Tiny House Siedlung in Burgrieden wird in den nächsten Wochen Realität
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Tiny House: Burgrieden fördert innovatives Wohnen

Möchten ländliche Kommunen junge Menschen halten und anziehen, müssen sie moderne Wohnformen anbieten. Dessen ist sich auch die Gemeinde Burgrieden bewusst und macht damit sogar Schlagzeilen: Hier soll die größte Tiny House-Siedlung Baden-Württembergs entstehen.

In einer kleinen Gemeinde in Oberschwaben mit gut 4.000 Einwohnerinnen und Einwohnern wird in den kommenden Monaten eine moderne Siedlung entstehen. Eine der ersten ihrer Art in Deutschland: Die Gemeinde Burgrieden bekommt ein „Quartier für kleines Wohnen“ mit 26 Parzellen auf 1,2 Hektar Land. Gemeint ist eine Siedlung aus Tiny Houses und Modulhäusern, die jeweils auf eine Grundfläche von maximal 44 Quadratmetern beschränkt sind. Tiny House-Siedlungen gewinnen in Deutschland in den letzten Jahren immer mehr an Beliebtheit. Bisher sind jedoch noch sehr wenige realisiert. Sie bieten einige Vorteile in Bezug auf die Nachhaltigkeit. Unter anderem, da für die kleinen Häuschen nur wenig Fläche versiegelt wird. 

Nachhaltigkeit und der Traum vom Eigenheim

Während das für den Geschosswohnungsbau im Verhältnis zur Menge der Bewohnerinnen und Bewohner ebenfalls gilt, bieten Tiny Houses und Modulhäuser für ihre Besitzerinnen und Besitzer auch weitere Vorteile: Es handelt sich um eine eigene Immobilie mit einem privaten Grundstück. Eine Alternative zum Einfamilienhaus für all diejenigen, die sich ein solches finanziell nicht leisten können oder aus Nachhaltigkeitsgründen nicht leisten möchten. In Burgrieden waren es eine Holzhaus-Manufaktur aus dem benachbarten Gutenzell und ein Planungsbüro aus Biberach, die nach einem Standort für eine Tiny House-Siedlung gesucht haben und deshalb 2019 unter anderem auf die Gemeinde zugegangen sind. „Bei innovativen Projekten ist Burgrieden in der Vergangenheit schon häufiger dabei gewesen“, sagt Bürgermeister Frank Högerle. Die Gemeinde hat sich daher schnell bereit erklärt, die Aufstellung eines Bebauungsplans zu prüfen. 

Aufsicht der Tiny House-Siedlung in Burgrieden (c)Manufaktur Huchler GmbH
Aufsicht der Tiny House-Siedlung in Burgrieden (c)Manufaktur Huchler GmbH

Zu diesem Zeitpunkt war Frank Högerle selbst noch nicht Bürgermeister der Gemeinde – er hat das Amt erst im letzten Jahr angetreten. „Ich stehe aber absolut hinter dem Ziel des Projekts, innovativem Wohnraum auf dem Land eine Chance zu geben“, sagt er. Besonders die Zukunftsträchtigkeit des Projekts hat ihn beeindruckt. Denn die Bemühungen um Nachhaltigkeit enden nicht bei der geringen Flächenversiegelung durch Punkt- und Schraubfundamente. Der Bebauungsplan gibt viele weitere Kriterien vor, die die Siedlung klimafreundlich machen sollen. So dürfen für die kleinen Häuser nur recyclebare, nachwachsende und regionale Rohstoffe verwendet werden. Die Dächer müssen begrünt werden. Beheizt werden die Tiny Houses und Modulhäuser über Wärmepumpen und eine Freiflächen-Photovoltaik-Anlage soll für den Strom sorgen. Es sollen Grünanlagen angelegt werden, die über eine Regenwasserzisterne bewässert werden. 

Planung einer Tiny House-Siedlung mit dem beschleunigten Bebauungsplanverfahren

Der Investor möchte zudem Anbieter für Carsharing und E-Ladesäulen finden, sowie Coworking-Angebote ermöglichen. Auch über das Coworking hinaus sind Gemeinschaftsanlagen für Freizeittreffen geplant. Drei Jahre haben die Genehmigung und die Änderung des Flächennutzungsplans durch die Gemeinde Burgrieden, die Verwaltungsgemeinschaft Laupheim sowie das Regierungspräsidium Tübingen gedauert. Auf dem Weg hat die Gemeinde einiges dazugelernt. Die Siedlung sollte zunächst als Sonderbebauungsgebiet in Abstimmung mit den übergeordneten Behörden geplant werden. „So wollte man dafür sorgen, dass die Fläche nicht auf die allgemeine Wohnbebauung von Burgrieden angerechnet wird“, erklärt Högerle. Mitten im Prozess stellte sich jedoch heraus, dass das nicht möglich ist.  

Coworking-Space in der Tiny House-Siedlung Burgrieden (c)Manufaktur Huchler GmbH
Coworking-Space in der Tiny House-Siedlung Burgrieden (c)Manufaktur Huchler GmbH

In der Folge trat man in ein beschleunigtes Bebauungsplanverfahren nach Paragraph 13b des Baugesetzbuchs ein. Diesen Schritt bezeichnet Högerle als „Gamechanger“. Bei den komplexen Anforderungen an die kommunale Bauleitplanung sei das beschleunigte Verfahren ein echter Gewinn. Mit einem beschleunigten Bebauungsplanverfahren können Kommunen Wohnbaugebiete im Anschluss an bestehende Siedlungen im Außenbereich ausweisen. Für diese Wohngebiete erhalten sie Erleichterungen bezüglich der Umweltprüfung und des Ausgleichs für Eingriffe in Natur und Landschaft. Die Regelung ist aktuell ausgelaufen. Eine Verlängerung ist jedoch vorgesehen. 

Vorurteile gegen Tiny House-Siedlung wurden schnell ausgeräumt

Während der Satzungsbeschluss in Burgrieden ohne Gegenstimmen angenommen wurde, sah es beim Grundsatzbeschluss noch anders aus. Im Gemeinderat hatte es Bedenken bezüglich der Tiny House-Siedlung gegeben. „In einigen Köpfen hatte sich ein negatives Bild von der Siedlung gebildet“, sagt Högerle. Man habe etwa bei der ersten Präsentation der Idee als Illustration ein Tiny House auf Rädern verwendet, das einem Bauwagen ähnelte. „Von diesem sehr pioniermäßigen Ansatz sind wir aber weit entfernt. Unsere Häuschen kann man eher mit freistehenden Zwei- bis Dreizimmerwohnungen vergleichen. Tiny Houses auf Rädern sind laut Bebauungsplan ohnehin nicht erlaubt.“ 

E-Ladeinfrastruktur der Tiny House-Siedlung Burgrieden (c)Manufaktur Huchler GmbH
E-Ladeinfrastruktur der Tiny House-Siedlung Burgrieden (c)Manufaktur Huchler GmbH

Außerdem habe man im Gemeinderat befürchtet, dass die moderne Siedlung falsche Erwartungen wecken könne. Die Sorge: Die Tiny Houses würden hauptsächlich Großstädter anziehen, die eine urbane Infrastruktur erwarten würden. „Den ÖPNV zum Beispiel, den man in Großstädten vorfindet, können wir hier natürlich nicht leisten“, sagt Högerle. „Ich gehe aber davon aus, dass man auch in Stuttgart weiß, dass wir hier in Burgrieden kein weitläufiges Straßenbahnnetz bieten können.“ 

Interesse an Tiny Houses ist groß 

Mittlerweile sind alle Parzellen vergeben. Auf die 26 möglichen Bauplätze haben sich etwas mehr als 50 potenzielle Bauherrinnen und -herren beworben. „Die Interessenten wollen alle dauerhaft hier in Burgrieden bleiben“, sagt Högerle. Ende Dezember hat der Gemeinderat dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan zugestimmt. Auch dem Durchführungsvertrag wurde in der Sitzung zugestimmt. So müssen sechs Monate nach Inkrafttreten des Bebauungsplans die Bauanträge gestellt sein. Nach 18 Monaten muss das Erschließungsverfahren abgeschlossen sein. Zudem hat die Gemeinde ein Rückkaufsrecht. 

Urban Gardening in der Tiny House-Siedlung Burgrieden (c)Manufaktur Huchler GmbH
Urban Gardening in der Tiny House-Siedlung Burgrieden (c)Manufaktur Huchler GmbH

Laut Investor werden die ersten Häuschen aufgestellt, sobald es die Witterung zulässt. Das wird voraussichtlich Ende April bis Anfang Mai soweit sein. Mit der Tiny House-Siedlung ist Burgrieden eine der ersten deutschen Kommunen, die der hohen Nachfrage nach der neuen Wohnform nachkommt. Gleichzeitig zeigt sich in Burgrieden wie auch in vielen anderen Kommunen bereits ein weiterer Trend: „Die Nachfrage nach Bauplätzen für Einfamilienhäuser ist nach wie vor hoch“, sagt Högerle. „Aber die Finalisierung der Kaufverträge nimmt ab. Bei unserem letzten Wohngebiet konnten wir in der ersten Runde nicht alle Plätze vergeben.“ Auch für diesen Trend kann die neue Wohnform vielleicht Teil der Lösung sein.