© Martin Stollberg/KEA-BW

„Nur gemeinsam gelingt es“ – Kommunaler Klimaschutzkongress setzt Impulse

Solarboom, Hochwasserschutz, Wärmewende: Beim Kommunalen Klimaschutzkongress am vergangenen Donnerstag in Waiblingen wurde deutlich, dass nachhaltige Transformation nur auf kommunaler Ebene gelingen kann – aber eben nicht im Alleingang. In ihren Reden betonten die prominenten Rednerinnen und Redner die Bedeutung funktionierender Partnerschaften, lokaler Handlungsspielräume und einer offenen gesellschaftlichen Debatte. Klimaschutz sei kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in die Zukunft – auch in die Demokratie.

„Wir müssen das Rad nicht neu erfinden“, sagte Waiblingens Oberbürgermeister Sebastian Wolf zur Eröffnung des Kongresses – und spielte damit auf die vielfältige Klima-Kompetenz an, die Baden-Württemberg bereits heute in die Waagschale werfen könne. In Waiblingen selbst habe man einen Klima-Aktionsplan verabschiedet, gemeinsam mit dem Rems-Murr-Kreis werde derzeit an einer Wasserstoff-Infrastruktur gearbeitet. Wolf appellierte an die Teilnehmenden, den kommunalen Handlungsspielraum zu nutzen – und gleichzeitig die grünen Lungen der Städte nicht leichtfertig zu bebauen.

Auch Thekla Walker, Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, betonte: Klimaschutz beginne in den Kommunen, sei aber weit mehr als nur Energiewende. „Es geht um Planbarkeit, Partnerschaften und eine klare Investitionsstrategie“, sagte Walker. Besonders wichtig sei, funktionierende Modelle in die Fläche zu bringen – als Gegenentwurf zum noch immer verbreiteten Geist der Skepsis gegenüber den vermeintlich hohen Kosten für Klimaschutz.

Doch gerade so – als Kosten – dürfe man Ausgaben für Klimaschutzmaßnahmen nicht betrachten, sondern vielmehr als Investitionen. Klimaschutz lohne sich doppelt, sagte sie: ökologisch wie wirtschaftlich. „Die Kosten des Nichtstuns sind höher als die der Umsetzung“, mahnte Walker mit Blick auf Hochwasserereignisse wie in Rudersberg. Walker verwies außerdem auf den anhaltenden Solarboom und die Chance für Kommunen, durch Windkraft eigene Einnahmequellen zu erschließen.

Klimaschutz als Innovationstreiber und Standortfaktor

Keynote-Speaker Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister von Wuppertal und früherer Präsident des renommierten Wuppertal Instituts, sprach schließlich über die Herausforderung, Klimaschutz in Zeiten multipler Krisen wirksam zu gestalten. Schneidewind ist als ehemaliger Professor mit grünem Parteibuch eine doppelte Anomalie im Rathaus einer deutschen Großstadt. 2020 setzte er sich in der Stichwahl gegen den Amtsinhaber der SPD durch und ist seither Verwaltungschef der hochverschuldeten Großstadt im Bergischen Land.

Wie Schneidewind selbst sagte, sei die Wahl nur möglich gewesen, weil sowohl die Grünen als auch der Klimaschutz damals gesellschaftlich relevanter erschienen als heute und Ausgaben für Klimaschutz auf größere Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung stießen als heute. Mittlerweile habe sich der Zeitgeist aber gedreht, und auch Schneidewind tritt bei der diesjährigen OB-Wahl – in Nordhein-Westfalen beträgt die Amtszeit nicht acht, sondern fünf Jahre – nicht erneut an, wohl auch, weil er davon ausgeht, nicht wiedergewählt zu werden.

Die übergeordnete Frage seiner Keynote lautete deshalb auch, wie kommunaler Klimaschutz wieder Rückenwind bekommen kann, oder wie er trotz gesellschaftlichen Gegenwinds gelingen kann. Dabei zeigte sich Schneidewind optimistisch: Regenerative Energien seien in vielen Fällen längst günstiger als fossile Alternativen – ein echter Gamechanger für Unternehmen.

Mobilitätswende, Kreislaufwirtschaft, Fernwärmestrategien – all das seien Hebel, die Kommunen nutzen könnten. Mobilität und Energie seien nicht nur ökologische, sondern auch soziale Fragen: Ein gut ausgebauter ÖPNV sei ein Beitrag zur Gerechtigkeit – insbesondere für Menschen, die sich kein Auto leisten können. Schneidewind plädierte für eine Neubewertung des Denkmalschutzes: Solarpanels auf historischen Gebäuden dürften kein Tabu sein. „Nach fünf Jahren würden wir sehen, dass sie eben nicht verschandelt worden sind“, sagte er unter Applaus.

Festigt Klimaschutz die Demokratie?

Ein zentrales Motiv durchzog Schneidewinds Vortrag: Klimaschutz brauche gesellschaftlichen Dialog. Der Austausch über Wärmewende und Transformation sei ein demokratiestärkender Prozess – vorausgesetzt, die Debatten bleiben sachlich. Vielleicht lässt sich der Ex-Professor in dieser These zu stark vom Idealismus leiten. Denn Polarisierung und ideologische Grabenkämpfe sind gerade in Klimafragen häufig Alltag, Bürgerinitiativen, die versuchen, die Errichtung von Windkraftanlagen zu verhindern, sind republikweit Alltag geworden. Räume für Austausch und Beteiligung zu schaffen ist aus Sicht Schneidewinds trotzdem oder gerade deshalb umso wichtiger  – wie beim Klimaschutzkongress selbst.

Die rund 400 Teilnehmenden konnten sich nach den Impulsen aus Waiblingen, Schorndorf und dem Rems-Murr-Kreis in vier Foren austauschen – zu Themen wie klimaneutraler Verwaltung oder kommunaler Wärmewende. Veranstalter war das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg gemeinsam mit der KEA Klimaschutz- und Energieagentur (KEA-BW). Deutlich wurde: Klimaschutz ist längst ein kommunales Kernthema. Und: Nur gemeinsam gelingt es.