
LBO-Reform beschlossen: Weniger Bürokratie, mehr Tempo beim Bauen
Der Landtag von Baden-Württemberg hat die umfassende Reform der Landesbauordnung (LBO) beschlossen. Die Änderungen treten drei Monate nach der Veröffentlichung im Gesetzblatt in Kraft und sollen Bauverfahren beschleunigen sowie bürokratische Hürden abbauen. Bauministerin Nicole Razavi bezeichnete die Reform als „bedeutendste LBO-Änderung in dieser Legislaturperiode“ und kündigte an: „Wir stellen das System von Kontrolle auf Ermöglichen um und lösen die Bremsen beim Bauen.“
Die zentralen Änderungen im Überblick:
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Genehmigungsfiktion: Wird ein Bauantrag innerhalb von drei Monaten nicht bearbeitet, gilt er automatisch als genehmigt.
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Abschaffung des Widerspruchsverfahrens: Streitfälle gehen direkt an die Verwaltungsgerichte, wodurch lange Verzögerungen vermieden werden sollen.
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Typengenehmigungen: Standardisierte Bauprojekte müssen nur einmal genehmigt werden und können dann an verschiedenen Standorten umgesetzt werden.
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Erleichtertes Bauen im Bestand: Strenge Brandschutzvorgaben werden gelockert, Abstandsflächenregelungen vereinfacht und Nutzungsänderungen erleichtert.
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Kürzere Fristen für die Nachbarbeteiligung: Einwendungen müssen nun innerhalb von zwei Wochen eingereicht werden.
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Lockerung der Kinderspielplatzpflicht: Bauherren können stattdessen eine Ablösezahlung leisten, die für kommunale Spielplätze verwendet wird.
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Verfahrensfreie Errichtung von Ladestationen und Freiflächensolaranlagen: Dies soll den Ausbau erneuerbarer Energien und die Elektromobilität vorantreiben.
Was bedeutet das für die Kommunen?
Die Reform bringt für Städte und Gemeinden sowohl Erleichterungen als auch Herausforderungen:
1. Mehr Tempo – aber auch mehr Druck für Kommunen
Mit der Genehmigungsfiktion sollen Bauanträge schneller entschieden werden. Doch viele Kommunen sehen darin ein Problem: Wenn eine Entscheidung innerhalb von drei Monaten nicht getroffen werden kann – etwa weil externe Gutachten fehlen – gilt das Bauprojekt trotzdem als genehmigt. Das könnte zu rechtlichen Unsicherheiten führen und Kommunen unter erheblichen Zeitdruck setzen. Zudem stellt sich die Frage der Amtshaftung, falls sich später herausstellt, dass eine Genehmigung nicht hätte erteilt werden dürfen.
2. Weniger Bürokratie, aber auch weniger Einfluss
Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens soll Prozesse beschleunigen. Doch für Kommunen bedeutet das, dass Bürger bei Streitfällen nun direkt Klage beim Verwaltungsgericht einreichen müssen – eine potenziell teurere und langwierigere Option als ein außergerichtlicher Widerspruch.
3. Verfahrensfreiheit bei Nutzungsänderungen
Die Reform sieht vor, dass bestimmte Nutzungsänderungen im Innenbereich künftig verfahrensfrei gestellt werden. Dies soll den Umbau und die Umnutzung bestehender Gebäude erleichtern. Allerdings könnte dies zu Konflikten mit bestehenden Bebauungsplänen führen. Daher fordert der Gemeindetag eine Anzeigepflicht für solche Umnutzungen bei den unteren Baurechtsbehörden einzuführen, um spätere Rückabwicklungen zu vermeiden.
4. Ablösezahlungen für Kinderspielplätze
Die Reform lockert die Pflicht zur Errichtung von Kinderspielplätzen und ermöglicht stattdessen eine Ablösezahlung. Diese Ablösezahlung im Kontext der Landesbauordnung (LBO) erlaubt es Bauherren, anstelle der Pflicht zur Errichtung eines Kinderspielplatzes auf dem eigenen Grundstück eine Geldzahlung an die Kommune zu leisten.
5. Tierhaltungsanlagen: Fristen sollen weiter verkürzt werden
Der Gemeindetag unterstützt die vorgesehene Streichung der Verlängerungsmöglichkeit für die Nutzungsunterbrechung von Tierhaltungsanlagen und schlägt vor, diese auf zwei Jahre zu verkürzen. Diese Frist betrifft die Zeitspanne, nach der eine landwirtschaftlich genutzte Stallanlage ihren Bestandsschutz verliert, wenn sie nicht mehr für Tierhaltung genutzt wird.
Mehr Chancen, aber offene Fragen
Die Reform der LBO bringt deutliche Erleichterungen für Bauherren und verspricht weniger Bürokratie. Besonders die Digitalisierung und Entlastung der Behörden sind Schritte in die richtige Richtung. Für die Kommunen bedeutet das Gesetz aber auch Herausforderungen: Die Genehmigungsfiktion könnte zu ungewollten Baurechten führen, und die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nimmt eine wichtige außergerichtliche Klärungsmöglichkeit. Auch die Verfahrensfreiheit bei Nutzungsänderungen und die Ablösezahlungen für Kinderspielplätze müssen in der Praxis sorgfältig umgesetzt werden. Städte und Gemeinden werden genau beobachten müssen, wie sich die Reform auswirkt – und wo möglicherweise Nachbesserungen erforderlich sind.
Die Einordnung der LBO-Novelle des Gemeindetags lesen Sie hier (Leserbereich)