Verschiedenste Hilfsangebote für ukrainische Geflüchtete in den Kommunen in Baden-Württemberg
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Viele Hilfsaktionen für ukrainische Geflüchtete in Baden-Württembergs Kommunen

Solidarität mit der Ukraine ist in ganz Europa spürbar. Auch die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg waren sofort zur Unterstützung bereit und haben wichtige Hilfeleistungen realisiert. Doch die Auswirkungen des Krieges sind bisher nur in ihren Anfängen zu erahnen. Große Herausforderungen stehen allen politischen Ebenen und der Zivilbevölkerung noch bevor.

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst, aber gleichzeitig auch dringend nötig gemacht. Laut Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats sind in den ersten vier Wochen nach Ausbruch des Krieges mehr als 3,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. In Baden-Württemberg wurden in diesem Zeitraum knapp 8.000 ukrainische Geflüchtete registriert. Gleichzeitig kommen Geflüchtete bei Freunden und Verwandten in Baden-Württemberg unter und melden sich häufig nicht direkt bei den Behörden. Die Zahl der ankommenden Geflüchteten steigt täglich weiter. „Wichtig ist, dass wir alle registrieren, um einen Überblick zu behalten“, sagt der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, Steffen Jäger. „Spätestens, wenn sie Leistungen über das Asylbewerberleistungsgesetz beantragen, müssen sie registriert oder zumindest gemeldet werden.“

Sofortprogramm soll Wohnraum für ukrainische Geflüchtete schaffen

Auf die Städte und Gemeinden kommt durch die Aufnahme der Geflüchteten viel Arbeit zu. Die Unterbringung führt zu einem ersten Problem, denn Wohnraum ist knapp. „Wir müssen überlegen, wie wir schnell neuen Wohnraum für Flüchtlinge schaffen. Dieser kann danach als sozialer Wohnraum genutzt werden. Dazu sollten wir das Vergaberecht erleichtern und das Baurecht flexibilisieren“, schlägt Steffen Jäger vor. Ein Sofortprogramm des Landes soll die schnelle Realisierung neuen Wohnraums ermögilchen. Doch auch eine Hallenbelegung ist vielerorts nicht zu vermeiden. „Nur so können wir gewährleisten, dass wir immer aufnahmebereit sind“, sagt Steffen Jäger.  

Personalnot in Kitas könnte Integration erschweren

Darüber hinaus gelte es weitere Faktoren zu bedenken. Für die Geflüchteten aus der Ukraine müssten Möglichkeiten für die Integration geschaffen werden. Dazu gehöre auch, dass die Kinder in Zukunft die Möglichkeit haben, Kitas und Schulen zu besuchen. Hier war das Fachpersonal jedoch schon zuvor Mangelware. „Wir müssen die ukrainischen Kinder, auch wenn sie kein Deutsch können, in unsere Schulen und Kitas integrieren, zumindest in Kita-Spielgruppen“, sagt Jäger. „Hier kann es möglich sein, dass wir von gewissen Standards zeitweise Abstand nehmen müssen.“

Bei der Suche nach Antworten auf diese akuten Probleme steht die Politik noch am Anfang. Bund und Land werden schnell Lösungen finden müssen, um die Kommunen, die die Integration vor Ort umsetzen, zu unterstützen. Dass die Hilfsbereitschaft bei der Zivilbevölkerung, den Kommunalverwaltungen und den kommunalpolitischen Verantwortungsträgern groß ist, zeigt das unmittelbare Handeln Land auf, Land ab, das in kurzer Zeit große Unterstützungsleistungen möglich gemacht hat. Nur eine kleine Auswahl können wir Ihnen hier zeigen.

Beispiele für Hilfsangebote an ukrainische Geflüchtete aus den Städten und Gemeinden Baden-Württembergs

Hilfsangebote koordinieren

Viele Menschen möchten derzeit gerne helfen. Doch häufig ist von außen nicht so leicht ersichtlich, wo welche Hilfe am dringendsten gebraucht wird. Viele Gemeinde- und Stadtverwaltungen haben sich daher als Vermittler eingesetzt. Sie informieren die Menschen vor Ort darüber, wie viele Geflüchtete derzeit neu in der Kommune unterkommen und wie man sie am besten unterstützen kann.

In Balingen zum Beispiel kamen Vertreter verschiedener Vereine und etwa 50 interessierte Bürger zu einer Informationsveranstaltung der Stadtverwaltung. Schnell konnten verschiedene Hilfsangebote organisiert werden. „Aktuell haben wir in Balingen und dem größten Stadtteil Frommern betreute Spielgruppen für Kinder aus der Ukraine eingerichtet“, berichtet Jürgen Luppold, Referent bei der Stadtverwaltung Balingen. „Zeitgleich dazu werden Deutschkurse für die Mütter beziehungsweise Eltern angeboten.“ Weitere Angebote im sportlichen und kulturellen Bereich sind bereits in Planung.

In Igersheim koordiniert das Rathaus die Hilfsangebote für ukrainische Geflüchtete über den Mängelmelder der Gemeinde.
In Igersheim koordiniert das Rathaus die Hilfsangebote für ukrainische Geflüchtete über den Mängelmelder der Gemeinde.

In Igersheim können die Einwohner ihre Hilfsangebote per Mängelmelder an das Rathaus melden. Die Firma, die den Mängelmelder der Gemeinde betreut, hat dafür mehrere Kategorien eingerichtet: Wohnungs- und Zimmerangebote, Betreuung und Begleitung, Dolmetscherdienste sowie Sachspenden. So kann die Gemeinde die Hilfsangebote einfach und schnell verwalten.

Wohnraum organisieren

Die ukrainischen Geflüchteten, die nicht bei Familie und Freunden unterkommen, werden zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes untergebracht. Spätestens nach sechs Monaten werden sie auf die Städte und Gemeinden verteilt. Derzeit häufig schon früher, da die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen an ihre Grenzen kommen. Eine Unterbringung in Fest- und Sporthallen möchten die Städte und Gemeinden, wo möglich, vermeiden. Daher wenden sich die Verwaltungen direkt an die Menschen und bitten darum, sich zu melden, falls sie vorübergehend oder längerfristig Wohnraum erübrigen können.

Peter Schumacher war einer der ersten von vielen Bürgermeistern, die sich per Social Media an die Einwohnerinnen und Einwohner gewandt hat, um Wohnraum für ukrainische Geflüchtete zu organisieren.
Peter Schumacher war einer der ersten von vielen Bürgermeistern, die sich per Social Media an die Einwohnerinnen und Einwohner gewandt hat, um Wohnraum für ukrainische Geflüchtete zu organisieren.

„Selbstverständlich sind die Handlungsoptionen von uns Kommunen begrenzt“, sagt Peter Schumacher, Bürgermeister der Gemeinde Dunningen. „In den nächsten Wochen und Monaten ist mit großen Flüchtlingsströmen in den Westen zu rechnen. Bund und Länder werden aller Vorrausicht nach recht schnell an Kapazitätsgrenzen bei der Flüchtlingsaufnahme kommen. Wir können und werden deshalb bei der Aufnahme von Menschen aus dem jüngsten Kriegsgebiet der europäischen Geschichte die Landes- und Bundesregierung nach Kräften unterstützen.“

Aufenthaltsorte für ukrainische Geflüchtete schaffen

In vielen Fällen wird es jedoch nicht möglich sein, die ukrainischen Geflüchteten direkt in eigenen Wohnraum zu vermitteln. Daher werden Hallen bereit gemacht, die Geflüchtete aufnehmen können. Hier beteiligen sich die Kommunen, um die Bedingungen so gut wie möglich zu gestalten.

Die Stadt Weinheim hat sich dazu entschieden ein Waisenhaus für ukrainische Kinder einzurichten. Mitarbeiter der Stadtverwaltung haben dafür mit vielen weiteren Helfern die Räumlichkeiten für die Kinder vorbereitet.
Die Stadt Weinheim hat sich dazu entschieden ein Waisenhaus für ukrainische Kinder einzurichten. Mitarbeiter der Stadtverwaltung haben dafür mit vielen weiteren Helfern die Räumlichkeiten für die Kinder vorbereitet.

In Weinheim hat die Stadt entschieden Waisenkinder aus der Ukraine in einer Gemeinschaftsunterkunft unterzubringen. Die Feuerwehr Weinheim, Mitarbeiter der Stadt, des DRK-Weinheim und weitere Ehrenamtliche haben alles gemeinsam aufgebaut und so dekoriert, dass sich die Kinder so wohl wie möglich fühlen können.

Auch Begegnungsorte werden geschaffen. Die Stadtverwaltung Ladenburg hat etwa gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde und dem Verein Int.Akt im Gemeindehaus ein Begegnungszentrum eingerichtet, das zur ersten Anlaufstelle für ukrainische Geflüchtete in der Kommune geworden ist. Hier können sie interessierte Ladenburger, sich gegenseitig und Kümmerer, die ihnen bei allen Fragen zur Seite stehen, treffen.

Neue Strukturen in der Verwaltung

Dass die Rathäuser eine große Aufgabe auf sich zukommen sehen, erkennt man auch daran, dass sie bereits grundlegende Strukturen schaffen, um die Lage im Griff zu halten.

Schon Anfang März hat die Stadt Schopfheim eine Stelle für einen Flüchtlingsbeauftragten ausgeschrieben.
Schon Anfang März hat die Stadt Schopfheim eine Stelle für einen Flüchtlingsbeauftragten ausgeschrieben.

So hat die Stadt Schopfheim Ende März eine 50-Prozent-Stelle für einen Flüchtlingsbeauftragten geschaffen. Der neue Flüchtlingsbeauftragte soll erste Anlaufstelle für alle Flüchtlingsangelegenheiten sein, Hilfsangebote koordinieren und weiterentwickeln sowie mit den Vereinen im Bereich Flüchtlingshilfe zusammenarbeiten.

Die Gemeindeverwaltung Efringen-Kirchen hat bereits am 2. März eine Stabsstelle Ukrainehilfe eingerichtet, die alle nötigen Aufgaben für die Unterbringung und Versorgung der ukrainischen Geflüchteten koordiniert. Hier sind alle betroffenen Ämter der Verwaltung vertreten. Die Stabsstelle hat einen wöchentlichen Jour-Fix, eine E-Mail-Gruppe und einen eigenen Bereich im Intranet, damit der Informationsfluss innerhalb des Rathauses jederzeit funktioniert. Das schnelle Reagieren der Gemeindeverwaltung erklärt Bürgermeister Philipp Schmid so: „Wir haben offensichtlich im Gegensatz zu Bund und Land Lehren aus der Flüchtlingswelle 2015 gezogen. Damals haben wir hinreichend Erfahrung mit dem Abarbeiten der vielen Aufgaben in so einer Situation sammeln können. Und wir wissen auch: Am Ende sind es wir Kommunen, die sich um alles kümmern müssen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns frühzeitig vorbereiten.“

Die Gemeinde Hardheim plant einen Runden Tisch, an dem alle betroffenen Stellen die nötigen Schritte gemeinsam organisieren können. „Ist die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben bezüglich Erfassung, Erstunterbringung, Anmeldung, Identifikation, ärztlichen Leistungen und vielem mehr gerade für kleinere Gemeinden bereits eine Herausforderung, so wird die Organisation und bei Bedarf Lenkung der Hilfe ebenso umfangreich sein“, sagt Volker Rohm, Bürgermeister der Gemeinde Hardheim. „An einem Runden Tisch zwischen Verwaltung, Schule, Kinderbetreuung, privaten Helferkreisen, Vereinen, Kirche und örtlichen Unternehmen möchten wir gemeinsam die Bedarfe, Angebote, Aktionen und Aktivitäten so abstimmen, dass den Frauen und Kindern möglichst schnell eine „neue Normalität“ angeboten werden kann.“

Lern- und Spielangebote für ukrainische Kinder

Die Willkommensschule in Rottenburg bietet täglich von 8 bis 12 Uhr Unterricht für ukrainische Kinder.
Die Willkommensschule in Rottenburg bietet täglich von 8 bis 12 Uhr Unterricht für ukrainische Kinder.

Während für die ukrainischen geflüchteten Kinder zunächst keine Schulpflicht besteht, ist ihre Betreuung doch wichtig für ihre Integration und auch für die Integration ihrer Eltern. Daher bemühen sich die Städte und Gemeinden Angebote zu schaffen. In den bestehenden Schulklassen und Kindergartengruppen können sie nur sehr selten aufgenommen werden, da der Fachkräftemangel die Plätze schon vorher zur Mangelware werden ließ. Zunächst behelfen sich viele Städte und Gemeinden daher mit Gruppen, die von Ehrenamtlichen betreut werden.

So etwa in Rottenburg, wo Ehrenamtliche jeden Wochentag von 8 bis 12 Uhr Unterricht und Spielgruppe anbieten. Zu den Unterrichtseinheiten gehört auch Deutschunterricht.

Feuerwehren bringen Hilfsgüter

Feuerwehrleute aus Weinheim vor dem gespendeten Löschfahrzeug.
Feuerwehrleute aus Weinheim vor dem gespendeten Löschfahrzeug.

Auch die Ukrainer in ihrem eigenen Land benötigen Hilfe. Es mangelt vielerorts besonders an medizinischen Geräten, Medikamenten und weiteren Hygienegütern. Sachspenden werden in den meisten Kommunen gesammelt und häufig von den Feuerwehren nach Polen Richtung Grenze gebracht.

So auch von der Freiwilligen Feuerwehr Oberrot, die Hilfsgüter in die Partnerstadt ihres Nachbarn Schwäbisch Hall bringt: die polnische Stadt Zamość, 60 Kilometer entfernt von der ukrainischen Grenze. Ebenso bringen etwa alle Feuerwehren des Landkreises Freudenstadt Hilfsgüter an die ukrainische Grenze zur Unterstützung des polnischen Partnerlandkreises Tomaszowski. Die Feuerwehren des Landkreises Karlsruhe haben sich der Aktion angeschlossen.

Die Feuerwehr Weinheim hat ein ausgemustertes Löschfahrzeug gespendet.