Frauen im Ehrenamt - Der steinige Weg zur Repräsentation
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Der steinige Weg zur Repräsentation

Die Wahlrechtskommission konnte sich nicht auf konkrete Empfehlungen zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern einigen. Obwohl es sich um ein großes Problem auf allen politischen Ebenen handelt. Wir geben Einblick in die kommunale Realität.

Vera Schloßbauer ist 52 Jahre alt, Ehefrau, Mutter, Biologin. Der Naturschutz war ihr schon immer ein großes Anliegen, weshalb sie schon vor vielen Jahren der örtlichen NABU-Gruppe beigetreten ist. Mittlerweile ist sie zweite Vorsitzende. Über die Arbeit im NABU ist sie auch zur Kommunalpolitik gekommen. „Ich habe immer wieder Stellungnahmen zu Verkehrsprojekten, Bebauungsplänen und Lärmaktionsplänen erstellt“, erzählt Schloßbauer. „Dabei ist mir aufgefallen, dass man mit einer Stellungnahme nur noch punktuell Verbesserungen durchsetzen kann. Das Gesamtkonzept ist meist schon vorher im Gemeinderat festgelegt worden.“ So entschied sie sich, an die Quelle der Entscheidungen zu gehen und sich selbst für den Gemeinderat Warthausen aufstellen zu lassen. Auf Hürden sei sie dabei nicht gestoßen. 

Als ich mich bei den Freien Wählern gemeldet habe, wurde ich begeistert und herzlich aufgenommen.

Vera Schloßbauer, Gemeinderätin in Warthausen

Vera Schloßbauer über Frauen im Ehrenamt

Ähnlich geht es auch Benita Bausch, 19 Jahre alt, Auszubildende. Sie ist in die Freiwillige Feuerwehr quasi hineingeboren. Schon ihr Vater ist Mitglied und so stieg auch sie mit 13 Jahren in die Jugendfeuerwehr ein. Heute, sechs Jahre später, ist sie Teil der regulären Aktiven in der Freiwilligen Feuerwehr Biberach. „Ich bin direkt gut aufgenommen worden“, erinnert sie sich an ihre Anfangszeit.

Es gibt eine tolle Kameradschaft untereinander. Die ist noch einmal viel intensiver als bei einem Sportverein.

Benita Bausch, Freiwillige Feuerwehr Biberach

Benita Bausch über Frauen im Ehrenamt

So positiv sich beide an den Start ihrer ehrenamtlichen Arbeit erinnern, so klar ist auch, dass es trotzdem Hürden für Frauen gibt, sich in bestimmten Bereichen des Ehrenamts zu engagieren. Im Gemeinderat Warthausen sind von 14 Sitzen vier mit Frauen besetzt. „Es hat immer ein paar wenige Frauen im Gemeinderat gegeben“, erzählt Schloßbauer. „Mehr als vier hatten wir meines Wissens aber noch nie.“ In der letzten Legislaturperiode waren es sogar nur zwei Frauen bei 14 Plätzen. Bei der Freiwilligen Feuerwehr in Biberach sind es acht Frauen auf insgesamt 120 Feuerwehrleute. „Der Schnitt ist sogar relativ gut, wenn man es mit anderen Freiwilligen Feuerwehren vergleicht“, sagt Benita Bausch. 

Geringe Repräsentation hält vom Mitmachen ab

Doch wenn die Aufnahme so positiv verläuft, was hindert Frauen dann daran, sich Gemeinderäten oder Feuerwehren anzuschließen? Benita Bausch berichtet aus der eigenen Erfahrung: „Als ich elf Jahre alt war, habe ich mir die Jugendfeuerwehr angesehen und gedacht: ‚Da sind ja nur Jungs, was soll ich da?‘ Mit 13 Jahren bin ich dann gemeinsam mit einer Freundin eingetreten.“ Auch Vera Schloßbauer sieht das deutliche Übergewicht an Männern in Gemeinderäten als Umstand, der Frauen von der Tätigkeit abschrecken kann: „Ein Gemeinderat ist über Jahrzehnte Männersache gewesen, er hat das Image eines ‚Männerclubs‘. Das ist dann auch in den Köpfen vieler Frauen so: Kommunalpolitik ist ‚Männersache‘, weil sie es nie anders erlebt haben und so auch vorgelebt bekommen.“

Frauen in baden-württembergischen Gemeinderäten

Bei der Feuerwehr kommen weitere Aspekte hinzu, die abschreckend wirken können. „Bevor man es ausprobiert, fragt man sich schon, ob man der Arbeit körperlich und psychisch gewachsen ist“, sagt Benita Bausch. „Ich kann mich erinnern, dass ich mir darüber Sorgen gemacht habe. Und generell habe ich den Eindruck, dass Frauen sich darüber mehr Gedanken machen als Männer.“ Benita Bausch hat sich dazu entschieden es auszuprobieren und festgestellt: Mit etwas sportlicher Aktivität ist die Arbeit körperlich zu schaffen. „Meine Sorgen, was das Körperliche angeht, waren unbegründet.“ Der psychische Aspekt kann dagegen sehr fordernd sein, so Bausch. 

Konflikt zwischen Familie und Ehrenamt

Im Bereich der Kommunalpolitik sind es andere Aspekte, die abschreckend wirken können. „Ich denke, viele Frauen scheuen die vielen Abendtermine“, sagt Schoßbauer. „Hat man kleine Kinder, dann sind es in der Regel auch heute noch die Frauen, die diese zum Beispiel ins Bett bringen. Auch im beruflichen Alltag sind die Strukturen und Termine nicht immer familienfreundlich. Es bleibt einfach keine Zeit und Energie, sich noch zusätzlich zu engagieren.“

Das Problem unterrepräsentierter Gruppen

Klar ist jedoch auch: Es braucht Frauen im Ehrenamt. Davon ist Vera Schloßbauer überzeugt: „Es braucht mehr weiblichen Einfluss in der Kommunalpolitik. Die Hälfte der Menschen in unseren Kommunen sind Frauen. Um ihre Bedürfnisse in der Politik zu repräsentieren, braucht es auch 50 Prozent Frauen in den Parlamenten. Und das gilt auch für alle anderen unterrepräsentierten Gruppen: Wir brauchen sie im Gemeinderat! Wir müssen dahin kommen, dass es eben keine ‚hilfsbedürftigen Gruppen‘ mehr gibt, die eine Sonderbehandlung benötigen, sondern dass alle genauso ein Teil unserer Gesellschaft und unserer Politik sind wie der Mann zwischen 30 und 65.“

Das tut die Heinrich Böll Stiftung für Frauen im Ehrenamt

Dieser Meinung sind unter anderem auch viele Stiftungen in Baden-Württemberg. Sie machen sich mit Studien und Veranstaltungen für ein diverses Ehrenamt stark. „Die Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg befasst sich seit ihrer Gründung mit dem Thema Unterrepräsentanz von Frauen in der Politik und bietet dazu regelmäßig Workshops, Seminare und Debattenveranstaltungen an“, sagt Annette Goerlich, Bildungsreferentin und stellvertretende Geschäftsführerin der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg. So gibt es regelmäßig Seminare wie etwa „Fit für kommunale Führung“ – das Online-Seminar findet am 12. Mai das nächste Mal statt. Außerdem beteiligt sich die Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg an deutschlandweiten Studien wie der Vielfaltsstudie der Heinrich Böll Stiftung, die sich im ersten Teil mit der Repräsentation von Frauen in der Kommunalpolitik beschäftigt. 

Das tut die Konrad-Adenauer-Stiftung für Frauen im Ehrenamt

Die Konrad-Adenauer-Stiftung Baden-Württemberg hat eine eigene Seminarreihe namens Frauenkolleg, in deren Seminaren gelehrt wird, wie Frauen ihre Fähigkeiten in Politik, Gesellschaft, Beruf und Ehrenamt besser nutzen können. Darüber hinaus hat die Stiftung mit Blick auf die im nächsten Jahr kommenden Kommunalwahlen ein Kommunal-Mentoring-Programm ins Leben gerufen. Dabei stellt sie interessierten Frauen eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner zur Seite, die oder der bereits politisch aktiv ist und Informationen und Ratschläge mit auf den Weg geben kann. Teil des Programms sind außerdem zahlreiche Seminare zu verschiedenen relevanten Themen, die von zwei kommunalpolitisch erfahrenen Coaches betreut werden. „Wir brauchen die Kreativität, den Einsatz und das Engagement von Frauen, die unsere Gesellschaft in allen Bereichen gleichberechtigt mitgestalten, mehr denn je“, sagt Simone Iliou, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Politischen Bildungsforum Baden-Württemberg der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Daher ist es der Konrad-Adenauer-Stiftung bereits seit über 32 Jahren eine Herzensangelegenheit, Frauen für das (politische) Ehrenamt zu begeistern.“

Das tut die Fritz-Erler-Forum für Frauen im Ehrenamt

Das Fritz-Erler-Forum Baden-Württemberg bietet im Rahmen seiner BürgerAkademie das Seminar „Frauen im Ehrenamt – erfolgreich und souverän verhandeln!“ an. Im Rahmen der KommunalAkademie gibt es darüber hinaus die Seminare „Kommunal Gestalten“ und „Kommunal Gestalten – Frauen“, die beide das Ziel haben, mehr Frauen für die Kommunalpolitik zu begeistern und sie in dieser Rolle zu stärken. „Die Perspektive von Frauen auf wichtige Themen in der Kommune fehlt häufig komplett oder kommt aufgrund der geringen Repräsentanz nicht zum Tragen“, sagt Florian Koch, Büroleiter des Fritz-Erler-Forums Baden-Württemberg. „Für den Zusammenhalt und den Fortschritt in einer Kommune ist es schädlich, wenn 50 Prozent der Bevölkerung keine wirkliche Mitsprache haben und seine Ideen nicht einbringen kann.“

Das tut die Friedrich Naumann Stiftung für Frauen im Ehrenamt

Auch dem Landesbüro Baden-Württemberg der Friedrich Naumann Stiftung ist die Repräsentation von Frauen im Ehrenamt ein Anliegen. „Eine stärkere Repräsentation von Frauen steht national wie auch international im Fokus der Arbeit unserer Stiftung“, sagt Melanie Kögler, Leiterin des Landesbüros Baden-Württemberg. „In Baden-Württemberg runden vielfältige Bildungsangebote in Form von Seminaren und inhaltlichen Diskussionsveranstaltungen unser deutschlandweites Angebot zur Förderung von Frauen im Ehrenamt ab.“ Die Friedrich Naumann Stiftung bündelt ihren Einsatz in diesem Bereich unter dem Hashtag ‚femaleforward‘. Auf dem sogenannten Empowerment-Programm der Stiftung stehen unter anderem Fertigkeitentrainings, Netzwerkveranstaltungen sowie ein Mentoring.