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Land veröffentlicht ersten Integrationsbericht

„Die Wahrnehmung der Integrationspolitik in der Bevölkerung ist ein Gradmesser für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann einen Tag vor Heiligabend. Anlass seiner Worte ist die Veröffentlichung des ersten Integrationsberichts des Landes Baden-Württemberg. Angesichts der Vielzahl der Menschen mit Migrationshintergrund im Land war der Bericht überfällig. Anstoß für den Bericht gab die Flüchtlingskrise 2015 und der Zuzug tausender Menschen aus dem Ausland.

Die Flüchtlingskrise 2015 gilt in vielerlei Hinsicht als Einschnitt. Fakt ist, dass sich seither politisch viel getan hat, und zwar auf allen Ebenen. Ein handfestes Ergebnis lag bereits am Ende des Krisenjahres 2015 in Form des Partizipations- und Integrationsgesetzes (PartInG) vor, das die rechtlichen Weichen für einen ganzen Strauß von Integrationsmaßnahmen stellte. Das Gesetz bildet nun auch die Grundlage des ersten Integrationsberichts, der in Baden-Württemberg jemals erschienen ist. Mit ihm will das Land den Stand der Integration ein halbes Jahrzehnt nach Verabschiedung des Gesetzes dokumenieren. Man versteht ihn als Ausgangspunkt für die Überprüfung bisheriger politischer Schwerpunkte und als Grundlage für die Verfeinerung künftiger integrationspolitischer Maßnahmen 

Zentrale Erkenntnisse des Integrationsberichts: Mehrheit wünscht offene, vielfältige Gesellschaft

Der Integrationsbericht ist unter Beteiligung aller Ressorts der Landesregierung sowie des Landesbeirats für Integration, der kommunalen Landesverbände und des Landesverbands der kommunalen Migrantenvertretungen (LAKA BW) entstanden. Die Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd hat ihn wissenschaftlich dokumentiert. Folgende zentralen Erkenntnisse hat er zutage gefördert:

  • Mit Blick auf den Stand der sozialen Integration zeigen die ausgewählten Indikatoren, dass in Baden-Württemberg der Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund Normalität ist. Viele Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger gaben 2019 nicht nur an, Kontakt zu Zuwanderinnen und Zuwanderern zu haben, sondern zählten Menschen mit Migrationshintergrund auch zu ihren Freunden (70 Prozent).
  • Die Bewertung der Erfahrungen mit Zuwanderinnen und Zuwanderern fällt bei drei Viertel der Bevölkerung positiv aus, wobei hier im Zeitvergleich gegenüber 2012 eine Verschlechterung der Bewertung festgestellt werden muss.
  • Während sich 2016 fast die Hälfte der Bevölkerung Baden-Württembergs große Sorgen wegen Zuwanderung machte (43 Prozent), waren 2019 nur noch ein Viertel (25 Prozent).
  • Die Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich eine offene, vielfältige und friedliche baden-württembergische Gesellschaft. Allerdings sorgen sich große Teile der Bevölkerung, über vier von fünf Befragten, wegen Ausländerfeindlichkeit, Fremdenhass, Rechtsextremismus und rassistischer Gewalt.
  • Das Monitoring im Bereich Bildung zeigt ein ambivalentes Bild: Zwar hat sich der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund, deren höchster allgemeinbildender Abschluss das Abitur ist, im Berichtszeitraum erhöht. Im Vergleich zu den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund verlassen mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund die Schule ohne einen Abschluss oder mit einem Hauptschulabschluss.
  • Zwischen 2015 und 2018 ist die Erwerbslosenquote in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund von 5,2 Prozent auf 4,2 Prozent gesunken und damit der Abstand zur Bevölkerung ohne Migrationshintergrund von 2,8 auf 2,4 Prozentpunkte zurückgegangen.
  • Über zwei Drittel der Bevölkerung (69 Prozent) meinten 2019, dass Zuwanderinnen und Zuwanderer nicht die gleichen Chancen auf dem Wohnungsmarkt haben wie Einheimische; auch bei Arbeit und Ausbildung sieht eine relative Mehrheit (49 Prozent) Benachteiligung.
  • Fast drei Viertel der Bevölkerung (74 Prozent) akzeptierten 2019, dass Kinder von Zuwanderinnen und Zuwanderern sich Deutschland und dem Herkunftsland ihrer Eltern zugehörig fühlen, und nur 8 Prozent lehnten dies ab.

Wahrnehmung von Integrationspolitik als Gradmesser für gesellschaftlichen Zusammenhalt

„Die Wahrnehmung der Integrationspolitik in der Bevölkerung ist ein Gradmesser für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land. Integration wird dann zum Erfolg, wenn sie aktiv gestaltet wird – von der Politik und der Zivilgesellschaft“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann anlässlich der Veröffentlichung des Berichts. Gesellschaft müsse Integrationspolitik als Investition in die eigene Zukunft verstehen und unterstützen, so der MP weiter. Großes Gewicht legt die Landesregierung auf die aktive Gestaltung der Integration und das zivilgesellschaftliche Engagement. Tenor: Integration gelingt nur, wenn alle mitmachen - der Staat allein kann es nicht richten.

Integrationsbericht: Stadt- und Quartiersentwicklung hat wichtige Rolle

In diesem Zusammenhang verwies Kretschmann auf verschiedene Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements. Das Landesprogramm "Integration durch bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft" biete Fördermöglichkeiten. Des weiteren verwies der Landeschef auf die Bedeutung von Orten der Begegnung und des sozialen Kontakts. Diese müssten zugänglich sein, damit Integration gelinge. Drittens komme der Stadt- und Quartiersentwicklung eine wichtige Rolle zu. Hier kommen die Kommunen ins Spiel: Sie hätten die Möglichkeit, verschiedene Akteure zusammenzubringen, Anforderungen an Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zu formulieren und passgenaue Projekte zu entwickeln, die der Situation vor Ort Rechnung tragen.

Noch wenige Migrantenvertretungen in den Kommunen - hier steckt viel Potenzial

Kommunen können dabei auch Migrantenvertretungen ins Leben rufen. In Baden-Württemberg sind sie dazu zwar nicht verpflichtet. Doch weist der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg (LAKA BW) darauf hin, wie wichtig die Vertretungen angesichts des hohen Migrationsanteils in Baden-Württemberg (30,9 Prozent) ist. Damit ist Baden-Württemberg das Flächenland mit dem höchsten Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Bislang gibt es nur 41 solcher Vertretungen im Südwesten, es besteht also großes Potenzial. Vor allem im Hinblick auf die Partizipation am politischen System der Bundesrepublik, das ja auf kommunaler Ebene beginnt, sind die Vertretungen laut LAKA BW elementar. Wer die Wahlbeteiligung an Kommunalwahlen künftig stabilisieren oder erhöhen will, muss den migrantischen Nachwuchs und dessen Anliegen proaktiv in die Arbeit von Gemeinderat und Verwaltung miteinbeziehen, so der LAKA BW.

Pakt für Integration mit den Kommunen (PIK) förderte Ausbildung von Integrationsmanagern

Auf kommunaler Ebene ist im Zusammenhang mit dem Integrationsbericht außerdem der "Pakt für Integration mit den Kommunen" (PIK) aus dem Jahr 2017 hervorzuheben. Dessen Kern besteht aus der Förderung von 1.200 Integrationsmanagerinnen und -managern. Sie haben die Aufgabe, Geflüchtete im Alltag zu unterstützen und individuell zu beraten. Für die Jahre 2020 und 2021 hat das Land den Kommunen dafür 155 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Den kompletten Integrationsbericht der Landesregierung können Sie unter folgendem Link abrufen:
https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-sm/intern/downloads/Downloads_PIK/SIM_Landesintegrationsbericht_2020_P14_1.pdf