Pop-up-Store in Bad Saulgau
© Bad Saulgau

Wie Bad Saulgau vom Pop-up-Experiment profitiert

Pop-up-Stores bieten Städten und Gemeinden die Möglichkeit, Ladenflächen zeitweise an Inhaber mit unkonventionellen Geschäftskonzepten zu vermieten. Die Experimente auf Zeit stimulieren die Ortskerne, entfachen die Neugier der Bürgerinnen und Bürger und bieten Kreativen eine Startrampe für eine mögliche Expansion.

Ob die Ordnungshüter die Angabe auf der Parkscheibe akzeptieren würden? „Grad äba“ („gerade eben“) zeigt sie als Ankunftszeit an. Die „Schwäbische Parrgscheib“ ist nur eine von vielen Plaketten und Schildern mit witzigen Mundart-Sprüchen, die der Online-Händler Steven König auf seinem Portal „Schwobatastisch“ führt. Dazu kommen Accessoires wie Kochlöffel, Taschen, Kalender und T-Shirts. Wobei der Begriff „Online-Händler“ nicht mehr ganz zutrifft. Denn Steven König hat seit Anfang Mai sein eigenes Ladengeschäft. „Bsuachad ons doch mol in unserem Pop-up-Store in 88348 Bad Saulgau”, wirbt er auf seiner Website. Dort, in der Hauptstraße 70, führt Steven König nämlich noch mindestens bis Ende Juli seinen Schwobatastisch Store, ein Pop-up-Store, an dessen Wänden nun die Schilder prangen. Um den Ortskern zu beleben, hat die Kur- und Bäderstadt im Landkreis Sigmaringen am Sofortprogramm für Einzelhandel und Innenstädte teilgenommen, das das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus ausgelobt hatte. Dabei stellt die Stadt Unternehmen für einen begrenzten Zeitraum Ladenflächen in A-Lage zur Verfügung.

Steven König im Swobatastisch Pop-Up-Store
Steven König im Swobatastisch Pop-Up-Store

Für Start-ups und Kreativschaffende entsteht dabei die Chance, ihre Produkte und Dienstleistungen einer breiteren Kundschaft anzubieten – oder überhaupt erstmals physisch in Erscheinung zu treten, nachdem sie vorher nur online präsent waren. Und die Stadt selbst erhält einen größeren Facettenreichtum im stationären Einzelhandel und damit verbunden – so die Hoffnung – mehr Laufkundschaft und eine lebendige Innenstadt. Steven Königs Schwobatastisch Store ist nicht das einzige Ladengeschäft, das aus dem Aufruf der Stadt hervorgegangen ist. Bereits zwischen Dezember und Januar zeigten sieben Künstlerinnen und Künstler ihre Werke in einer Pop-up-Galerie. Ein im benachbarten Alleshausen ansässiger Betrieb, die „Alte Seilerei“, stellte einen Monat lang ihr Traditionshandwerk zur Schau und produzierte vor interessiertem Publikum Seile aus Naturhanf und Holz. Und der Vorgänger von Steven König im Ladengeschäft in der Hauptstraße, Maximilian Wetzel, betrieb dort eine hydroponische Anlage zur Aufzucht von Sprossen mit dem Ziel, Gemüsesorten zu erzeugen.

Maximilian Wetzel im VerCro Hydroponics Pop-Up-Store
Maximilian Wetzel im VerCro Hydroponics Pop-Up-Store

„Unsere Pop-up-Stores sind aus der Zusammenarbeit zwischen der städtischen Wirtschaftsförderung und unserer Gründungsinitiative Bad Saulgau (GriBS) entstanden“, erklärt Thomas Schäfers von der Abteilung Bürger, Wirtschaft und Öffentlichkeit gegenüber die:gemeinde. GriBS habe sich auf die Fahne geschrieben, Gründungswillige und junge Unternehmerinnen und Unternehmer niederschwellig zu unterstützen. „Zielsetzung ist es deshalb zum einen, dieser Zielgruppe Raum zum Ausprobieren zu bieten – für eine Existenzgründung, für neue Geschäftsideen, für den Standort Bad Saulgau. Zum anderen war es uns als Wirtschaftsförderung wichtig, unserer Innenstadt nach dem zweiten Corona-Lockdown wieder auf die Beine zu helfen“, so Schäfers weiter. Zumindest in den A-Lagen habe man bislang zwar keine Probleme mit Leerstand gehabt. „Da hat der Einzelhandelsstandort Bad Saulgau echt gut funktioniert.“ Auch die Lockdowns hätten nicht zu einem Ladensterben geführt. „Aber eine Fluktuation bei den Ladengeschäften gibt es immer. Und Corona hat es schwer gemacht, adäquate Nachnutzungen zu finden“, so Schäfers. Das zweite Ziel des Konzeptes sei es deshalb, das Thema Leerstände gleich im Keim zu ersticken. Für beide Ziele habe das Konzept schon jetzt etwas gebracht. „Dass die Innenstadt durch das belebende Element Pop-up-Store insgesamt profitiert, ist dann der Bonus obendrauf“, sagt Schäfers.  

Das Intresse an den Pop-Up-Stores in Bad Saulgau ist riesig

Zunächst war Bad Saulgau mit einem einzigen Ladengeschäft mit rund 70 Quadratmetern Verkaufsfläche gestartet. Weil es viele Interessentinnen und Interessenten gab, mietete die Verwaltung dann schnell ein zweites Ladengeschäft an, deren Fläche flexibel nutzbar und je nach Bedarf zwischen 150 und 300 Quadratmeter groß ist. Auch jetzt sei die Nachfrage noch groß, sagt Schäfers. Interessenten können die Flächen mindestens zwei Wochen und höchstens drei Monate lang anmieten. Doch wie ist die Stadt mit den Bewerbern in Kontakt getreten – und wo kommen sie her? Bei der Vermarktung habe man sich auf die Stadt und die nähere Umgebung konzentriert, sagt Schäfers. „Das hat uns bislang eine Vollauslastung beschert. Trotzdem haben wir vor kurzem den räumlichen Radius unserer Marketingaktivitäten erweitert. Auch von weiter weg kommen jetzt die ersten Anfragen.“ Die Hintergründe der Unternehmer sind unterschiedlich. „Wir hatten Gründerinnen und Gründer. Wir hatten Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer, die bislang von zu Hause aus gearbeitet haben und einfach einmal ein eigenes Ladenlokal testen wollen. Wir hatten aber auch etablierte Gewerbetreibende – nicht zwingend nur Einzelhändler – die den Showroom Innenstadt nutzen wollen“, so Thomas Schäfers.

Alexandra Lott von „Unser Bad Saulgau“ (v.l.), Amanda Knapp und Anca Jung von ART-S,  Ilona Boos von der Wirtschaftsförderung Bad Saulgau und Sonja Beutel von der Gründungsinitiative Bad Saulbau vor dem Pop-up-Store
Alexandra Lott von „Unser Bad Saulgau“ (v.l.), Amanda Knapp und Anca Jung von ART-S, Ilona Boos von der Wirtschaftsförderung Bad Saulgau und Sonja Beutel von der Gründungsinitiative Bad Saulbau vor dem Pop-up-Store

Doch welchen Nutzen hat die Stadt perspektivisch jenseits der höchstens dreimonatigen Intermezzi von den Pop-up-Stores? Ein langfristiges Mietverhältnis ist aus den bisherigen Zwischenspielen noch nicht entstanden. Immerhin: Ein Gründer habe sein Geschäftsmodell in den Pop-up-Stores erfolgreich getestet und werde nun auf dieser Grundlage seine nächsten geschäftlichen Schritte gehen, sagt Schäfers – wenn auch nicht im Bad Saulgauer Store. Trotzdem: Thomas Schäfers‘ Zwischenfazit fällt durchaus positiv aus. Ursprünglich hatte man das Konzept auf ein Jahr ausgelegt. Dann kam die Möglichkeit der Landesförderung, auf die sich die Stadt bewarb, die schließlich auch bewilligt wurde und bis Ende 2023 läuft. „Nach einem halben Jahr können wir aber so oder so festhalten: Wir sind froh, dass wir das Konzept auf die Beine gestellt haben und wie gut es angenommen wird“, sagt Thomas Schäfers. Wie erfolgreich Pop-up-Stores sein können, zeigt sich auch in Freudenstadt. Das Konzept der Stadt wurde im vergangenen Jahr mit dem Stadtmarketingpreis des Handelsverbands Baden-Württemberg ausgezeichnet. Besonders interessant: einer der sieben Stores, mit denen Freudenstadt gestartet war, ist geblieben und mittlerweile fester Bestandteil der Innenstadt. Es ist der Laden des peruanischen Illustrators Israel Surco, der T-Shirts und Pullover mit Tierzeichnungen gestaltet.