Fachanwalt Martin Vollmer über Bebauungspläne nach dem Wegfall von §13b
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Zahlreiche Bebauungspläne stehen auf dem Prüfstand

27. November 2023
Mit dem Wegfallen des § 13b BauGB haben sich für die Städte und Gemeinden viele Unsicherheiten verbunden. Was passiert mit den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplänen und müssen vielleicht sogar Baugenehmigungen zurückgezogen werden? Unser Gastautor Martin Vollmer erklärt die rechtliche Situation und die Auswirkungen auf Grundstückserwerbs- oder -veräußerungsgeschäfte.

Hintergrund

Mit Urteil vom 18. Juli 2023 hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass § 13b BauGB mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 der SUP-Richtlinie nicht vereinbar ist. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts darf § 13b BauGB daher nicht mehr angewendet werden. Es hätte – wie im Regelverfahren – ein Umweltbericht und eine Umweltprüfung durchgeführt werden müssen. Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wurde zunächst allein der Bebauungsplan der betroffenen Gemeinde für unwirksam erklärt. Nur in dieser Hinsicht ist die Entscheidung allgemein verbindlich (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Dennoch hat die Annahme der Unvereinbarkeit des § 13b BauGB mit dem Unionsrecht in den Entscheidungsgründen Auswirkungen auf sonstige Bebauungsplanverfahren nach dieser Vorschrift. Die Entscheidung sorgt daher für Verunsicherung in den Kommunen, die im Vertrauen auf gültiges Bundesrecht und im Eindruck eines dringenden Bedarfs zur Schaffung von Wohnraum die Beschleunigungsmöglichkeiten des § 13b BauGB genutzt haben, sowie in den Genehmigungsbehörden und bei den Bauherren. 

Es stellen sich unter anderem diese Fragen:

  • Ist bei in Aufstellung befindlichen Bebauungsplänen oder nach Verfahrensschluss zur Heilung insgesamt auf das Regelverfahren umzustellen oder nur die Umweltprüfung und der Umweltbericht nachzuholen?
  • Können auf der Grundlage von fehlerhaften Bebauungsplänen noch Baugenehmigungen erteilt werden oder sind sogar erteilte Baugenehmigungen zurückzunehmen?

Martin Vollmer über Bebauungspläne nach Wegfall des §13b
Martin Vollmer ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Informationstechnologierecht bei der Kanzlei iuscomm Rechtsanwälte – Schenek und Zimmermann Partnerschaftsgesellschaft

Fallkonstellationen – Zukunft von Bebauungsplänen und Baugenehmigungen

Von der Rechtsprechung betroffen sind Bebauungspläne, welche sich im Aufstellungsverfahren nach § 13b BauGB befinden beziehungsweise bereits aufgestellt wurden. Bei abgeschlossenen Planverfahren ist außerdem zu unterscheiden, ob das Inkrafttreten des Bebauungsplans weniger als ein Jahr zurück liegt.

1.Laufende Planaufstellungsverfahren 

Da keine anwendbare Rechtsgrundlage mehr existiert, sind nach § 13b BauGB begonnene und noch nicht durch Bekanntmachung des Bebauungsplans gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB abgeschlossene Planverfahren entweder abzubrechen oder auf ein anderes (in der Regel auf das Regelverfahren) umzustellen, für das sämtliche Verfahrenserleichterungen auf der Grundlage des § 13b BauGB nicht greifen.

Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) empfiehlt insofern, alle Verfahrensschritte zu wiederholen, die aufgrund § 13b BauGB abweichend von den zwingenden Verfahrensvorschriften der §§ 1 ff. BauGB nicht durchgeführt wurden. Nach der derzeitigen Rechtslage sind bei der Umstellung auf das Regelverfahren alle Verfahrensschritte zu wiederholen, die nach § 13b BauGB nicht durchgeführt wurden, insbesondere die Umweltprüfung und die Erstellung des Umweltberichts. Soweit bisher auch auf die Prüfung eines Eingriffsausgleichs gemäß § 1a Abs. 3 BauGB verzichtet wurde, ist auch diese im Rahmen der Umweltprüfung nachzuholen und der Plan unter Umständen anzupassen. Ebenfalls ist gegebenenfalls der Flächennutzungsplan im Parallelverfahren anzupassen, § 8 Abs. 3 BauGB.

Das BMWSB hat angekündigt1, dass für nach § 13b BauGB begonnene Bebauungsplanverfahren und für innerhalb der Jahresfrist des § 215 BauGB gerügte § 13b-Bestandspläne kurzfristig eine gesetzliche Regelung vorgeschlagen werden soll, mittels derer diese Verfahren europarechtskonform zu Ende geführt beziehungsweise die Pläne im ergänzenden Verfahren geheilt werden können. Wie diese gesetzliche Regelung ausgestaltet ist und ob diese vom Gesetzgeber letztendlich umgesetzt wird, ist derzeit noch offen.

2.Vor weniger als einem Jahr abgeschlossene Verfahren

Sind Bebauungspläne nach § 13b BauGB bereits in Kraft getreten, leiden sie nach dem Urteil des BVerwG unter einem beachtlichen Verfahrensfehler. Solche Verfahrensfehler können gemäß § 215 BauGB unbeachtlich werden, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres ab Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gerügt wurden. Auch ein Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO), mit dem ein Bebauungsplan angegriffen werden kann, muss innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung gestellt werden.

Hier läuft also die Zeit: Ist die Jahresfrist noch nicht verstrichen, kann der Verfahrensmangel weiterhin gerügt werden. Sofern infolge der Rüge ein Normenkontrollverfahren angestrengt wird, könnte in dessen Rahmen die endgültige Unwirksamkeit des Bebauungsplans festgestellt werden. Soweit noch keine Rüge erfolgt ist und/oder ein Normenkontrollverfahren beantragt wurde, sollte geprüft werden, gegebenenfalls die Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB abzuwarten. 

Sollte ein Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan beantragt worden sein, wäre – wie bei den laufenden Planaufstellungsverfahren – ein ergänzendes Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB) und eine Umstellung auf das Regelverfahren zur Behebung des Verfahrensfehlers möglich. 

An dieser Stelle sei ebenso auf die Ankündigung des BMWSB verwiesen, wonach für innerhalb der Jahresfrist des § 215 BauGB gerügte § 13b-Bestandspläne kurzfristig eine gesetzliche Regelung vorgeschlagen werden soll, mittels derer die Pläne im ergänzenden Verfahren geheilt werden können.

3. Abgeschlossene Verfahren nach Ablauf der Jahresfrist (§ 215 Abs. 1 BauGB) 

Ist die Jahresfrist bereits abgelaufen, ohne dass Verfahrensfehler gerügt wurden und wurde in der öffentlichen Bekanntmachung ordnungsgemäß darüber belehrt, ist davon auszugehen, dass fehlende Umweltprüfung und Umweltbericht nach rügelosem Ablauf der Jahresfrist gemäß § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden sind. 

Nach Ablauf der Jahresfrist kann die Wirksamkeit von Bebauungsplänen zwar weiterhin inzident etwa im Rahmen von Baugenehmigungsanträgen geprüft werden. Relevant sind dann aber nur noch sogenannte „Ewigkeitsfehler“. Dazu gehören insbesondere Fehler in der Abwägung, beispielsweise wenn Auswirkungen auf die Umwelt nicht ausreichend gewürdigt wurden. Solche inhaltlichen Fehler im Abwägungsergebnis werden nicht nach 

§ 215 BauGB unbeachtlich. Das lässt sich zwar nicht ausschließen, wenn von einer Umweltprüfung abgesehen wurde. Gleichwohl dürfte der Verzicht auf die Umweltprüfung nicht automatisch zu Abwägungsfehlern führen. Setzt sich die Begründung des Bebauungsplans mit umweltbezogenen Auswirkungen auseinander, liegt jedenfalls kein Abwägungsausfall vor. Ob Belange fehlerhaft beurteilt wurden, ließe sich dann nur einzelfallbezogen ermitteln, sofern diese einer Inzidentprüfung unterzogen werden.

4. Auswirkungen auf Bauanträge und erteilte Baugenehmigungen

Sofern der Bebauungsplan in Kraft getreten ist, gewährt er für Grundstücke im Plangebiet grundsätzlich baurechtliche Zulässigkeit. Solange die Jahresfrist noch nicht abgelaufen ist und Normenkontrollverfahren eingeleitet werden können, wird betreffend die Erteilung von Baugenehmigungen ein Abwarten der Rügefrist empfohlen. Auch während der Rügefrist besteht die Gefahr der Inzidentprüfung des Bebauungsplans durch das Verwaltungsgericht bei einer Klage oder einem Eilrechtsschutzantrag durch Dritte (zum Beispiel von Nachbarinnen und Nachbarn) gegen erteilte Baugenehmigungen. 

Nach Ablauf der Rügefrist ist nach derzeitigem Kenntnisstand davon auszugehen, dass der Bebauungsplan nicht mehr gerichtlich angegriffen werden kann, da der Fehler gemäß § 215 Abs. 1 S. 1 BauGB unbeachtlich geworden ist. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn Bauanträge normal auf Grundlage des §13b-Plans beschieden werden.

Es ist in beiden Fallkonstellationen für den Fall der Erteilung einer Baugenehmigung jedoch zu empfehlen, die Bauherrenschaft ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und die Möglichkeit einer Inzidentkontrolle durch das Verwaltungsgericht hinzuweisen mit der Möglichkeit, dass eine Klage oder ein Eilrechtschutzantrag zur Verwehrung der Baugenehmigung führen kann.

Ist die Baugenehmigung erteilt und die bauliche Anlage bereits errichtet worden, kann für diese Anlage der Bestandsschutz bejaht werden, da dieser eintritt, wenn die Anlage zumindest zeitweise durch eine wirksame vollziehbare Baugenehmigung gedeckt war.

Auswirkung auf Grundstückserwerbs- oder -veräußerungsgeschäfte

Das Weiterverfolgen von Rechtsgeschäften, welche sich auf Flächen des Bebauungsplans beziehen, sollte zum aktuellen Zeitpunkt intensiv geprüft werden. Sollte das erworbene Grundstück aufgrund des unwirksamen Bebauungsplans nicht bebaut werden können, stellt dies einen Sachmangel dar. Die Kenntnis über ein eingereichtes Normenkontrollverfahren kann im Rechtsverkehr als arglistige Täuschung verstanden werden. Auf diesem Weg wird nicht nur der Bestand des Rechtsgeschäfts gefährdet, sondern eine Kommune kann sich eventuell auch schadensersatzpflichtig machen.

Sofern Grundstücksveräußerungen stattfinden sollen, ist – wie bei der Erteilung einer Baugenehmigung – die Aufnahme eines Hinweises auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und mögliche rechtliche Folgen sinnvoll.