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Baden-Württemberg zwischen Bürokratieabbau und neuer Regulierung

Der jährliche Bericht des Normenkontrollrats Baden-Württemberg zeigt: Die Landesregierung will Bürokratie abbauen, doch neue Vorschriften erschweren oft den Fortschritt. Kommunen fordern mehr Mitspracherecht und eine praxistauglichere Gesetzgebung.

Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg (NKR BW) hat seinen jährlichen Bericht für 2023/2024 vorgelegt und macht deutlich: Die Regulierungsdichte in Deutschland bleibt eine Hürde für Verwaltung, Wirtschaft und Bürger. Zwar wurden in Baden-Württemberg Entlastungsmaßnahmen auf den Weg gebracht, doch gleichzeitig führen neue Gesetze und Verordnungen zu mehr Komplexität.

Eine zentrale Forderung des Berichts: Es braucht ein konsequentes Umdenken in der Gesetzgebung. Schon vor dem Erlass neuer Vorschriften sollte geprüft werden, ob eine Regelung überhaupt notwendig ist. Das sogenannte "Gold-Plating" – die Verschärfung von EU-Vorgaben auf nationaler Ebene – sei besonders kritisch. Zudem müssten Gesetze digitaltauglich sein und mit praxistauglichen Umsetzungsstrategien versehen werden.

Kommunen am Limit

Der Gemeindetag Baden-Württemberg begrüßt die Arbeit des Normenkontrollrats ausdrücklich. Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags, betont: „Es braucht immer einen doppelten Prüfblick: Zunächst, ob es überhaupt ein Gesetz braucht, und dann, ob es möglichst einfach vollzogen werden kann.“ Er kritisiert, dass in den letzten Jahren häufig neue Aufgaben an die Kommunen delegiert wurden, ohne die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen bereitzustellen.

Die Kommunen sehen sich zunehmend überfordert: Neben steigenden Anforderungen in der Daseinsvorsorge und neuen Vorschriften zur Digitalisierung kommen aufwändige Berichtspflichten hinzu. Das führt zu Frustration und ineffizienten Strukturen.

Erfolgsmodelle und Bremsklötze

Der Bericht hebt einige positive Entwicklungen hervor. So wurde das Landesmobilitätsgesetz überarbeitet und bürokratische Hürden abgebaut. Praxis-Checks wurden eingeführt, um neue Vorschriften auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen. Dennoch gibt es zahlreiche Baustellen: Das Gleichbehandlungsgesetz etwa wird vom NKR BW als überregulierend kritisiert, während das Kommunale Regelungsbefreiungsgesetz den Kommunen neue Spielräume geben könnte.

Ein weiteres Beispiel: Die Reform des Vergaberechts. Ursprünglich sollten die Wertgrenzen für Vergabeverfahren gesenkt werden, was zu mehr Bürokratie geführt hätte. Nach massiver Kritik wurde die Grenze von 100.000 Euro beibehalten, was als Erfolg für den Bürokratieabbau gewertet wird.

Auch das Thema Digitalisierung zieht sich durch den Bericht. Die Praxis zeigt, dass digitale Verwaltungslösungen oft an der Realität vorbeigehen. Häufig müssen Unternehmen und Kommunen doppelte oder dreifache Anträge stellen, weil IT-Systeme nicht kompatibel sind. Der NKR BW fordert deshalb einheitliche Standards, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

Förderprogramme als Dauerbaustelle

Besonders kritisch sieht der Normenkontrollrat das Förderwesen des Landes. Hier existieren hunderte Programme, deren Beantragung für viele Antragsteller zu kompliziert ist. Kommunen und Unternehmen klagen über lange Bearbeitungszeiten und hohe Nachweispflichten.

Ein Beispiel: Die Förderung von Klimaschutzprojekten. Während das Ziel, nachhaltige Projekte zu unterstützen, begrüßt wird, sehen Antragsteller sich mit teils absurden Anforderungen konfrontiert. Die Digitalisierung könnte hier Abhilfe schaffen, wird jedoch bislang nur schleppend umgesetzt.

Ein weiteres Problem sind unklare Verantwortlichkeiten. Viele Programme erfordern Abstimmungen zwischen Landes- und Bundesbehörden, was die Verfahren verzögert. Die Kommunen wünschen sich hier mehr Eigenverantwortung und weniger formale Vorgaben.

Wie weiter?

Der Normenkontrollrat sieht die Digitalisierung als Schlüssel zum Bürokratieabbau. Noch hinkt Baden-Württemberg in vielen Bereichen hinterher. Förderprogramme seien oft unübersichtlich, und der digitale Vollzug von Gesetzen sei die Ausnahme statt die Regel. Ein zentrales Anliegen des Berichts: Einheitliche Standards und eine einfachere Umsetzung, damit neue Gesetze nicht noch mehr Aufwand erzeugen.

Für 2025 fordert der NKR BW eine grundlegende Reform des Förderwesens sowie eine stärkere Einbindung der Praxis in Gesetzgebungsprozesse. Der Bericht zeigt klar: Die Debatte um Bürokratieabbau und smarte Regulierung wird Baden-Württemberg auch in den kommenden Jahren beschäftigen.

Mehr Mut zur Vereinfachung

Der Bericht des Normenkontrollrats zeigt, dass Baden-Württemberg auf einem schmalen Grat zwischen notwendiger Regulierung und überbordender Bürokratie balanciert. Die Landesregierung hat zwar einige Fortschritte gemacht, doch in vielen Bereichen fehlen noch klare Reformen.

Der Gemeindetag Baden-Württemberg fordert, dass neue Gesetze mit Augenmaß gestaltet werden. Gesetze sollten nicht nur beschlossen, sondern auch umsetzbar sein. Weniger Komplexität, mehr Klarheit – das ist die Herausforderung der kommenden Jahre.

Baden-Württemberg hat die Chance, sich als Vorreiter beim Bürokratieabbau zu etablieren. Doch dazu braucht es mehr Mut zur Vereinfachung und einen stärkeren Dialog zwischen Gesetzgebern, Verwaltung und Kommunen.