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Geflüchtete: Viele Kommunen stoßen an Kapazitätsgrenzen

Vielen Gemeinden fällt es trotz intensiver Suche nicht leicht, ausreichend Wohnraum für geflüchtete Menschen bereit zu stellen. die:gemeinde-Aktuell hat sich bei drei Kommunen umgehört und gefragt, wie sie es trotz widriger Umstände schaffen, den Menschen in Not zu helfen, die ihre Heimat verlassen mussten.

Bis Anfang September sind 980.000 Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland geflohen. Für die Kommunen stellt sich die Frage, wie sie die Menschen unterbringen können. Und auf der politischen Ebene werden Klagen lauter, wonach der Bund die Städte und Gemeinden im Regen stehen lässt. Erst letzte Woche hatte sich der Bürgermeister von Engen, Johannes Moser, in einem offenen Brief zu Wort gemeldet. Die Kommunen seien überfordert, schrieb Moser. „Städte und Kommunen haben die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben.“

Ubstadt-Weiher: Zunächst wurden eigene Gemeindewohnungen belegt

„Zunächst hat die Gemeinde noch vorhandene eigene Gemeindewohnungen belegt“, sagt Michaela Schmidt, Hauptamtsleiterin im nordbadischen Ubstadt-Weiher, im Gespräch mit die:gemeinde-Aktuell auf die Frage, wie die Stadt auf der Suche nach Wohnraum für Geflüchtete vorgehe. Gleichzeitig sei ein Aufruf an die Bevölkerung erfolgt, Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. „Die Gemeinde Ubstadt-Weiher mietet diesen Wohnraum direkt an und weist dann den vertriebenen ukrainischen Menschen entsprechenden Wohnraum zu“, erklärt Schmidt.

Ubstadt-Weiher: Hilfsbereite Bevölkerung mit großem Engagement  

Die Bevölkerung ist es auch, die der Verwaltung die Suche erleichtert. Deren Hilfsbereitschaft war und sei noch immer „bemerkenswert hoch“, sagt Schmidt. „Überaus viele Menschen waren bereit, Wohnungen, temporär leerstehende Häuser oder auch Zimmer in ihren eigenen Häusern oder Wohnungen für die Geflüchteten zur Verfügung zu stellen. Die Empathie der Wohnungsgeber ging teilweise so weit, dass Kühlschränke zur Ankunft der Geflüchteten gefüllt wurden, Essen gekocht und die Wohnung zum Empfang dekoriert wurde. Mietverträge mit der Kommune als verlässlicher Partner haben auch wegen Haftungsfragen dazu geführt, dass der Gemeinde aktuell mehr Wohnraum gemeldet wurde als bislang angemietet ist“, erklärt Schmidt.

Ubstadt-Weiher: Schwer zu sagen, wie viele ankommen und wie viele bleiben

Theoretisch wäre die Stadt auf den Zuzug weiterer geflüchteter Menschen vorbereitet. Schmidt sagt, es gebe noch Potenzial. So könne die Gemeinde noch privaten Wohnraum anmieten. Die Herausforderungen sind dennoch nicht zu unterschätzen. „Die größte Unsicherheit bei der Zurverfügungstellung von Wohnraum ist es, dass es im Voraus nicht abzuschätzen ist, wie viel Vertriebene in der Gemeinde ankommen und auch bleiben werden“, führt Michaela Schmidt aus.

Oftmals kämen Menschen auch zunächst zu Freunden und Bekannten, suchten dann jedoch nach einer gewissen Übergangszeit dringend eigenen Wohnraum. Dieser private Zuzug sei sehr schlecht abzuschätzen und komme zu den Zuweisungen des Landes hinzu, so Schmidt. Eine große Herausforderung sei zudem die Schaffung der sozialen Infrastrukturen wie die Beschulung der Kinder in speziellen Vorbereitungsklassen, die Bereitstellung von Kindergartenplätzen und die Integration der Kinder in den Einrichtungen.  

Tauberbischofsheim: Stadt und Kreis wollen große städtische Immobilie ertüchtigen

Mit anderen Herausforderungen hat die Kreisstadt Tauberbischofsheim zu tun. „Oft sind leerstehende Wohnungen stark renovierungsbedürftig oder es herrscht im Rahmen von Erbabwicklungen Uneinigkeit über die weitere Nutzung des Wohnraums. Vermieter*innen bevorzugen oft Mieter*innen mit verlässlicheren Rahmenbedingungen. Bei Geflüchteten ist meist unklar wie lange sie den Wohnraum nutzen werden. Auch Bedenken der Vermietern*innen zur pfleglichen Wohnraumnutzung spielen eine Rolle“, erklärt Pressesprecherin Helga Hepp die Lage.

In der Tauberbischofsheim spielen Integrationsmanager eine wichtige Rolle. Sie begleiten und unterstützen Geflüchtete bei der Wohnungssuche. Auch die Öffentlichkeit wird gezielt angesprochen und dazu aufgerufen, zu helfen. „Mit Presseartikeln, Beiträgen im städtischen Amtsblatt und Posts auf den städtischen Facebook- und Instagram-Portalen wurde und wird Wohnraum für Geflüchtete gesucht“, sagt Helga Hepp. Darüber hinaus hat die Stadt eine Liste auf ihrer Website online gestellt, auf der Bürgerinnen und Bürger ihr Wohnungsangebot eintragen können. Ebenso suche ein Ehrenamtskreis fortwährend nach Wohnungen. Insgesamt seien in der Stadt nur noch wenige Wohnungen vorhanden, die vermietet werden könnten, betont Hepp. „Die Kapazitätsgrenze ist beinahe erreicht“, sagt sie. Derzeit sei man allerdings dabei, in Kooperation mit dem Landratsamt Main-Tauber eine große städtische Immobile für die zunächst vorläufige Unterbringung und später für die Anschlussunterbringung zu ertüchtigen.

Situation in Sigmaringen durch Sonderstellung entspannt  

Entspannter stellt sich die Situation in Sigmaringen dar. Die Kreisstadt habe eine Sonderstellung, sagt Claudia Goldstein, Assistentin des Bürgermeisters, im Gespräch mit die:gemeinde. „Mit Verweis auf unsere Sonderstellung mit der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) Sigmaringen und dem dort zur Verfügung gestellten Zusatzkontingent – derzeit mindestens 1225 Plätze für Ukraineflüchtlinge, insgesamt 2100 Plätze – sowie der Besonderheit, dass das Landratsamt Sigmaringen als untere Zuweisungsbehörde in der Stadt zwei Gemeinschaftsunterkünfte für die sogenannte vorläufige Unterbringung mit derzeit circa 115 Plätzen betreibt, können wir mitteilen, dass wir von städtischer Seite mehrere derzeit leerstehende Wohnungen oder Wohnungen, bei denen Mietverträge ausgelaufen sind, für die Unterbringung von Geflüchteten zurückgehalten und voll ausgestattet haben“, sagt Goldstein.

Sigmaringen: Noch kein Bedarf an privaten Wohnräumen

Eine Liste mit privaten Anbietern habe man ebenfalls angelegt. Diese seien von sich aus auf die Stadt zugekommen oder durch Presseaufrufe. Da es jedoch aktuell keine konkreten Nachfragen nach diesen Räumlichkeiten gebe und noch Kapazitäten frei seien, erwäge die Stadt keine weiteren Maßnahmen. Wohnraumkapazitäten dürften dem Vernehmen nach daher noch im privaten Sektor vorhanden sein, leider ist dies von städtischer Seite jedoch nicht konkret zu verifizieren, da es keine Meldepflicht gibt“, sagt Claudia Goldstein.