was hat die Umfrage ergeben?

Roger Kehle: Die Kommunen haben durch die Einschränkungen der letzten Monate enorme Verluste erlebt. Stand jetzt sind den Kommunen 780 Millionen Euro an Kosten entstanden. Die Steuerausfälle liegen bei 3,8 Milliarden Euro. Das heißt, wir reden von 4,6 Milliarden Euro, die in den Haushalten fehlen. Und das ist nur eine Momentaufnahme. Wir werden die Umfrage im Laufe des Jahres wiederholen müssen, um zu sehen, wie sich die Situation weiterentwickelt. 

Roger Kehle über die Finanzverhandlungen für die Corona-Hilfe der Kommunen.
Roger Kehle ist Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg und vertritt die Kommunen in der Gemeinsamen Finanzkommission.

Warum haben Sie diese Umfrage durchgeführt?

Baden-Württemberg ist bisher das einzige Bundesland, in dem eine solche Umfrage stattgefunden hat. Wir hielten das für notwendig, weil wir unsere Forderungen an das Land nicht auf Phantasiezahlen, sondern auf klaren, nachweisbaren Zahlen aufbauen wollten. Und das haben wir getan. 

Wenn es um die Überwindung der wirtschaftlichen Krise geht, sprechen Sie von einem „kommunalen Konjunkturmotor“. Was genau meinen Sie damit?

Die Kommune ist für unheimlich viele Aufgaben von der Wiege bis zur Bahre zuständig. Damit vergibt sie auch eine Vielzahl großer Aufträge. Wenn wir die Konjunktur nach der Krise wieder in Gang bringen wollen, müssen die Kommunen ihre geplanten Investitionen auch tätigen können. Es würde auch das Vertrauen der Wirtschaft steigern, wenn wir unsere Aufträge in gleichem Umfang weiterführen würden. Deshalb ist es wichtig, dass das Land das Konjunkturprogramm des Bundes durch ein eigenes Programm nachjustiert, wo der Bund bestimmte Spielräume und Flexibilität nicht geben konnte. 

Wie bewerten Sie das Konjunkturprogramm des Bundes?

Ich halte das Konjunkturprogramm des Bundes für gut gelungen. Und ich bin kein Freund davon, Einzelmaßnahmen herauszugreifen und zu kritisieren. Bei einem so umfassenden Programm könnte man da immer etwas finden. Was uns diese Situation aber deutlich gezeigt hat und was wir nicht vergessen dürfen: Man kann in einer Krise nicht gegen die Krise ansparen. Diese Defizite aufzuholen ist eine Aufgabe für einen späteren Zeitpunkt, wenn wieder Überschüsse erwirtschaftet werden. 

Wie hat das Land die Kommunen bisher unterstützt?

Die Kommunen haben vom Land Baden-Württemberg zwei Soforthilfen, jeweils in Höhe von 100 Millionen Euro erhalten. Außerdem hat das Land sich nach einer Gemeinsamen Finanzkommission dazu bereit erklärt, den Städten und Gemeinden die Zuweisungen aus dem Finanzausgleich nach dem Haushaltssatz 2020 statt nach der aktuellen Steuerschätzung zu zahlen. Damit erhalten die Kommunen über 500 Millionen Euro mehr über den Finanzausgleich. Diese Zuweisung wird allerdings später verrechnet. Deshalb können wir auch noch nicht zufrieden sein. Wir benötigen das Geld dauerhaft. Und die bisher gezahlten rund 700 Millionen Euro reichen noch lange nicht aus. 

Mit dieser Situation im Hinterkopf, wie sind Sie in die letzte Gemeinsame Finanzkommission gegangen?

Wir sind mit klaren Forderungen in die Kommission gegangen: Wir brauchen einen vollumfänglichen Ausgleich der entstandenen Pandemiekosten und wir brauchen eine klare Aussage, wie es mit den ausfallenden Steuern weitergehen wird. Die Zusage des Bundes, die Hälfte der ausfallenden Gewerbesteuer zu ersetzen, hängt an der Bedingung, dass das Land die andere Hälfte aufbringt. Diese Zusicherung müssen wir bekommen. Ich denke, das sind die schwierigsten Verhandlungen, die wir in der Finanzkommission bisher führen mussten. 

Welches Zwischenfazit würden Sie für die Finanzverhandlungen ziehen?

Bisher konnten wir uns noch auf kein Gesamtergebnis verständigen. Bei einer so schwierigen Ausgangslage und bei so viel Geld, um das wir verhandeln, ist es aber nicht verwunderlich, dass die Gespräche langwierig sind. Es ist ein positives Signal der Landesregierung, dass sie mit rund einer Milliarde Euro die Mindereinnahmen der Kommunen kompensieren will und damit die finanzielle Beteiligung des Bundes ergänzt. Das ist grundsätzlich ein wichtiger Beitrag zur Überwindung unserer Einnahmeausfälle. Wir haben aber von kommunaler Seite aus deutlich gemacht, dass wir unbedingt noch vor der Sommerpause ein Ergebnis in allen wichtigen Punkten benötigen und nicht in Stückwerk verfallen wollen. Die Kommunen brauchen Planungssicherheit, wenn sie ihre Haushalte aufstellen.