Die Neuwahl für den Bundestag könnte schon im Januar kommen
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Was bedeutet eine Neuwahl im Februar für die Kommunen?

Es wird vorgezogene Bundestagswahlen in Deutschland geben – Doch: Was bedeuten das eigentlich für die Kommunen, die sie ausrichten werden? Von der Suche nach Wahlhelferinnen und Wahlhelfern über das Warten auf die Parteilisten bis hin zur Zustellung von Wahlunterlagen.
UPDATE: Die Fraktionen von SPD und Union im Bundestag haben sich auf Neuwahlen am 23. Februar geeinigt. Das berichtet das ARD-Hauptstadtstudio. Die offizielle Entscheidung hierzu muss jedoch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gefällt werden. Den Termin im Februar bewertet auch die Bundeswahlleiterin als unkritisch und rechtssicher durchführbar. 

Jede Wahl ist für Kommunen, Bund, Länder, Wahlleiterinnen und Wahlleiter sowie die Parteien eine logistische Herausforderung. Gleichzeitig sind sie in den ihnen zugeordneten Aufgaben durch viel Erfahrung versiert. Doch was passiert, wenn eine Wahl plötzlich vor der Tür stehen könnte? 

Scholz ist bereit Neuwahlen deutlich vorzuziehen

Seit dem Aus der Ampel-Koalition, das letzte Woche Mittwoch besiegelt wurde, steht fest, dass es vorgezogene Neuwahlen in Deutschland geben wird. Der zunächst von Bundeskanzler Olaf Scholz vorgeschlagene Zeitplan beinhaltete die Vertrauensfrage am 15. Januar und Neuwahlen Ende März. Doch seither hagelt es Kritik aus der Opposition, die auf eine frühere Neuwahl besteht. Und nun hat auch Olaf Scholz im Interview mit Caren Miosga bei ARD die Bereitschaft signalisiert, frühere Neuwahlen anzustreben.

Wann er die Vertrauensfrage stellt, ist Olaf Scholz selbst überlassen. Gesetzlich geregelt ist dagegen, dass nach Auflösung des Bundestags durch die Bundespräsidentin oder den Bundespräsidenten Neuwahlen in einer Frist von 60 Tagen stattfinden müssen (Artikel 39 des Grundgesetzes).

Verlorene Vertrauensfrage ist nicht gleich Auflösung des Bundestags

Zu beachten ist jedoch eine weitere Variable: Das Parlament muss durch Frank-Walter Steinmeier nicht am Tag der Vertrauensfrage aufgelöst werden. So war es auch bei der letzten Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag im Jahr 2005 nicht: Gerhard Schröder stellte die Vertrauensfrage im Parlament am 1. Juli. Nachdem er diese verloren hatte, löste Bundespräsident Horst Köhler den Bundestag am 21. Juli auf. Der neue Bundestag wurde am 18. September gewählt — 59 Tage nach Auflösung, aber 79 Tage nach der Vertrauensfrage.

Fraktionen beraten sich mit Bundeswahlleiterin über Termin

Während die Bundeswahlleiterin Ruth Brand gestern (11. November 2024) mit den Landeswahlleiterinnen und Landeswahlleitern virtuell beriet, fand heute ab 9 Uhr die von SPD und Grünen beantragte öffentliche Sondersitzung des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags statt. Dort möchten die Fraktionen mit der Bundeswahlleiterin diskutieren, wann die Neuwahl aus ihrer Sicht, mit ihrer praktischen Erfahrung frühestens stattfinden kann, wie es in dem Antrag an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas heißt, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. 

Weihnachten und Neujahr machen schnelle Neuwahl schwierig

Die Bundeswahlleiterin warnte zuvor bereits vor zu frühen Wahlen. „Soweit Termine und Fristen in die Weihnachtszeit oder in den Zeitraum zwischen den Jahren fallen würden, wäre der nur sehr knappe Zeitraum von 60 Tagen maßgeblich verkürzt“, gibt sie in einem Schreiben zu bedenken. „Dies könnte zu unabwägbaren Risiken auf allen Ebenen, insbesondere auf Gemeindeebene, führen.“ Bundeswahlleiterin Brand ist überzeugt, dass die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung der Wahl essenziell für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie seien.

Kommunen und Wahlkreise sind bei der Durchführung der Bundestagswahl von vielen Fristen und anderen zeitlich sensiblen Faktoren abhängig:

Aufstellung der Parteilisten

Nicht zuletzt davon, dass die Parteien für ihre Listen in den 299 Wahlkreisen die nötigen Kandidatinnen und Kandidaten finden. Wahlvorschläge sind laut Bundeswahlgesetz spätestens 69 Tage vor der Wahl einzureichen. Dazu kommt, dass kleinere Parteien Unterstützerunterschriften sammeln und diese von den Städten und Gemeinden bescheinigen lassen müssen.

Druck der Wahlunterlagen

Auch auf die aktuellen Postlaufzeiten macht Ruth Brand aufmerksam. Dabei geht es um das Versenden von Wahlunterlagen per Briefwahl. Diese müssen zunächst gedruckt werden – genau wie die Stimmzettel. Der Druck und die Beschaffung der Wahlunterlagen seien eine große Herausforderung in der heutigen Zeit, so die Bundeswahlleiterin. Dies wird von den Wahlkreisleitungen der 299 Wahlkreise organisiert. Es gebe aber stellenweise Zusammenarbeit von Druckereien und Kommunen, sodass Unterlagen schnell geliefert werden könnten.

Gibt es ausreichend Papier?

Auch über die Verfügbarkeit von ausreichend Papier wurde sich zunächst Sorgen gemacht. Diese räumte Alexander von Reibnitz, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes der deutschen Papierindustrie, gegenüber dem ZDF aus: Die Industrie könne schnell genug das notwendige Papier für eine Neuwahl bereits im Januar liefern.

Der Geschäftsführer von Deutschlands größter Stimmzetteldruckerei weist jedoch gegenüber dem Stern auf andere Probleme in Bezug auf die Wahlzettel hin: Das Papier sei zwar längst reserviert, doch durch die kurzen Fristen würde die Fehleranfälligkeit der Wahl erheblich steigen. Das Unternehmen beliefert einen Großteil der 11.000 deutschen Kommunen mit Stimmzetteln. In jedem Wahljahr werden in der Druckerei Millionen Stimmzettel gedruckt und geliefert. Immer wieder passieren dabei, laut dem Geschäftsführer, Fehler. Das sei normal, doch bei einem engen Zeitplan bliebe nicht die Möglichkeit die nötigen Korrekturen zu machen.

Enges Zeitfenster für die Briefwahl

Besonders die Briefwahl sei bedroht. Das Zeitfenster dafür würde besonders kurz ausfallen. Je nachdem wie früh die Wahl durchgeführt werde, könne es sich um nicht mehr als eine Woche handeln, in der Bürgerinnen und Bürger ihre Stimmzettel nach Erhalt per Post schicken könnten. Auch er weist auf die Problematik der Feiertage hin. In dieser Zeit sind viele Menschen in den Ferien, zudem ist der Zeitraum für die Deutsche Post sehr arbeitsintensiv.

Suche nach Wahlhelferinnen und Wahlhelfern

Ein besonders großes Problem für die Kommunen: Sie müssen die nötigen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer finden und schulen. Bei der letzten Bundestagswahl waren das deutschlandweit 650.000. Außerdem müssen Wahlräume gefunden und ausgestattet werden. Das waren bei der Wahl 2021 rund 60.000. Und über 60 Millionen Wählerinnen und Wähler müssen ihre Wahlbenachrichtigungen pünktlich erhalten. Hinzu kommt der Versand der Briefwahlunterlagen.

Jäger: Kommunen Neuwahl ist zu stemmen

Gegenüber die:gemeinde äußert sich Gemeindetagspräsident Steffen Jäger zuversichtlich, dass eine Neuwahl auch zu einem früheren Zeitpunkt umsetzbar ist: 

Die Städte und Gemeinden sind in der Durchführung von Wahlen geübt und grundsätzlich in der Lage, eine Wahl innerhalb der Fristen vorzubereiten und umzusetzen. Gleichwohl bedeutet die kurzfristige Umsetzung der Bundestagswahl einen logistischen Kraftakt für die Städte und Gemeinden. Der Gemeindetag bietet für die Verwaltungen in Baden-Württemberg Seminare zur Durchführung der Bundestagswahl an, um die Mitarbeitenden bestmöglich zu unterstützen.

Es gilt: Je früher der Wahltag festgelegt ist, desto zügiger können die zwischenzeitlich begonnenen Vorbereitungen mit den Kommunen und der Landeswahlleiterin dann auch detailliert auf einen Wahltermin hin vorangebracht werden. Jedenfalls dürfte die Neuwahl trotz der voraussichtlich kürzeren Fristen zu stemmen sein.

Oberbürgermeister von Wertheim: Umsetzung bis Januar schwierig

Bei einer stichprobenartigen Befragung der Kommunen durch den SWR in der Region Heilbronn-Franken haben sich gemischte Meinungen gezeigt. Markus Herrera Torrez, Oberbürgermeister der Stadt Wertheim, sieht große Probleme in einer schnellen Umsetzung. Die Kommunen müssten Wahlhelferinnen und Wahlhelfer finden und schulen, Wählerverzeichnisse erstellen und die Wahlbenachrichtigungen pünktlich verschicken. Dazu kommt der aktuelle Zeitpunkt: Rund um Weihnachten und über Neujahr haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt- und Gemeindeverwaltungen Urlaub. In dieser Zeit die nötigen Vorbereitungen zu treffen, hält der Oberbürgermeister nicht für möglich. Berücksichtige man diesen Faktor, seien Neuwahlen vor März nicht umsetzbar.

Oberbürgermeister von Bad Mergentheim: Menschen brauchen Zeit für Wahlentscheidung

Anders sieht es Udo Glatthaar, Oberbürgermeister der Stadt Bad Mergentheim. Er sagt dem SWR, ein früherer Wahltermin sei durchaus umzusetzen. Klar sei aber auch: Je kürzer die Zeitspanne, umso größer der Aufwand für die Verwaltung. Und darüber hinaus sei es wichtig, den Menschen ausreichend Zeit zu geben, um ihre Wahlentscheidung zu treffen.