Was halten Städte und Gemeinden von dem kommunalen Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten?
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Was bringt ein kommunales Vorkaufsrecht?

In Berlin ist die Beratung über ein neues kommunales Vorkaufsrecht gestartet. Während sich die meisten Expertinnen und Experten darauf einigen können, dass das Instrument zu begrüßen wäre, ist die Ausgestaltung noch in der Diskussion. Wir haben bei den baden-württembergischen Kommunen nachgefragt: Was erhoffen sie sich von einem erweiterten Vorkaufsrecht?

Der Wohnungsmarkt ist vielerorts in Deutschland völlig überlastet. Das Resultat sind steigende Miet- und Kaufpreise. Wohnungssuchende haben große Probleme, geeigneten Wohnraum zu finden. Die angespannte Lage auf den Wohnungsmärkten ist auch im Bundestag derzeit heiß diskutiert. Die Frage: Kann ein neues kommunales Vorkaufsrecht die Lage entspannen? Das Bundesverwaltungsgericht hatte das kommunale Vorkaufsrecht für Mietwohnungen in angespannten Wohngebieten im November 2021 gekippt. Nun soll es wieder Anwendung finden können. Dazu hatte die Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Mitte Mai in einer öffentlichen Anhörung besprochen wurde. Dieser sieht vor, § 26 Nr. 4 des Baugesetzbuches (BauGB) so zu ändern, dass es in den Erhaltungsgebieten auf zukünftige Nutzungen des Grundstücks ankommt. Bei den anwesenden Experten ist der Entwurf auf Zustimmung gestoßen. Doch: Die Vorlage sei nicht weitreichend genug, um die Wohnbevölkerung in angespannten Wohnlagen vor Verdrängung zu schützen und die Mieten bezahlbar zu halten. Auch Rechtsunsicherheiten waren wegen vagen Formulierungen befürchtet worden.

Welche Kommunen profitieren vom kommunalen Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten?

Die Kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene schlagen daher vor, auch § 27 BauGB zu ändern, in dem geregelt wird, wann der Käufer oder die Käuferin einer Immobilie das Vorkaufsrecht der Kommune abwenden kann. Es müsse sichergestellt werden, dass das Vorkaufsrecht nur dann abgewendet werden könne, wenn die Erwerberin oder der Erwerber sich verpflichtet, die von der Gemeinde festgelegten Erhaltungsziele einzuhalten. Da es sich bei dem besprochenen Gesetz um ein Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten handelt, wird es vornehmlich in größeren Kommunen Anwendung finden. Doch auch mittlere und kleinere Kommunen mit einem angespannten Wohnungsmarkt sollten die Möglichkeit haben es anzuwenden, sagt der Deutsche Städte- und Gemeindebund.

Gemeinde Umkirch: Auch kleinere Kommunen müssen das Vorkaufsrecht ausüben können

Wie sehen das die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg? Walter Laub, Bürgermeister der Gemeinde Umkirch, etwa hat eine klare Forderung: „Ein kommunales Vorkaufsrecht ist sicher ein sinnvolles Instrument, um dem akuten Wohnraummangel zu begegnen. Es muss allerdings in den Voraussetzungen so ausgestaltet sein, dass auch kleinere Kommunen dieses Vorkaufsrecht ausüben können.“ Denn auch er hat in seiner 5.800-Einwohner-Gemeinde mit Wohnraummangel zu kämpfen. „Für unsere eigene Kommune würde ich mir ein kommunales Vorkaufsrecht wünschen, wenn es rechtssicher und praktikabel handhabbar ist“, sagt der Bürgermeister. „Ein allgemeines Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet haben wir in der Vergangenheit schon geltend gemacht und das Grundstück letztlich auch erworben.“

Stadt Staufen: Vorhandene Möglichkeiten gehen nicht weit genug

Auch Michael Benitz, Bürgermeister der Stadt Staufen, hält die derzeit verfügbaren Instrumente für unzureichend. Er fordert: „Die vorhandenen Möglichkeiten gehen nicht weit genug beziehungsweise es kommt zu selten vor, dass die Kommune das Vorkaufsrecht tatsächlich ausüben kann. Zur längerfristigen Planung einer städtebaulichen Entwicklung sollten die Kommunen ein grundsätzliches Vorkaufsrecht bekommen, auch für landwirtschaftliche Flächen.“ Staufen hat in der Vergangenheit ebenfalls bereits vom Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht.

Gemeinde Denkendorf: Erhebungen über den Erfolg bisheriger Rechtsgrundlagen nötig

In Denkendorf fordert man, zunächst aus der alten Praxis zu lernen, bevor eine neue eingeführt werde. Bürgermeister Ralf Barth begrüßt es grundsätzlich, dass es Kommunen ermöglicht werden soll, leichter vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Allerdings gebe es in diesem Zusammenhang noch viele offene Fragen. Etwa, ob das Gesetz den Fokus tatsächlich darauf legt, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, um zur Entspannung des Wohnungsmarktes beizutragen. „Wir würden es befürworten, wenn Erhebungen über den Erfolg der bisherigen Rechtsgrundlagen durchgeführt würden und daraus praktische Handlungsempfehlungen zur Ausübung des Vorkaufsrechts abgeleitet werden könnten“, sagt Barth. Durch die Zusammenführung dieser Erfahrungen könne man ein Werkzeug schaffen, das die Gemeinden dabei unterstützt, rechtssicher vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen.

Stadt Bad Krozingen: Vorkaufsrecht besonders für brachliegende Flächen und unbabaute Grundstücke von Bedeutung

Bad Krozingens Bürgermeister Volker Kieber ist überzeugt, dass die zusätzlichen Steuerungsmöglichkeiten ein wirksames Instrument sind, um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu fördern und eine Entspannung des Wohnungsmarkts herbeizuführen. „Insbesondere die Möglichkeit zur Nutzung des kommunalen Vorkaufsrechts in Städten und Gemeinden mit Wohnraummangel für brachliegende Flächen und unbebaute Grundstücke, die in einem Bebauungsplan liegen, und vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden könnten, erachte ich als wichtiges Instrument“, führt Kieber aus. Darüber hinaus werte er die in § 176 des Baugesetzbuchs verankerten Erweiterungen beim Baugebot als wichtig. Denn so könnte man Eigentümerinnen und Eigentümer dazu verpflichten, ihre Grundstücke zu bebauen, wenn im Bebauungsplan Wohnnutzungen zugelassen sind.

Stadt Leonberg: Aktuelle Ausgestaltung des Gesetzes erfüllt die Anforderungen nur teilweise

Laut Pressesprecher Sebastian Küster ist der Wohndruck in Leonberg sehr groß: „Die Miet- und Kaufpreise für Immobilien steigen seit Jahren. Bürgerinnen und Bürger haben Schwierigkeiten, geeigneten Wohnraum zu finden.“ Die Stadt habe das Problem erkannt und Projekte umgesetzt, die das Angebot erweitern. Trotzdem – oder gerade deswegen – sieht man in Leonberg das kommunale Vorkaufsrecht als sinnvolles Instrument. Doch: „So, wie das Gesetz derzeit ausgestaltet ist, wird es nur teilweise die Anforderungen erfüllen, den Handlungsspielraum für Kommunen zu vergrößern. Denn die Kommune kann die Fläche zwar vor den Investoren erwerben, muss die Umsetzung anschließend aber trotzdem an Investoren vergeben. Diese wollen hochpreisigen Wohnraum anbieten, obwohl gerade in Ballungszentren Wohnraum für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen besonders rar ist.“

Stadt Neckarsulm: Kritik an der Abhängigkeit von privaten Investoren

Skeptischer bezüglich eines kommunalen Vorkaufsrechts zeigt sich Neckarsulm. Angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Anwendungsschranken sei die Stadt zumindest skeptisch, ob sich mit einem zusätzlichen Vorkaufsrecht spürbare Effekte für die Mobilisierung von Flächen für den Wohnungsbau erzielen ließen, sagt Pressesprecher Andreas Bracht. Denn es seien doch gerade private Investoren, die in der Regel ein wirtschaftliches Interesse daran hätten, ihre Bauprojekte schnell zu realisieren. Deshalb sei nicht anzunehmen, dass gerade sie Flächenbevorratung betreiben würden. „Da die Stadt keine kommunale Baugesellschaft betreibt, sondern auf private Investoren angewiesen ist, wäre die Sinnhaftigkeit der Ausübung eines solchen Vorkaufsrechts nach Einschätzung der Stadt zu hinterfragen“, sagt Bracht.

Gemeindetag Baden-Württemberg: Kommunale Handlungsmöglichkeiten müssen über Vorkaufsrecht hinaus gestärkt werden

Der Gemeindetag befürwortet ein erweitertes Vorkaufsrecht, sieht jedoch weiteren Handlungsbedarf: „Das kommunale Vorkaufsrecht ist eines von mehreren nützlichen Instrumenten, das Städten und Gemeinden bei der Schaffung von Wohnraum zur Verfügung steht. Da dies teilweise an normative Voraussetzungen gebunden oder auf bestimmte Gebietskulissen beschränkt ist, sind Bestrebungen zur Erweiterung des Instrumentenkastens grundsätzlich zu begrüßen. Darüber hinaus braucht es eine weitere Stärkung der kommunalen Handlungsmöglichkeiten, denn mit dem Vorkaufsrecht allein wird die Deckung des Bedarfs an Wohnraum nicht zu realisieren sein.“