Home-Schooling auch nach Corona? Das könnte der Hybridunterricht mit sich bringen, der den Lehrermangel verringern soll
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Löst Hybridunterricht den Lehrkräftemangel?

Der akute Mangel an Lehrerinnen und Lehrern bleibt eines der größten Probleme der Bildungspolitik. Auch in den kommenden zwei Jahrzehnten sehen Expertinnen und Experten kaum Verbesserung. Daher hat die Ständige Wissenschaftliche Kommission nun Empfehlungen zum Umgang mit dem Fachkräftemangel vorgelegt. Ein Vorschlag, der besonders Kultusministerin Theresa Schopper gefällt, sorgt für Kritik von Seiten der Gewerkschaft.

Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Vorschläge, die den Fachkräftemangel in den Schulen überbrücken sollen, hat sich die Ständige Wissenschaftliche Kommission in der letzten Woche zu Wort gemeldet. Besonders ein Vorschlag wird nun in Baden-Württemberg kontrovers diskutiert: Diesem Vorschlag zufolge könnte Hybridunterricht auch abseits der Corona-Pandemie Einzug in die Gymnasien halten. So sollte durch die Möglichkeit geschaffen werden, mit einer Lehrkraft viel mehr Schülerinnen und Schüler gleichzeitig zu unterrichten. Den so könne eine Lehrkraft sowohl Schülerinnen und Schüler vor Ort, als auch zu Hause vor den Bildschirmen unterrichten. 

Hybridunterricht in Oberstufen könnte in Baden-Württemberg getestet werden

Auf Interesse stößt der Vorschlag besonders bei Kultusministerin Theresa Schopper, die den Ansatz für passend zur aktuellen Lebens- und Arbeitswelt hält. Denn auch im Beruf sei eine Mischung aus Arbeit in Präsenz und von zu Hause heute in vielen Bereichen zum Standard geworden. Ausprobieren möchte Schopper den hybriden Unterricht, mit einem Teil der Schülerinnen und Schüler im Klassenraum und einem Teil von zu Hause zugeschaltet, in der Oberstufe. Denn in diesen Schuljahren hätten die Schülerinnen und Schüler die nötige Reife. Durch den Hybridunterricht wird es etwa möglich, dass eine komplette Schulklasse in der Schule unterrichtet wird, während eine andere Klasse zugeschaltet ist. Das kann sowohl eine Klasse der gleichen oder auch einer anderen Schule sein.

Pilotprojekt zu Hybridunterricht in Ostsachsen läuft bereits

Ein erstes Pilotprojekt im Bereich des Hybridunterrichts wird derzeit in den sächsischen Städten Görlitz, Niesky und Weißwasser durchgeführt. Es ist im Schuljahr 2022/2023 gestartet. Der Präsenzunterricht findet dabei an einer Schule statt und wird jeweils an den anderen Standorten per Videoschaltung übertragen. So gibt es einen gemeinsamen Biologie-Leistungskurs der Gymnasien in Niesky und Weißwasser. Hier wird jeweils in einer Klasse unterrichtet. Der Unterricht wird gleichzeitig in die anderen Klassen per Videoschaltung übertragen. Praktische Unterrichtsteile werden an allen Schulen vor Ort gelehrt. Genauso wird mit einem Leistungskurs Physik an den Gymnasien in Niesky und Görlitz verfahren. Mehr über das Pilotprojekt in Ostsachsen finden Sie hier

Vorschläge reagieren auf aktuelle Studienergebnisse

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission hat ihre Vorschläge an die Kultusministerkonferenz übergeben. Sie reagiert auf Studien, die eine Verbesserung des Fachkräftemangels in den Schulen in den nächsten zwei Jahrzehnten für unwahrscheinlich halten. Der Hybridunterricht stellt dabei nur einen von vielen möglichen Lösungsansätzen, die die Kommission vorschlagen, dar.

Weitere Vorschläge der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission:

  • Für Lehrkräfte solle der Ruhestandseintritt, die Verringerung von Arbeitszeiten im Alter und die Teilzeitbeschäftigung an die Mangelsituation angepasst werden
  • Eine höhere Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte
  • Erleichterung der Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse
  • Abordnung von Lehrkräften an Schulen mit besonderem Bedarf
  • Reduktion von Verwaltungs- und Organisationsaufgaben für Lehrerinnen und Lehrer
  • Weiterqualifizierung von Gymnasiallehrkräften für andere Schulformen
  • Nachqualifizierung für Schulfächer mit besonderem Lehrkräftemangel
  • Unterstützung der Lehrkräfte durch Studierende und weitere noch nicht vollständig qualifizierte Personen
  • Erhöhung der Selbstlernzeit der Schülerinnen und Schüler
  • Erhöhung der Schülerinnen- und Schülerzahl pro Schulklasse
  • Gesundheitsförderung bei den Lehrkräften durch Achtsamkeitstrainings, Coachings oder auch Kompetenztraining zur Klassen- und Gesprächsführung
  • Weiterentwicklung der Möglichkeiten zum Quer- und Seiteneinstieg

Kritik am Hybridunterricht kommt von den Gewerkschaften

Dass diese Vorschläge eine zusätzliche Belastung für die betreffenden Lehrkräfte bedeute, sei der Kommission bewusst, heißt es in dem Papier. Daher müsse es sich um befristete Maßnahmen handeln. Der Deutsche Lehrerverband und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisieren die Vorschläge. Sie seien praxisfremd oder sogar kontraproduktiv. Der Landes- und Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung, Gerhard Brand, kritisiert speziell die Idee des Hybridunterrichts. Dieser könne die direkte Beziehung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern nicht ersetzen. Zudem fehlten Schüler besonders in den Grundschulen und Unterstufen. Nicht in den Oberstufen der Gymnasien.

Die Vorschläge der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission finden Sie hier