Gewalt gegen Frauen nimmt zu. Deshalb wollen Grüne und CDU Frauenschutzhäuser nun besser fördern.
© Adobe Stock

Mehr Geld für Frauenschutzhäuser

Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland ein großes und wachsendes Problem – das hat nicht zuletzt ein neues Lagebild des Bundeskriminalamts ergeben. Frauenschutzhäuser, die dabei helfen sollen, das Problem zu verringern, gibt es aktuell jedoch deutlich zu wenige. Das Land möchte nun mit mehr Förderung gegensteuern.

Erstmals hat das Bundeskriminalamt ein Lagebild namens „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ erstellt. Und das zeigt sowohl hohe Fallzahlen als auch den Anstieg der Straftaten in allen Bereichen.

Zahlen aus dem Lagebild "Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten"

Die Menge der Fälle von häuslicher Gewalt gegen Frauen ist 2023 im Gegensatz zum Vorjahr um 5,6 Prozent gestiegen. 180.715 Fälle wurden angezeigt. Bei den Sexualstraftaten stieg die Fallzahl um 6,2 Prozent an und lag 2023 bei 52.330 Fällen. Dabei war jedes zweite Opfer minderjährig. Die politisch motivierte Hasskriminalität gegen Frauen stieg um 56 Prozent an und lag bei 322 Fällen. Dabei geht es um Hasskriminalität, die sich auf Vorurteile gegen Frauen bezieht.

Fast jeden Tag gibt es in Deutschland einen Femizid

Um ein Prozent stieg die Zahl der Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts getötet wurden – sogenannte Femizide. 2023 kam es damit zu 360 Femiziden. Im Jahr 2023 wurden 938 Mädchen und Frauen Opfer versuchter oder vollendeter Femizide. Mit 1.050 Opfern von versuchten oder vollendeten Femiziden war 2020 ein Höchststand erreicht worden.

Schutzräume fehlen

Ein Problem bei der Gewalt gegen Frauen ist, dass es nicht ausreichend Schutzräume gibt. In den Frauenschutzhäusern landauf und landab gibt es nicht ausreichend Plätze für die Schutzsuchenden. Vielerorts müssen mehr Frauen abgewiesen werden, als aufgenommen werden können.

Doch wie viele Frauenschutzhäuser braucht Baden-Württemberg?

2018 hat Deutschland die Istanbul-Konvention unterzeichnet. Ein Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Laut dieser Konvention braucht Baden-Württemberg aufgrund seiner Bevölkerungszahl rund 3.800 Frauenhausplätze. Aktuell sind im Südwesten 876 Plätze in 44 Frauenschutzhäusern gemeldet. Informationen über die Plätze und ihre Belegung gibt es tagesaktuell bei der Informationsstelle autonomer Frauenhäuser.

Finanzierung der Frauenschutzhäuser

In einigen Landkreisen in Baden-Württemberg gibt es bisher noch keine Frauenschutzhäuser. Dazu gehören die Kreise: Rhein-Neckar, Main-Tauber, Böblingen, Rottweil, Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald. Das Problem liegt in den meisten Fällen bei der Finanzierung. Diese setzt sich aus Zahlungen von Land und Kommunen sowie den Tagessätzen, die die Bewohnerinnen entweder über Sozialleistungen oder aus der eigenen Tasche zahlen (ausschließlich in Schleswig-Holstein sind die Plätze für die Frauen kostenfrei). Bei der Mitfinanzierung dieser Einrichtungen handelt es sich bei den Kommunen um eine freiwillige Aufgabe. Die Heimatkommunen sind zwar für die Betroffenen zuständig, aber nicht verpflichtet, für die Kosten des Aufenthalts aufzukommen.

Grüne und CDU wollen Frauenhäuser stärker finanziell fördern

Heute, am Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, soll auf den Handlungsbedarf bei Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen aufmerksam gemacht werden. Auch die politischen Parteien in Baden-Württemberg haben sich dazu geäußert. Grüne und CDU haben 5,6 Millionen Euro im Haushalt eingestellt, um zwei neue Frauen- und Kinderschutzhäuser in den Landkreisen Böblingen und Rottweil zu ermöglichen. Auch im Doppelhaushalt 2025/26 sollen mehrere Millionen für neue Frauen- und Kinderschutzhäuser eingestellt werden. Während die Grünen noch keine genauen Summen nennen, spricht die CDU von neun Millionen Euro pro Jahr. Einen finalen Haushaltsbeschluss soll es im Landtag am 18. Dezember geben. 

Grüne: Überfälliges Gewalthilfegesetz auf den Weg bringen

„Alle vier Minuten wird eine Frau in Deutschland Opfer häuslicher Gewalt - das ist nicht nur eine Statistik, das ist spürbare Realität“, sagt Stefanie Seemann, frauenpolitische Sprecherin der Grünen Baden-Württemberg. „Wir handeln: Mit konkreten Millionen-Investitionen stärken wir ab 2025 unser Netz aus Frauen- und Kinderschutzhäusern. Doch lokale Maßnahmen allein reichen nicht. Der Bund muss jetzt Farbe bekennen und das längst überfällige Gewalthilfegesetz endlich auf den Weg bringen. Eines muss klar sein: Der Schutz vor häuslicher Gewalt ist keine Verhandlungsmasse, sondern staatliche Kernaufgabe. Jeder Tag des Zögerns gefährdet Menschenleben. Wir brauchen diesen Schutzschirm für betroffene Frauen – nicht irgendwann, sondern jetzt!“

CDU: Neun Millionen Euro pro Jahr für Frauen- und Kinderschutzhäuser

„Laut Kriminalstatistik stieg in Baden-Württemberg im Jahr 2023 die Zahl der registrierten Fälle von häuslicher Gewalt gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent auf 16.400 Fälle“, sagt auch die frauenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg, Isabell Huber. „Das ist erschreckend. Denn jeder Fall ist einer zu viel. Umso wichtiger, dass wir am heutigen internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ganz klar machen: Als CDU-Landtagsfraktion setzen wir uns aktiv für Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung von Frauen ein, die von Gewalt betroffen sind. Ein wichtiger Baustein hierbei sind die Frauen- und Kinderschutzhäuser. Im Doppelhaushalt 2025/2026 wollen wir hier insgesamt neun Millionen Euro pro Jahr einstellen. Rund 5,6 Millionen Euro investieren wir jetzt für den Bau von zwei neuen Frauen- und Kinderschutzhäusern im Landkreis Böblingen und im Landkreis Rottweil. Damit schaffen wir Schutzplätze für bis zu 28 Frauen und ihre Kinder. Denn Nein heißt Nein!“

SPD: Beratungs- und Schutzstrukturen in Baden-Württemberg ausbauen

„Es ist alarmierend, dass auch im letzten Jahr in Deutschland wieder ein Anstieg an Gewaltdelikten gegen Frauen gemeldet wird – von der hohen Dunkelziffer ganz zu schweigen“, sagt Dorothea Kliche-Behnke, stellvertretende SPD-Landesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. „Die Südwest-SPD fordert deshalb eine schnelle Verabschiedung des Gewalthilfegesetzes im Bundestag, damit Frauenhausplätze flächendeckend ausgebaut werden. Und wir müssen Beratungs- und Schutzstrukturen in Baden-Württemberg ausbauen, um sie wirksam zu schützen. Dazu gehört insbesondere auch eine Finanzierung der Frauen- und Kinderschutzhäuser durch das Land.“

Kommunale Hilfsstrukturen

Verschiedene kommunale Strukturen, die gegen Gewalt gegen Frauen ankämpfen, machten zum Anlass des heutigen Tages ebenfalls auf sich aufmerksam. So etwa der Runde Tisch „Häusliche Gewalt“ im Rems-Murr-Kreis, der in diesem Jahr sein 20. Jubiläum feierte.

Runder Tisch "Häusliche Gewalt" feiert im Rems-Murr-Kreis Jubiläum

Mit der Unterstützung der durch die „Waiblinger Kampagne gegen häusliche Gewalt“ entstandenen Netzwerke wurde eine Beratungskonzeption erarbeitet, die den von Gewalt betroffenen Menschen aktiv Unterstützung anbietet. In diesem Zusammenhang wurde der kreisweite Runde Tisch „Häusliche Gewalt“ 2004 gegründet, der alle wichtigen Akteure, die im Rahmen häuslicher Gewalt eingebunden sind, an einen Tisch bringt.

Bei einer Jubiläumsfeier am 20. Juni 2024 im Landratsamt stellte Polizeipräsident Reiner Möller die Fallzahlen sowie die Erfahrungen der Polizei vor. Sein Fazit: „Wir können stolz sein auf unser Netzwerk im Rems-Murr-Kreis. Aber die steigenden Zahlen zeigen, dass wir weiter dranbleiben müssen.“ Landrat Richard Sigel ergänzte: „Die Finanzierung der Beratungsstellen, unter anderem durch den Landkreis, ist das eine. Aber entscheidend sind das Engagement und das Herzblut derjenigen, die in diesem Bereich arbeiten.“ Das gelte auch für die Anlaufstelle Soforthilfe nach Vergewaltigung am Klinikum Winnenden, die der Landkreis mit seinen Partnern 2019 eingerichtet hat.

"Rote Bänke" zum Jubiläumsjahr in vielen Kommunen im Rems-Murr-Kreis

Anlässlich des Jubiläumsjahrs wurde in Kooperation mit den Städten und Gemeinden im Rems-Murr-Kreis die Aktion „Rote Bänke“ in den Rems-Murr-Kreis geholt. Insgesamt beteiligen sich zum Start der Aktion elf Städte und Gemeinden; neben den großen Kreisstädten Schorndorf, Winnenden, Backnang, Waiblingen, Fellbach und Weinstadt die Gemeinden Alfdorf, Althütte, Urbach, Kernen und Welzheim. Weitere steigen im Laufe des Jubiläumsjahrs mit ein. Gerne können sich noch weitere Kommunen der Aktion anschließen.

Dort finden Sie seit dem Jubiläumsmonat Juni entsprechende Rote Bänke, die auf das Thema Häusliche Gewalt aufmerksam machen und so das Bewusstsein in der Gesellschaft stärken sollen. Ursprünglich symbolisiert die Rote Bank die geschlechtsspezifische Gewalt gegenüber Frauen. Im Rems-Murr-Kreis soll das Symbol der Roten Bänken sowohl den Frauen als auch den Männern, die Opfer häuslicher Gewalt sind, gewidmet sein. Die roten Bänke werden mit Schildern, die in der Gewerblichen Schule Backnang hergestellt wurden, ausgestattet. Über einen QR-Code kommt man direkt auf die Seite des Landratsamts, auf welcher die Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten gebündelt sind.