
Wasser wird zur Konfliktressource – und Kommunen stehen an vorderster Front
Baden-Württemberg schwitzt. In dieser Woche erwartet der Deutsche Wetterdienst Temperaturen von bis zu 39 Grad im Kraichgau – tropische Nächte inklusive. Am Wochenende wurden bereits 34 Grad in Stuttgart und 36 Grad zwischen Mannheim und Karlsruhe gemessen. Der Hitzerekord von 2019 – 39,8 Grad – könnte fallen. Doch die eigentliche Belastung kommt nicht erst mit dem Quecksilber. Sie steckt im Boden – im wahrsten Sinne.
Trocken wie selten: Dürre trifft den Südwesten mit voller Wucht
Laut Deutschem Wetterdienst gehört das Frühjahr 2025 zu den trockensten seit 1881. In Baden-Württemberg fielen zwischen März und Mai nicht einmal 115 Liter Regen pro Quadratmeter – ein historischer Tiefstwert. Und das, obwohl Landwirte gerade im Frühjahr dringend Regen brauchen, um Saatgut zum Keimen zu bringen und die Böden für das Wachstum vorzubereiten. „Mit dieser Dürre und dem Wassermangel wird das Wachstum der Pflanzen beeinträchtigt, was schlussendlich zu einer Verringerung der Ernteerträge führt“, heißt es in einem aktuellen Lagebericht. Auch die Schifffahrt am Rhein ist betroffen – viele Schiffe dürfen nicht mehr voll beladen fahren.
Der Unterboden bleibt vielerorts viel zu trocken
Eine zentrale Datenquelle in der aktuellen Diskussion ist der UFZ-Dürremonitor, betrieben vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Er liefert täglich flächendeckende Karten zur Bodenfeuchte in Deutschland – basierend auf einem eigens entwickelten hydrologischen Modell (mHM). Der Dürremonitor unterscheidet zwischen dem Zustand des Oberbodens, der auf kurzfristige Regenereignisse reagiert, und dem Gesamtboden, in dem sich langfristige Trockenheit zeigt – die sogenannte „strukturelle Dürre“. Diese betrifft vor allem das pflanzenverfügbare Wasser und ist damit für die Landwirtschaft und Vegetation entscheidend.
Auch wenn laut UFZ im Mai kurzzeitig eine gewisse Entspannung im Oberboden messbar war – durch einzelne Regenfälle und geringere Verdunstung – bleibt der Zustand des Gesamtbodens in weiten Teilen Deutschlands kritisch. Besonders betroffen: Ostdeutschland, Teile von Niedersachsen und Nordbaden.
„Die Versorgungssicherheit muss sichergestellt sein“
André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), warnt im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung vor einem sorglosen Umgang mit der Ressource Wasser: „Wenn die Daten eine akute Wasserarmut belegen, darf kein Wasser für die Freizeitgestaltung genutzt werden, dann muss das Bewässern von Golf- und Tennisplätzen oder Gärten für eine begrenzte Zeitspanne untersagt werden, ja.“
Berghegger betont die Rolle der Kommunen: Konkrete Entscheidungen müssten vor Ort getroffen werden, nicht in Berlin. Denn die Lage sei regional sehr unterschiedlich. Verbote, so Berghegger weiter, seien allerdings immer nur das letzte Mittel, das nur dann eingesetzt werden dürfen, wenn freiwillige Maßnahmen zur Begrenzung des Wasserverbrauchs nicht ausreichten und es keine Möglichkeiten mehr gebe, Wasser aus Nachbarregionen herzuleiten.
Grundsätzlich setze er auf Vernunft und freiwilligen Verzicht: Dennoch rate ich den Gemeinden in trockenen Regionen, solche Entscheidungen bis hin zu Verboten vorzubereiten und mit Gespür zu handeln. Es braucht eine klare Kommunikation, damit sich die Menschen mitgenommen fühlen. Dass das Wasser bei Dürre und Hitze nicht unbegrenzt aus dem Wasserhahn sprudelt, wenn die Vorräte aufgezehrt sind, das sollte für jeden nachvollziehbar sein.
Landeswasserversorgung: Langfristige Perspektive macht Sorge
Auch in Baden-Württemberg setzt man sich bereits seit geraumer Zeit mit dem Problem auseinander. Im März appellierte Bernhard Röhrle von der Landeswasserversorgung in die:gemeinde-Aktuell an die Kommunen, eine zweite Wasserquelle zu erschließen - für den Fall, dass Primärquelle versiegt. Den Ausführungen von Berghegger kann Röhrle nur zustimmen. Er sieht das Land noch in einer stabilen Lage – aber warnt deutlich vor Selbstzufriedenheit: „Die Versorgung ist derzeit im Landesmittel noch stabil – die Grundwasserstände sind durchschnittlich, aber sie könnten besser sein. Wer angesichts zweier nasser Winterhalbjahre mehr erwartet hat, wird jetzt enttäuscht.“
Die langfristige Perspektive bereitet ihm mehr Sorge: „Es findet aktuell keine Grundwasserneubildung mehr statt. Wir müssen also mit dem auskommen, was wir haben – über den Sommer hinaus, möglicherweise auch über mehrere Jahre. Denn der Klimawandel wird uns künftig regelmäßig mit Trockenjahren wie 2018 bis 2022 konfrontieren.“
Röhrle: Zwischen Grundbedürfnis und Luxus unterscheiden
Röhrle plädiert deshalb für eine klare Unterscheidung zwischen Grundbedürfnis und Luxus: „Trinken, Waschen, Kochen – das um die 100 Liter pro Tag und Kopf. Alles darüber hinaus, etwa Golfplatzbewässerung oder ständiges Rasensprengen, ist Luxus. Und da muss man sich fragen: Ist das noch zeitgemäß?“ Besonders ineffizient sei die klassische Beregnung, bei der oft 80 Prozent des Wassers verdunsten, bevor es überhaupt bei den Pflanzen ankommt. Seine Empfehlung: Tröpfchenbewässerung statt Sprinkleranlagen – vor allem in der Landwirtschaft.
Er ruft Bürger und Kommunen zum Umdenken im Alltag auf – von der Waschmaschine bis zum Wasserhahn: „Wasser sollte nicht laufen, während man sich die Zähne putzt. Auch tägliches Duschen ist nicht in Stein gemeißelt. Es geht um einen bewussteren Umgang, nicht um Verzicht um jeden Preis.“ Für ihn ist klar: Die Wasserversorgung im Land ist leistungsfähig – aber auch verwundbar. „Vor allem kleine Gemeinden mit Einzellösungen und ohne Anschluss an überregionale Systeme sind im Zweifel schneller an der Grenze.“
Helmholtz-Initiative: Wasser als Schlüsselressource des 21. Jahrhunderts
Dass die Wasserfrage längst zur strukturellen Zukunftsfrage geworden ist, zeigt auch die neue Helmholtz-Initiative für „Wassersicherheit“, die im Mai 2025 gestartet wurde. Das Forschungsnetzwerk will mit insgesamt 9 Millionen Euro drei sogenannte „Solution Labs“ finanzieren – Reallabore, in denen neue Strategien zum Wassermanagement erprobt werden.
Im Fokus stehen:
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SOLVE: Speicherung statt Entwässerung – ein Paradigmenwechsel im Elbe-Einzugsgebiet
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URBAN LE: Lokale Wasserkreisläufe und digitale Zwillinge in Leipzig
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SLRE: Konflikte um Wasser in der Rur-Erft-Region – simuliert in realen Szenarien
Das UFZ koordiniert zwei der drei Labs und bringt seine Kompetenz in Hydrologie, Umweltbiotechnologie und ökonomische Modellierung ein. Zentrale Zielgruppe: Kommunen. „Wir brauchen eine neue Kultur des Umgangs mit Wasser“, heißt es in der Kampagne. Denn klar ist: Künftige Verteilungskonflikte sind programmiert – zwischen Landwirtschaft, Industrie, Natur und Bevölkerung.
Was heißt das für Gemeinden in Baden-Württemberg konkret?
Viele kleinere und mittlere Kommunen im Land – von Bad Waldsee bis Eppingen, von Rottweil bis Rheinau – stehen aktuell unter doppeltem Druck: Einerseits erwarten Bürger:innen Sicherheit und Versorgung, andererseits müssen sie mit dem Verzicht beginnen, wenn Ressourcen knapp werden.
Das kann heißen:
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Gartenbewässerung einschränken
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öffentliche Brunnen drosseln oder zeitweise abstellen
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Neupflanzungen städtischer Grünflächen überdenken
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Wasserspar-Kampagnen starten
Gleichzeitig stellt sich die Frage nach sozialer Fairness: Wer darf wann wie viel Wasser nutzen? Wie erklärt man der Bevölkerung Einschränkungen, während große Privatgärten weiter gesprengt werden? Hier wird kommunale Kommunikation entscheidend – ebenso wie rechtssichere Satzungen und transparente Prioritäten.