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Kita-Kollaps droht trotz hoher Investitionen in den vergangenen Jahren

Obwohl in den vergangenen Jahren viel Geld in den Ausbau der Kindertagesstätten geflossen ist, ist die Situation so prekär wie nie zuvor. Weder stehen genügend Plätze zur Verfügung, noch genug qualifiziertes Personal für die Betreuung der Kinder. die:gemeinde fasst die wichtigsten Zahlen zur Kita-Situation in Baden-Württemberg zusammen.

Was in der öffentlichen Debatte um die Kita oft vergessen wird: Bereits seit Jahren investieren Bund, Land und Kommunen massiv in deren Ausbau. So hatte die abgewählte Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode das sogenannte Gute-Kita-Gesetz auf den Weg gebracht, das den Bundesländern insgesamt 5,5 Milliarden Euro bereitstellte. Baden-Württemberg erhielt 729,5 Millionen Euro daraus. Laut Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) investierte das Land das Geld hauptsächlich in die Stärkung von Kita-Leitungen, in die Gewinnung von Fachkräften und in die Stärkung der Kindertagespflege. Allerdings ist das Gesetz bis Ende 2022 befristet.

Landesförderung stieg zwischen 2009 und 2021 von 386 auf 895,5 Millionen Euro  

Mit Hilfe der Bundesmittel hat das Land Baden-Württemberg seine Investitionen in die Kindertagesstätten stark gesteigert, wie Zahlen belegen. Während im Jahr 2009 die Förderung über den kommunalen Finanzausgleich noch rund 386 Millionen Euro betrug, floss 2021 weit mehr als doppelt so viel Geld, nämlich 895,5 Millionen Euro. Auch bei der Anzahl der Kita-Plätze hat sich viel verbessert - eine Tatsache, die viele Eltern aus ihrer subjektiver Betroffenheit heraus überraschen dürfte. Der seit 2013 geltende Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz hat zu einer Verdopplung der Kinder unter drei Jahren geführt, die in einer Einrichtung betreut werden. Waren es 2010 noch 44.000 Kinder in Baden-Württemberg, so stieg die Zahl im Jahr 2021 auf 83.000. Auch bei den drei- bis sechsjährigen Kindern gab es einen Zuwachs, und zwar von 270.000 (2010) auf 300.000 (2021).

Experten prognostizieren Bedarf von 40.000 Fachkräften bis 2025

Trotzdem gibt es noch immer weit weniger Plätze als nötig. Damit einher geht der Mangel an qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern. Der Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) und das Deutsche Jugendinstitut prognostizieren einen zusätzlichen Bedarf von 40.000 Fachkräften bis 2025. Verschärft wurde die Situation durch die anhaltende Corona-Pandemie, die in vielen Einrichtungen verkürzte Öffnungszeiten nach sich gezogen hat. Andererseits wurden Ausnahmeregelungen geschaffen. So konnte einerseits der Mindestpersonalschlüssel um 20 Prozent unterschritten werden, andererseits konnten statt Fachkräften "geeignete Personen" eingestellt werden. Allerdings hat das Kultusministerium jüngst verkündet, dass die bis Ende August geltenden Ausnahmeregelungen nicht fortgeführt werden sollen. 

Kommunale Spitzenverbände fordern weitere Flexibilisierungen 

Für die kommunalen Spitzenverbände, darunter der Gemeindetag Baden-Württemberg, ist das ein fatales Zeichen. Aus ihrer Sicht können Kommunen dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nur durchsetzen, wenn die Regelungen für die Neueinstellung von Personal weiter gelockert werden. Ein vom Kultusministerium vor wenigen Wochen vorgestelltes Maßnahmenpaket erachten sie deshalb als nicht ausreichend, auch wenn es gute Ansätze gebe, so zum Beispiel das sogenannte Quereinsteiger-Programm. In krisenreichen Zeiten wie der aktuellen benötigten die Träger mehr Handlungsoptionen, kommentierten die Spitzenverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme. Jedes einzelne Kind, dessen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung nicht erfüllt werden könne, sei eines zu viel, so Gemeindetag, Städtetag, Landkreistag und Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS).

Kita-Einstiegsgruppen als Übergang, bis regulärer Kita-Platz frei wird

Bildungs- und Erziehungsverbände wie die GEW oder der Verband Bildung und Erziehung (VBE) halten dagegen. Sie befürchten, dass weitere Flexibilisierungen bei der fachlichen Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher einen Verlust der Qualität der frühkindlichen Bildung nach sich zieht. So fordert die GEW etwa, dass der Anteil der Personen ohne Fachschulabschluss in einer Einrichtung nicht mehr als 30 Prozent betragen darf. Das Maßnahmenpaket des Kultusministeriums beinhaltet andererseits gewisse Flexibilisierungen. So werden sogenannte Kita-Einstiegsgruppen etabliert. Sie richten sich an Kinder, die noch keinen regulären Kita-Platz haben. Diese als Übergangsgruppen gedachten Gruppen wurden eingeführt, um die aus der Ukraine geflüchteten Kinder schneller zu integrieren. 

Kultusministerium will mit Programm Personal aus anderen Berufsfeldern gewinnen 

Außerdem bietet das Land ein Programm namens "Direkteinstieg Kita", dessen Ziel es ist, Personal aus anderen Berufsfeldern für die Tätigkeit als Erzieherin oder als Erzieher zu begeistern. Das Programm beginnt allerdings erst im übernächsten Schuljahr (2023/2024). "Mit diesem Programm soll eine verkürzte Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin beziehungsweise zum sozialpädagogischen Assistenten und ein Weg zum Abschluss als Erzieherin oder Erzieher angeboten werden. Es geht dabei um Personen mit mindestens Hauptschulabschluss und abgeschlossener Berufsausbildung, die das Berufsfeld wechseln wollen oder bereits als Zusatzkräfte in Kindertageseinrichtungen tätig sind."