Fördermittel für die Ganztagsbetreuung an Grundschulen sind dreifach überzeichnet
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Ganztagsbetreuung wird zum Glücksspiel

Fast drei Jahre lagen zwischen dem Beschluss eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern und dem Start des Investitionsförderprogramms in Baden-Württemberg. Schon zum Start des Programms war absehbar, dass es überzeichnet sein würde. Nun haben sich die Regierungspräsidien dazu geäußert.

Schon ab dem Schuljahr 2026/27 soll der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern stufenweise (zunächst für die ersten Klassen) eingeführt werden. Gerade einmal zwei Jahre vorher kam das dazu nötige Förderprogramm. Mit diesem soll der zusätzlich benötigte Platz geschaffen werden, um die Ganztagsbetreuung an Grundschulen zu ermöglichen. Die Fördermittel, die über das Programm bereitgestellt werden, liegen bei rund 380 Millionen Euro für Baden-Württemberg.

Förderprogramm dreifach überzeichnet

Nun melden die Regierungspräsidien: Das Programm ist dreifach überzeichnet. Als Reaktion darauf, haben Bund und Land festgelegt, dass das Losverfahren darüber entscheiden wird, in welcher Reihenfolge die Baumaßnahmen auf Förderfähigkeit geprüft werden. Das legt nahe, dass viele Schulträger keine Förderung erhalten werden – laut Gemeindetag Baden-Württemberg einige Hundert. Dabei haben viele Schulträger bereits mit den Infrastrukturmaßnahmen begonnen, um dem Rechtsanspruch in zwei Jahren überhaupt gerecht werden zu können.

Viele Schulträger haben mit ihren Maßnahmen bereits begonnen

So etwa die Gemeinde Hemmingen, die dem SWR gegenüber berichtet, dass sie bereits eine Firma beauftragt hat, um den örtlichen Hort zu vergrößern. 2,2 Millionen Euro wird das Vorhaben kosten. In Hemmingen war man davon ausgegangen, 75 Prozent der Kosten über das Förderprogramm finanzieren zu können. Ob der Plan aufgeht, hängt nun vom Los ab. „Da lasse ich auch das Land Baden-Württemberg nicht ganz aus der Verantwortung, auch wenn das ein vom Bund angestoßenes Gesetz ist. Aber die Länder waren ja auch über den Bundesrat mit beteiligt. Und dann ist man als Kommune wieder das letzte Glied in der Kette. Wir dürfen die Suppe dann auslöffeln", kritisiert Hemmingens Bürgermeister Thomas Schäfer gegenüber dem SWR.

Kommunale Landesverbände fordern Aufhebung oder Verschiebung des Rechtsanspruchs

Die Kommunalen Landesverbände appellieren an das Land, einzuspringen, wenn die Fördermittel des Bundes ausgeschöpft sind. Das Förderprogramm zeige noch einmal deutlich, dass der Rechtsanspruch ab 2026 nicht haltbar sei. Man müsse ihn zurücknehmen oder zumindest verschieben. Dem SWR gegenüber gab das Kultusministerium zu bedenken, das Land habe in den letzten zwei Jahren jeweils 133 Millionen Euro für Betreuungsangebote zur Verfügung gestellt. Man habe von Seiten der Kommunalen Landesverbände ebenfalls Jäger angeboten, dass für fehlende Fördermittel von Bund oder Land die Schulträger zunächst in Vorleistung gehen. Sie bräuchten jedoch zum Zeitpunkt des Maßnahmenbeginns die Gewissheit, dass die Fördermittel in den Folgejahren fließen werden.

Stoch: "Nicht zum Lostopf, sondern zum Fördertopf greifen"

Kritik kommt auch von den Oppositionsparteien. „Der Riesenbedarf der Kommunen beim Ganztagsausbau war absehbar“, sagt Andreas Stoch, Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag. „Und nicht umsonst hatte der Bund seine Fördermittel für Baden-Württemberg in erheblichem Maß auf fast 390 Millionen Euro aufgestockt. Doch das grün-schwarz regierte Land kommt nicht einmal auf die Idee, in gleichem Maße mitzuziehen. So, als sei die Bildung nicht eine klassische Aufgabe des Landes, sondern nur die Sache von Bund und Kommunen. Der Gipfel der Verantwortungslosigkeit ist es aber, die viel zu knappen Mittel nicht nach sachlichen Prioritäten zu verteilen, sondern sie wie auf dem Rummel zu verlosen. Ohne Rücksicht auf die Finanzkraft der Schulträger oder des Bedarfs vor Ort. Diese Tombola ist ein Tiefschlag gegen unsere Kommunen. Der Ministerpräsident hat so oft von der Priorität für Bildung gesprochen. Wenn sein Wort etwas gilt, dann muss das Land jetzt nicht zum Lostopf, sondern zum Fördertopf greifen.“

Birnstock: "Landesregierung setzt auf Glücksspiel statt Planbarkeit"

„Schon seit Monaten weise ich die grün geführte Landesregierung darauf hin, dass es beim Thema Ganztag klare, nachvollziehbare und koordinierte Verfahren bedarf, um das seit letztem Jahr bereitliegende Bundesgeld an die Kommunen beziehungsweise Träger fair zu verteilen“, so Dennis Birnstock, Sprecher der FDO/DVP-Fraktion. „Doch jetzt schwingt die grün geführte Landesregierung ganz offen die weiße Fahne und kapituliert gänzlich vor der großen Nachfrage beim Investitionsprogramm Ganztagsausbau. Dabei sprechen der grüne Ministerpräsident, die grüne Kultusministerin und die grüne Landtagsfraktion unermüdlich von der Wichtigkeit und Relevanz von Inklusion und Ganztag – aber mehr als leere Worthülsen war bislang nicht drin. Dieses Vorgehen zeigt mal wieder eindrücklich, dass die grün geführte Landesregierung beim Thema Ganztagsanspruch ab 2026/27 wohl weitestgehend planlos ist. Anders ist nicht zu erklären, dass die Landesregierung jetzt auf Glücksspiel statt Planbarkeit setzt. Dabei muss gerade jetzt und entschieden für eine verlässliche Finanzierung gesorgt werden, dass es nicht zum absoluten Chaos ab dem Schuljahr 2026/27 kommt, wenn der Rechtsanspruch dann gilt. Dazu würde allen voran eine transparente und faire Mittelvergabe beim Investitionsprogramm Ganztagsausbau zählen.“