Zweites Paket der Entlastungsallianz bleibt hinter Erwartungen zurück
Die Entlastungsallianz für Baden-Württemberg hat ein weiteres Maßnahmenpaket mit 100 konkreten Vorschlägen zum Bürokratieabbau vorgelegt. Diese Maßnahmen sollen Verwaltungsverfahren erleichtern und rechtliche Rahmenbedingungen vereinfachen, um spürbare Entlastung für Kommunen und Unternehmen zu schaffen. „Die Entlastungsallianz ist das baden-württembergische Erfolgsmodell für den Bürokratieabbau. Es funktioniert gut, weil es zu uns passt: Schaffen, nicht reden. Konkrete Lösungen, statt Absichtserklärungen“, sagte Staatsminister Florian Stegmann.
Digitalisierung und Vereinfachung
Als bedeutenden Fortschritt wertet das Ministerium die Digitalisierung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Baden-Württemberg bietet als erstes Bundesland eine digitale Antragstellung an. In dem neuen Webformular eingebettete Hinweise und Informationen führten die Antragsstellenden durch den Prozess und erleichterten die Antragsbearbeitung erheblich. Dies verbessere die Effizienz und Einheitlichkeit der Verfahren und entlaste sowohl die Antragstellenden als auch die Behörden.
Ein weiteres Beispiel für die Entlastungsmaßnahmen sei die zentrale Bearbeitung von Abschiebehaftanträgen durch das Regierungspräsidium Karlsruhe. Seit April 2024 haben die unteren Ausländerbehörden die Möglichkeit, entsprechende Fälle abzugeben, wodurch Ressourcen in den stark ausgelasteten Behörden freigesetzt werden. Diese zentralisierte Bearbeitung soll die Effizienz und Wirksamkeit der Verfahren erhöhen.
Verbesserungen in der Kinderbetreuung und Verkehrslärmreduktion
Die Entlastungsallianz setzt sich auch für eine zukunftsfähige Ausgestaltung der Kindertagespflege ein. Durch die Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes wird die Höchstzahl gleichzeitig betreuter Kinder erhöht, und die baulichen Standards werden angepasst, um mehr Flexibilität zu schaffen. Dies soll Betreuungsplätze erweitern und die Personalsituation verbessern.
Ein landesweiter Lärmaktionsplan wurde ebenfalls vom Verkehrsministerium erstellt, um kleinere und mittlere Städte und Gemeinden zu entlasten, die bisher unter den EU-Vorgaben zur Lärmschutzplanung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand hatten. Der neue Plan zielt darauf ab, den Lärmschutz effizienter und zielgerichteter zu gestalten.
Erleichterungen im Krankenversicherungsrecht und für Unternehmen
Baden-Württemberg setzt sich auch für schlanke und digitalisierte Verfahren im Krankenversicherungsrecht ein. Eine im Rahmen der Entlastungsallianz erarbeitete Bundesratsinitiative zielt darauf ab, bürokratische Hürden abzubauen und administrative Prozesse zu digitalisieren. Dies umfasst unter anderem die Reduzierung von Unterschriftserfordernissen und die Digitalisierung von Zuzahlungsbefreiungen.
Zusätzlich wurden über den Bundesrat mehrere Entlastungsvorschläge in das Gesetzgebungsverfahren zum Bürokratieentlastungsgesetz IV eingebracht. Diese beinhalten eine stärkere Harmonisierung von Schwellenwerten im Arbeits- und Sozialrecht sowie Vereinfachungen beim Antragsverfahren zur Elternzeit.
Nachhaltige und digitale Lösungen
Als weiteres Highlight bezeichnet das Staatsministerium die geplante Einführung einer wasserrechtlichen Ausnahme für Unternehmen, die Niederschlagswasser von Dachflächen in Gewerbegebieten beseitigen. Diese werde durch eine Änderung der bestehenden Regelungen ermöglicht, um die Verwaltungslasten zu reduzieren und Unternehmen zu entlasten.
Die Anstrengungen der Entlastungsallianz zeigen laut Staatsministerium Erfolge und verdeutlichen, dass Baden-Württemberg entschlossen ist, Bürokratie abzubauen und die Verwaltungsprozesse zu optimieren. Die fortlaufende Zusammenarbeit von Verwaltung, Verbänden und Praxis stellt sicher, dass die Maßnahmen praxisnah und effektiv sind. Weitere Informationen zu den Maßnahmen und zur Teilnahme an der Entlastungsallianz finden Sie auf der Webseite des Staatsministeriums Baden-Württemberg.
Verbände: Paket bleibt hinter Ansprüchen zurück
Die acht an der Entlastungsallianz beteiligten Verbände - darunter auch der Gemeindetag Baden-Württemberg - haben sich zum mündlichen Bericht im Ministerrat geäußert. Sie beurteilen die vermeintlichen Fortschritte weitaus zurückhaltender. Sie erklären: „Es ist grundsätzlich positiv, wenn es nun ein zweites Entlastungspaket gibt. Zugleich müssen wir allerdings feststellen, dass dieses Paket hinter den selbstgesteckten Ansprüchen der Entlastungsallianz zurückbleibt. Denn nach dem Ernten der niedrig hängenden Früchte im ersten Entlastungspaket war das gemeinsame Vorhaben, im nächsten Schritt die dickeren Bretter zu bohren. Zwar sehen wir durchaus die im zweiten Paket verabredeten kleineren Erleichterungen. Angesichts der dringend erforderlichen Entlastung für Bürger, Wirtschaft und Gesellschaft ist dies aber einfach nicht genug. Auf diese Weise und bei dieser Gangart wird sich unser gemeinsames Ziel einer spürbaren Entlastung von Bürgern, Wirtschaft und Kommunen schwerlich erreichen lassen.“
Weiter heißt es, man müsse Aufgaben und Standards im Zuge einer kritischen Überprüfung reduzieren und die eigentlichen Zukunftsherausforderungen priorisieren. Auch mit Blick auf das immense zeitliche Engagement, das alle Seiten in die Arbeit der Entlastungsallianz einbringen, bleibe das zweite Entlastungspaket ein gutes Stück weit unbefriedigend. Deshalb werde man nochmals konkrete Vorschläge für eine schnelle und wirksame Entlastung unterbreiten, in dem wir Prioritätenlisten mit konkreten und entscheidungsreifen Maßnahmen vorlegen.
„Zu diesen konkreten Entlastungsvorschlägen gehört aus kommunaler Sicht zum Beispiel der Verzicht auf die Überfüllung bundes- und europarechtlicher Vorgaben, etwa im Zusammenhang mit dem Landesmobilitätsgesetz oder den Informationszugangsrechten. Ferner sollen Bürgerentscheide dort ausgeschlossen sein, wo es um gemeinwohlbezogene Infrastruktur z. B. in den Bereichen Schule, Kita, ÖPNV sowie bezahlbares Wohnen geht. Und auch den Umfang der Freistellungen nach dem Landespersonalvertretungsgesetz gilt es, auf das bis 2014 geltende Maß zurückzuführen.“