Was denken die Kommunen über die Gigabit-Förderung 2.0?
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Neue Gigabit-Förderung ist für Telekommunikationsunternehmen gemacht

19. Juni 2023
Was halten die Verantwortlichen in den Kommunen von der Gigabitförderung 2.0? Im Gastbeitrag erklärt Oliver Spieß, wie er die Veränderungen bewertet.

Auch wenn es bei vielen Verbänden in Baden-Württemberg noch immer Unverständnis und Ärger hinsichtlich des abrupten Endes des bisherigen Förderprogramms gibt, ist mit der neuen Gigabit-Richtlinie zumindest klar, wie die weitere Förderung aussieht. Zu begrüßen ist, dass sich Bund und Land voraussichtlich weiterhin mit den bisherigen hohen Zuschussquoten von insgesamt 90 Prozent beteiligen. Auch sind Anschlüsse von Unternehmen, Schulen und Krankenhäusern nun besser und schneller möglich. 

Gigabit-Förderung 2.0 hemmt den Breitbandausbau über 100 Mbit

Bei Vorliegen von hohen Bandbreiten über 100 Mbit wird der Ausbau zur Gigabitfähigkeit jedoch gebremst. Grundsätzlich sehen wir viele Punkte eher als Hemmschuh für den Ausbau der Breitbandversorgung. Schon die Potenzialanalyse des Bundes ist nicht hilfreich. Der Plan, einen eigenwirtschaftlichen und flächendeckenden Breitbandausbau ohne Förderung voranzutreiben, ist leider nicht aufgegangen. In der Analyse wurde nur ein theoretischer Ansatz an möglichen Anschlüssen aufgenommen (Einwohner und Fläche). Der bisherige Ausbau wurde so gut wie gar nicht berücksichtigt und die neuesten Planungen aufgrund schon vergebener Förderbescheide sind nicht aufgeführt. Für die Netzbetreiber stellt sich das Potenzial für den eigenwirschaftlichen Ausbau somit besser dar, als es ist. Außerdem wurde die Analyse nur auf Gemeindeverwaltungsverbandsebene gemacht und nicht auf die Gemeinden heruntergebrochen. Hier hätten die Zahlen des Breitbandatlas ein realistischeres Bild aufgezeigt. 

Oliver Spieß ist Bürgermeister der  Gemeinde Fronreute und Vorsitzender des Zweckverbands Breitbandversorgung im Landkreis Ravensburg (c)Gemeinde Fronreute
Oliver Spieß ist Bürgermeister der  Gemeinde Fronreute und Vorsitzender des Zweckverbands Breitbandversorgung im Landkreis Ravensburg (c)Gemeinde Fronreute

Der geforderte Branchendialog ist unserer Ansicht nach nicht zielführend. Denn unspezifische Interessen im Gespräch zu erörtern, bringt keine klaren Erkenntnisse darüber, was wirklich in Zukunft passiert. Es reicht hier aus unserer Sicht eine Markterkundung, bei der die Netzbetreiber ihre Ausbauabsichten erklären müssen. Die Antragstellenden (also die Verbände und Gemeinden) können im Markterkundungsverfahren verlangen, dass sich das Telekommunikationsunternehmen, welches einen eigenwirtschaftlichen Ausbau meldet, dazu verpflichtet, diesen Ausbau durchzuführen. Das Telekommunikationsunternehmen kann die Ausbaupflicht jedoch davon abhängig machen, ob ein Vorvermarktungsverfahren für Endkundenverträge im gemeldeten Gebiet eine geschäftsübliche Abschlussquote erreicht. Hierzu hat das Unternehmen bis zu sechs Monate Zeit. Erfolgt keine Meldung über das Ergebnis der Vorvermarktung, wird das betroffene Gebiet förderfähig. Dies ist zeitlich gesehen ein viel zu langer Vorlauf. 

Vorlaufzeiten für Netzbetreiber stehen den Förderanträgen von Verbänden und Gemeinden im Weg

Leider haben die Netzbetreiber außerdem weiterhin bis zu drei Monate nach der Markterkundung Zeit, genauere Angaben zum angemeldeten eigenwirtschaftlichen Ausbau zu machen. Diese sind aber notwendig für Verbände und Gemeinden, um eine Förderkonzeption aufzustellen und Förderanträge (bis zum 31. Oktober 2023) einzureichen. Wer jetzt noch nicht mit der Markterkundung begonnen hat, wird sich schwer tun, die Frist einzuhalten. Gemäß Nr. 1.3 der Gigabit-Richtlinie 2.0 ist "eine Förderung ... ausgeschlossen, soweit ein gigabitfähiges Netz bereits besteht und lediglich der Teilnehmeranschluss noch fehlt (homes passed)". Sprich, beim Ausbau der Grauen Flecken sind die dunkelgrauen Flecken von der Förderung ausgeschlossen. Deshalb werden in Zukunft auch weniger Vorgriffe gelegt werden, was für den Gigabitausbau ein weiteres Hindernis ist. Dies ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar. Die „fast lane“ für weiße Flecken bedeutet außerdem, dass Verbände und Gemeinden, die bisher noch nicht tätig waren, in den Genuss einer Förderung kommen. Dies ist für die Gemeinden, die schon länger unterwegs sind, ein Ausbremsen ihrer Vorhaben. 

Was passiert mit nicht abgerufenen Mitteln?

Für problematisch halten wir auch die Vorgehensweise bei nicht abgerufenen Mitteln aus anderen Bundesländern. Die Verteilung der von Ländern nicht abgerufenen Mittel erfolgt „nach dem letzten Aufruf des Jahres“. Es darf nicht sein, dass Anträge aus dem ersten Förderaufruf keine Bewilligung erhalten, weil das Landesbudget nicht ausreicht. Das kann in der Praxis zu erheblichen Verzögerungen führen. Es stellt sich auch die Frage, was dies für Anträge bedeutet, die im ersten Aufruf des Jahres nicht zum Zug gekommen sind. Bleiben diese in der Warteschleife? Oder müssen sie im zweiten Aufruf eines Jahres neu gestellt werden? Viel sinnvoller wäre es, beim ursprünglichen Vorschlag zu bleiben und jeweils die Hälfte der Jahresmittel als Gesamtbudget heranzuziehen, also auch die übrigen Landesmittel zwei Mal im Jahr zu verteilen. 

Gigabit-Förderung 2.0: Länderbudget für Baden-Württemberg reicht nicht aus

Wir halten das Länderbudget für Baden-Württemberg für zu niedrig. Es ist absehbar, dass das Volumen nicht ausreichen wird, andere Bundesländer aber nicht alle Mittel abrufen werden. Was für uns fehlt, ist eine Anpassung des Materialkonzeptes für die Förderung. Es werden zu viele Rohre und Faserkapazitäten vorgeschrieben, die nicht notwendig sind und den Gesamtausbau verlängern und verteuern. Des Weiteren ist unklar, ob für die bewilligten Anträge im Grauen Flecken Programm vor dem 17. Oktober 2022 die Aufgreifschwelle als gefallen betrachtet wird und ob durch das vorgesehene Upgrade die nicht gigabitfähigen Anschlüsse beantragt und ausgebaut werden dürfen.

Zusammengefasst begrüßen wir die weitere Förderung von Bund und Land. Wir müssen aber erkennen, dass die neue Gigabitrichtlinie für die Telekommunikationsunternehmen gefertigt wurde und die Interessen gerade in Baden-Württemberg nach dem weiteren geförderten Ausbau vor allem zeitlich aber auch im Grundsatz ausgebremst werden. Dies halten wir für den falschen Weg, da wir die letzten Jahre durch die Untätigkeit der Unternehmen gezwungen waren tätig zu werden.